Netzneutralität: Indische Netzanbieter könnten Zero-Rating-Verbot unterlaufen

Grafik: Times of India

Nach dem Verbot von Zero-Rating-Angeboten durch die indische Telekom-Aufsicht TRAI (Telecom Regulatory Authority of India), versuchen Netzbetreiber offenbar das Schlupfloch zu füllen, das die neuen Regeln offenlassen. Zwar ist es ihnen künftig untersagt, „diskriminierende Datendienste“ anzubieten, die etwa von WhatsApp verursachten Datentransfer von der monatlichen Kappungsgrenze ausnehmen. Ausnahmen sind lediglich für Notdienste beziehungsweise Notfälle vorgesehen, oder wenn es sich um Datendienste handelt, die innerhalb geschlossener Netzwerke angeboten werden:

Provided that this regulation shall not apply to tariffs for data services over closed electronic communications networks, unless such tariffs are offered or charged by the service provider for the purpose of evading the prohibition in this regulation.

Der als Schutzvorrichtung gedachte letzte Abschnitt scheint indische Netzbetreiber nicht davon abzuhalten, kreativ zu werden und proprietäre Plattformen anzudenken, die nur über das eigene, geschlossene Netz erreichbar sind. Wie The Times of India berichtet, geben sich mehrere indische Telekommunikationsunternehmen kampfeslustig und betonen, praktisch alles anbieten zu können, solange das offene Netz außen vor bleibt. Ein für Netzbetreiber angenehmer Nebeneffekt solcher Modelle wäre zudem die stärkere Bindung von Kunden an das hauseigene Angebot, wie ein Manager freimütig einräumt:

As an operator, this is great, we can have captive content, at a captive cost, as long as it is not available to anyone else. It’s a great way to capture customers.

Das letzte Wort ist freilich noch nicht gesprochen. Ebenfalls zur Debatte stehen Pakete mit neuen Transfergrenzen, die zu bestimmten Uhrzeiten „kostenlosen“ Zugriff auf beliebige Dienste gestatten. Zudem hat der TRAI-Vorsitzende Ram Sewak Sharma bereits angekündigt, Konstrukte unter die Lupe nehmen zu wollen, deren einziger Zweck darin besteht, die neuen Regeln zu unterwandern.

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11 Ergänzungen

  1. Unterdessen schliesst in der Schweiz WhatsApp mit Sunrise einen Vertrag ab, dass durch WhatsApp verursachter Daten-Transfer vom monatlichen Quota ausgeschlossen ist, wodurch andere Messenger, z.B. Threema, offensichtlich benachteiligt werden.

      1. Also zum Nachdenken wenn du (A) Einen Datentarif hast mit z.B. 500Mb im Monat und häufige Nachhrichten über Threema verschickst wirst du ggf. nun Whatsapp bevorzugen. Somit hat sich was für den Nutzer von Threema geändert,für Ihn ist das Angebot schlechter geworden…

      2. Das heist es ist jetzt für dich schlechter weil es für jemanden anderes besser ist?

        Für Threema Nutzer ändert sich nichts! zur vorherherigen Situation. Deren Datenvolumen werden nicht gekürzt und auch die Nachrichten werden nicht langsamer durchs Netz geleitet.

        Wenn jetzt Threema Nutzer deswegen zu WhatsApp greifen, sind offensichtich die unterschiede zwischen Threema und WhatsApp nicht der Grund warum jemand vorher Threema verwendet hat.

        ZeroRating ist wie gratis Wasser zum Essen im Restaurant. Wenn du kein Wasser magst musst du dier ein Bier/Cola/etc. selber kaufen.

      3. Kurzfristig wohl nicht, aber langfristig würde die Gefahr bestehen (sehr zurückhaltend formuliert), dass Nutzer auf eine vermeintlich kostenlose Plattform umsteigen, dadurch kleinen Start-ups wie Threema den Kundenstamm und somit die Geschäftsgrundlage entziehen – mit entsprechenden Folgen für Wahlfreiheit, Innovation usw.

      4. Das Ganze hat aus meiner Sicht (auch wenn sogar die BNetzA das nicht so sieht) nichts mit Netzneutralität zu tun, da hier nicht in den Netzwerkverkehr eingegriffen wird und kein einziges Datenpaket anders behandelt wird.

        Stromnetzbeispiel:
        Anbieter A gibt mir Inklusivstrom im Vertrag von 1000kWh

        Anbiter B rechnet dank SmartMeter nur StromVerbrauch zwischen 6:00 – 22:00 Uhr

        Beide Anbieter verletzen keine Netzneutralität im Stromnetz, allerdings sind die Abrechnungsmodelle unterschiedlich. Dies führt dazu das Kunden je nach Ihren Bedürfnissen wechseln oder ihre Bedürfnisse verändern. Nennt sich Marktwirtschaft.

      5. @Christian1313: Wenn ab einer bestimmten Grenze ausgewählte Dienste nicht gedrosselt werden, alles andere aber schon, dann wird in den Netzwerkverkehr eingegriffen. Das benachteiligt ganz klar Dienste, die sich diese indirekte Überholspur nicht leisten können oder wollen und räumt zudem Netzbetreibern die Rolle eines Gatekeepers ein, mit den o.a. Folgen für das offene Internet.

      6. Das ist ein krummes Argument. Wenn du als einziger nicht weniger Steuern zahlen müsstest, würde sich für dich auch nichts ändern. Aber was soll das schon heissen? Wäre das Trost genug für dich, um damit einverstanden zu sein? Wohl kaum.

        Die Idee hinter Netzneutralität ist Gleichbehandlung. Wenn WhatsApp-Daten nicht zum monatlichen Quota gerechnet werden, Threema-Daten aber schon, ist das offensichtlich _keine_ Gleichbehandlung. Da gibt’s keinen Interpretationsspielraum. Netzneutralität verletzt.

      7. Hier wird dann aber gedrosselt weil der Kunde sich keine zusätzliches Datenvolumen kaufen möchte. Wenn er das tut kan er alle anderen Dienste wie gewohnt nutzen.

        Ich möchte hier mal kurz „BingeOn“ von T-Mobile_US und das WhatsApp Beispiel vergleichen.

        Bei 1.) Wird zu jedem Zeitpunkt, egal wieviel der Kunde an Daten „verbraucht“ hat oder wieviel er gebucht hat, in den Datenverkehr eingegriffen (z.B. Datenreduktion von Videostreams). Dies ist für mich klar ein Verstoß gegen eine Netzneutralität, da wie gesagt in den Paketverkehr direkt eingegriffen wird.

        Bei 2.) Ist es ausschließlich eine Abrechnungsvariante, welche keinen einziges Paket behindert/verändert und damit ist es nichts anderes als ein Geschäftsmodell des Netzanbieters.

        Meiner Ansicht nach sind Geschäftsmodelle keine zwingender Bestandteil/Faktor der Netzneutralität, sondern sind den mechanismen des Marktes unterworfen.
        Gerne kann man für/gegen einen Regulierung dieses Marktes lobbyieren, allerdings sollte man diese Diskussion nicht unter der Flagge der Netzneutralität führen.

        Wäre den aus Sicht des Autors die Netzneutralität gewahrt wenn z.B. Kunden eines Netzanbieters folgendes Angebot warnehemen könnten?

        Angebot: „Loggen Sie sich einmal im Monat mit ihren Whats App Daten in unser SparPortal ein und erhalten Sie 500 MB Traffic gratis dazu.“

  2. Ob Walled Gardens im Stil von AOL oder T-Online in Indien besser ankommen, als bei uns? Auf den ersten Blick würde ich sagen nein, ungefährlich weil uninteressant … doch andererseits soll es in Indien ja nichts kosten, im Vergleich zum offenen Netz. Dadurch läuft es wieder nach dem alten Schema, das Facebook untersagt wurde. Aber wenn das Schema untersagt wurde, wieso wollen die es erneut probieren und warum soll es diesmal ein Loophole sein?

    1. Im Moment handelt es sich nur um Überlegungen, allerdings reiben sich Netzbetreiber augenscheinlich die Hände (siehe Zitat), weil sie sich von diesem Schlupfloch (geschlossene Netzwerke bleiben von der Regelung unberührt) eine Sogwirkung samt inkludierter starker Kundenbindung erhoffen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.