Meldedaten an die Bundeswehr: Widerspruch als öffentlicher Protest

Die Internationale Liga für Menschenrechte e. V. fordert Jugendliche zum Widerspruch und öffentlichen Protest gegen die Weitergabe von Daten an die Bundeswehr auf. Zwar deckt die Armee ihren Personalbedarf nicht mehr über Wehrpflichtige, denn durch das Wehrrechtsänderungsgesetz (WehrRÄndG) wurde seit dem Jahr 2011 der Wehrdienst ausgesetzt und kein Mann mehr zur Musterung bestellt. Sofern kein Verteidigungsfall eintritt, bleiben alle 17-jährigen Männer vom Kreiswehrersatzamt unbehelligt. Alte Musterungsakten müssen nach Ende der Aufbewahrungsfristen vernichtet werden.

Allerdings schicken die Meldeämter dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr seit Oktober 2011 jedes Jahr Meldedaten zur Anwerbung Freiwilliger. Die Bundeswehr verwendet diese Meldedaten, um Werbematerial an junge Leute zu senden. Zeit- und Berufssoldaten und ziviles Personal akquiriert die Bundeswehr seit der Aussetzung der Wehrpflicht über die sogenannten Karriere-Center, darf die von den Meldeämtern erlangten Daten aber nur für den vorgesehenen Zweck verwenden, nämlich das Versenden von Informationsmaterial. Die Daten müssen zwölf Monate nach der Erstspeicherung beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr gelöscht werden.

Die Meldeämter sind verpflichtet, dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr Adresse, Familienname und Vorname von allen deutschen Staatsangehörigen zu überlassen, die im Folgejahr volljährig werden. Der Datenübermittlung kann man aber entkommen, wenn man nach dem Bundesmeldegesetz widerspricht. (Das Bundesmeldegesetz trat am 1. November 2015 in Kraft und ersetzt seitdem das Melderechtsrahmengesetz.) Zudem sind die Daten beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr jeweils zu löschen, wenn ein Betroffener dies verlangt.

Die Internationale Liga für Menschenrechte e. V. ruft zur friedenspolitischen Aktion gegen die Bundeswehr auf, die im Jahr 2017 übrigens einen Etat von 36.612 Millionen Euro haben soll:

Mit dem Widerspruch können Jugendliche ein Zeichen gegen Krieg und für Frieden setzen.

Ein Vorschlag ist dabei, daraus auch einen öffentlichen Protest zu machen:

protest
No more war. CC BY-NC-ND 2.0 by Yasmeen

Statt die Widersprüche mit der Post zu schicken, könnten die widersprechenden Jugendlichen die Schreiben gemeinsam persönlich in der zuständigen Behörde abgeben und dies mit einer öffentlichkeitswirksamen Kundgebung vor dem jeweiligen Gebäude verbinden. Das könnten sowohl diejenigen tun, deren 18. Geburtstag bevorsteht, als auch diejenigen, die nachträglich die Löschung ihrer Daten bei der Bundeswehr verlangen.

Man könnte auch eine Demo mit ganzen Familien draus machen:

Eltern bzw. gesetzliche Vertreter [können] für minderjährige Jugendliche den Widerspruch einlegen.

Bitte lasst uns wissen, wenn jemand seinen Widerspruch öffentlichkeitswirksam kundtut. Wer nicht gleich vor den Dienstsitz von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU, ziehen will: Es kann ja auch ein Blogbeitrag sein.

Ehemalige Soldaten sollten auch das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr in Andernach im Blick haben: Dort werden die Gesundheitsdaten über die Dienstfähigkeit von Soldaten jahrzehntelang zentral gespeichert, bei Wehrpflichtigen bis zur Vollendung des 45. bzw. 60. Lebensjahres, bei Berufssoldaten sogar bis zum Ablauf des 90. Lebensjahres. Wer vor dem 30. Juni 2011 gemustert worden ist, für den gelten außerdem die Aufbewahrungsfristen nach der Personalaktenverordnung Wehrpflichtige (WPersAV) von 1998. Danach kann die Personalakte von Wehrpflichtigen höchstens bis zum Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 45. Lebensjahr vollendet, aufbewahrt werden. Bei Auskünften hilft der Beauftragte für den Datenschutz in der Bundeswehr (BfDBw).

Die Liga stellt praktischerweise vorformulierte Schreiben für Widerspruch und Löschung sowie ein Flugblatt (pdf) zur Verfügung.

Widerspruch ist möglich und nötig!

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14 Ergänzungen

  1. Vorhin habe ich in der Spiegel online app einen Artikel* ueber den Terroranschlag in Brüssel geklickt. Da kommt dann eine overlay Bundeswehr Werbung in poppigem Tarnfarbendesign. Text: „Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt. Mach, was wirklich zählt.“ Siehe Screenshot: http://frazy.tv/temp/spon-screenshot-3-bundeswehr-werbung.jpg

    * Artikel: „Die perfide Europa-Strategie des IS“. Man koennte zu der in eine Terrormeldung eingebettete Werbeaktion entspr. schreiben „Die perfide Strategie der Bundeswehr.“

    Funfact: Auf meinem S2 Smartphone wird die Werbung abgeschnitten angezeigt, s. Screenshot. Beim Versuch zu scrollen/klicken schliesst sich die Werbung. Man kann also die Werbung nicht vollständig lesen, und auch nicht klicken, wodurch man dann vermutlich auf der zu der Pro-Bundeswehr-Kampagne („im Wert von 10,6 Millionen Euro“**) gehörenden Webseite landen würde.

    Da bietet sich doch an, stattdessen hier auf die gute und unterstützenswerte Anti-Bundeswehr-Kampagnenwebseite („im Wert von 100 Euro“**) von Peng! zu verlinken, die optisch kaum von der Pro-Webseite zu unterscheiden ist: http://www.machwaszaehlt.de

    „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Bundeswehr in Ihrer gesamten Kampagne nie Wörter wie ‚Tod‘, ‚Töten‘, ‚Sterben‘ oder ‚Krieg‘ verwendet“, sagt ein Sprecher des Peng-Kollektivs, der sich Phillip Fisch nennt. „Das wollen wir mit unserer Kampagne ausgleichen.““
    ** Quelle: https://www.taz.de/!5254884/

  2. Ich bin begeistert. Das BAWV gibt es bereits seit über drei Jahren nicht mehr, von Kreiswehrersatzämtern mal ganz zu schweigen. Also entweder wurde der Artikel im Keller ausgegraben oder man ist zu unfähig oder zu faul richtig zu recherchieren. Das bestärkt mich nur in meiner bisherigen Meinung über solche Seiten wie diese.

  3. Die Internationale Liga für Menschenrechte e. V. ruft zur friedenspolitischen Aktion gegen die Bundeswehr auf, die im Jahr 2017 übrigens einen Etat von 36.612 Millionen Euro haben soll:

    Wer hat diesen Etat? Die Liga für Menschenrechte? Die Bundeswehr? Letztere käme mit 37 Millionen Euro nicht weit.
    Die Wehrpflicht ist übrigens nur ausgesetzt, nicht abgeschafft. Sie wird momentan also lediglich nicht vollzogen. Demnach stehen der Bundeswehr die Daten zu. Im, zugegebenerweise nur theoretischen, Verteidigungsfall muss sie darauf zugreifen können. Kreiswehrersatzämter gibt es übrigens auch nicht mehr. Leider ein gefärbter Artikel, schade….

    1. Deutsch ist schon nicht so einfach, aber…
      1. ist die Rede von 36.612 Millionen, das sind 36,6 Milliarden, wohl kaum der Etat eines Vereins…
      2. bezöge sich die Aussage auf den Verein, müsste dort eher „dem im Jahr“ stehen
      3. erübrigt sich 2. wenn man auf den Link klickt…

  4. Gute Recherche wie man sie von Netzpolitik kennt: § 58 des Wehrpflichtgesetzes wurde vor 3 Jahren aufgehoben, das Melderechtsrahmengesetz gibt es seit letztem Jahr auch nicht mehr. Wenn schon so einfach überprüfbare Fakten falsch sind, was ist dann von den Informationen zu erwarten, die durch den Leser gewöhnlich kaum überprüfbar sind?

    1. Recherche besteht manchmal aus Büchern, die in diesem Fall nicht mal alt waren, aber den Redaktionsschluss 2011 hatten. Ich hätte das prüfen sollen, ob die darin angegebenen Gesetze noch gelten. Ich habe das jetzt im Artikel korrigiert.

  5. Das Melderechtsrahmengesetz der Länder wurde am 1. November 2015 auf den Bund übertragen und nennt sich jetzt Meldegesetz bzw. Bundesmeldegesetz (BMG).

    Daneben gibt es noch das Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz – BwAttraktStG), das sich in §3a auf das Bundesmeldegesetz bezieht und das Wehrpflichtgesetz (WPflG), das in §15 regelt:
    (1) Die Erfassungsbehörde darf, soweit zur Feststellung der Wehrpflicht erforderlich, für die Erfassung folgende über den Betroffenen im Melderegister gespeicherte Daten nutzen: …

    Hinweise für Jugendliche (Stand 12. Juni 2015): Widerspruch gegen die Weitergabe der eigenen Adresse vom Einwohnermeldeamt an das bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (inkl. 2-seitiges Anschreiben als PDF)
    http://www.arbeitsstelle-kokon.de/node/68

    Stand 10.03.2016 (für Jahrgang 1999):
    Wer die Datenweitergabe unter­binden will muss rechtzeitig widersprechen. Betroffe­ne Jugendliche beziehungsweise Er­ziehungsberechtigte sollten einen Widerspruch gegen die Weitergabe an das Einwohnermeldeamt schicken und die Datenlöschung beim Bundes­amt für Wehrverwaltung verlangen.

    1. Danke, ich wusste nicht, dass das Melderechtsrahmengesetz außer Kraft getreten ist, ich habe es im Artikel korrigiert.

  6. Wie kommt es denn, dass die ILMR keine HTTPS-Verbindungen zulässt? Liegt das an meinem Browser oder an der verlinkten Webseite? HTTP ist mir gerade bei Seiten mit politischem Hintergrund sehr unangenehm.

  7. Seit den Anschlägen in Paris werden in Frankreich vermehrt Werbeplakate auf den Straßen/Bürgersteigen installiert.

    Beispiele:
    – Für mich, für die anderen
    http://www.letudiant.fr/educpros/actualite/l-armee-de-terre-recrute-et-developpe-sa-marque-employeur.html

    – Ich habe Hunger nach Abenteuern für die, die nach Freiheit dürsten
    http://www.opex360.com/2016/03/09/votre-volonte-notre-fierte-larmee-de-terre-lance-sa-nouvelle-campagne-de-recrutement/

    Die Plakate sehen aus wie Werbung für einen Actionfilm.

    Bei der Suchmaschine deiner Wahl eingeben: pub militaire recrutement 2016,
    da purzeln die Artikel und Bilder raus

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.