Forscher überlisten Gesichtserkennungssysteme mit bunten Brillen

Selten war Datenschutz so funky und bunt: Forscher haben Brillen entwickelt, mit denen gängige Gesichtserkennungssoftware erfolgreich ausgetrickst werden kann. Für nur wenige Cent könnte man so Gesichtserkennungssystemen vorgaukeln, Innenminister Thomas de Maizière zu sein.

Bild (a) zeigt eine Verhinderung von Gesichtserkennung. Die Bilder (b)–(d) zeigen Impersonation-Attacken, wobei unten immer die Personen sind, die mit der Brille nachgeahmt wurden. Foto: Auszug aus der Studie.

Bunte Brillen können gängige Gesichtserkennungssysteme überlisten. Das haben Forscher an der Carnegie Mellon University in einer Studie herausgefunden. Die Überlistung funktioniert sogar auf zweifache Art und Weise: Einerseits kann die Brille verhindern, dass man selbst erkannt wird und andererseits taugt sie auch zu einer Impersonation-Attacke, bei der man mit der Brille zu einer anderen Person wird.

Dabei machten sich die Forscher die Funktionsweise gängiger Gesichtserkennungsprogramme zu Nutze. Diese analysieren Flächen bestimmter Gesichtsbereiche und vergleichen diese dann mit vorhandenen Datensätzen. Tauscht man nun die Merkmale der Flächen an bestimmten Stellen aus, indem man sie auf die Brillen druckt, kann das System das Gesicht nicht mehr erkennen. Druckt man die Merkmale der Flächen anderer Personen auf die Brillen, erkennt das System die anderen Personen. So gelang es den Forschern unter anderem, dass die Schauspielerin Reese Witherspoon mit der bunten Brille von der Gesichtserkennung als Schauspieler Russel Crowe identifiziert wurde.

Brille, mit der die Forscher eine Identifizierung durch die Gesichtserkennung verhinderten. Foto: Auschnitt aus der Studie.
Brille, mit der die Forscher eine Identifizierung durch die Gesichtserkennung verhinderten. Foto: Auschnitt aus der Studie.

Hohe Erfolgsquoten für ein paar Cent

Die Forscher probierten ihre Technik erst auf Fotos aus, auf denen sie den Personen die Brillen ins Gesicht montierten. In über 90 Prozent der Fälle hatten sie mit dieser Methode Erfolg, die Identitität zu verschleiern. Später druckten sie Brillen mit einem normalen Tintenstrahldrucker und klebten sie auf eine Brille – und hatten ähnliche Erfolgsquoten. Mit Perücke, Mützen und Schminke steigerten sie die Erfolgsquote der Identitätsverschleierung gar auf 100 Prozent. Bei den Impersonation-Attacken stellten die Forscher fest, dass Personen unterschiedlich schwierig „nachzuahmen“ sind. Während die Forscher sich gegenüber der Gesichtserkennungssoftware leicht als Schauspielerin Milla Jovovich ausgeben konnten, war dies beim ehemaligen US-Außenminister Colin Powell deutlich schwieriger.

Solche Brillen lassen sich für wenig Geld herstellen. Wenn das nicht mal ein Geschäftsmodell für neue Privacy Enhancing Tools ist. Die Anti-Gesichtserkennungsbrille in der de-Maizière-Edition für nur 2,99 Euro. Ein wahres Schmuckstück auf der nächsten Demo oder am Flughafen. Selten war Datenschutz so bunt und funky.

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30 Ergänzungen

    1. „…mit Papiertüte oder Aluhut…“
      Im Fall von Thomas de Maizière wäre das eine echte Verbesserung. Alternativ Narrenkappe und Schnuller, um noch mehr Wähler für die Unionsparteien anzulocken.

  1. Wann kommt die Crowdfundingaktion? Ich will auch eine deMaiziere-Brille. Und eine Oettinger-Brille.

  2. Gibt es eigentlich eine einfache Möglichkeit ein Foto seiner selbst nicht-biometrisch aber erkennbar zu machen? Sprich, ein Mensch erkennt mich wieder, aber ein Gesichtserkennungsprogramm nicht.
    Die Dienste haben hier glaube ich mal zu geforscht, um ihre eigenen Agenten zu schützen.

    1. Eine leichte trapezförmige Verzerrung genügt. Ausgedrückte Bilder sind ja erlaubt also Bild auf CD geben lassen, auf der einen Seite minimal quetschen, scheiden, ausdrucken. Der CCC hatte da mal ein Artikel.

      1. da die einwohnermeldeämter keine eigenen fotos machen, ist das selbst optimierte passbild immer noch best practice.

        .~.

      2. @Sok77 „Eine leichte trapezförmige Verzerrung genügt“
        Ich konnte dazu gerade nach ein wenig Suche nichts finden. Hast du Links oder weitere Stichworte dazu? Oder kannst du selbst was dazu schreiben oder genauer erklären, was du damit meinst?

        1. Das Bild ist idR ein Rechteck. Verzerre das zu einem Trapez und schneide es wieder in die Form eines Rechtecks.

          Das verzerrt den Abstand der Augen und Augenbrauen und ihre Position zur unteren Gesichtshaelfte.

    2. Dir ist aber klar, dass Du damit in einer biometrischen Ueberpruefung des Ausweises mit einem potentiell gefaelschten Dokument haengen bleibst? Sowas kann speziell mit einem Reisepass fuer sehr viel Spass sorgen…

  3. @mausi Ich denke da würden einfache Tricks der Gestaltungsgesetze ausreichen: Also Teil des Gesichts verdecken (speziell Augenbrauen, Augenwinkel, Mund; Nase) oder in Streifen schneiden und verschieben oder mit Streifen, Punkten, etc als Muster überdecken. Der Mensch wird sich das als überlagert richtig zu Ende denken, der Computer kapiert das derzeit noch nicht. Zumindest wenns ein neuronales Netz ist.
    Aber proof-save ist das jetzt nicht, nur so wie ich die Software kenne.

  4. Dem muss man natuerlich gegenueberstellen, dass letztens eine Untersuchung erstaunlich gute Wiedererkennung von verpixelten Photos via neuronalem Netz demonstriert hat.

    Der Angriff laeuft letztlich gegen das von der SW gelernte Erkennungsmuster. Eine SW, die explizit ohne Augenpartie gelernt hat, wuerde die Brille nicht stoeren. Es spricht nichts dagegen, diverse Erkennungsfilter parallel zu trainieren und zu nutzen, und die Ergebnisse dann zusammen auszuwerten. Das wird dann auch robuster bei teilweise verdeckten Gesichtern, unscharfen Bildern. anderen Frisuren, etc, pp.

    Race of arms.

    1. Also doch, wie Aluhuter schrieb … eine Uniforme Tüte übern Kopf!
      Dann kommen wieder die Tütenstyler und Individualisten … die sich darüber beschweren, das diese Welt nicht genügend Individualismus inne hätte!
      Dann gestaltet wieder jeder seine Tüte überm Kopf individuell, so das man mit der nackten Tüte aus der Bunten Menge heraus sticht!
      … diese Welt ist zu verwirrend … ich geh‘ mal wieder arbeiten!

  5. … im übrigen … mit etwas Latex und Schminke bekommt man das auch hin!
    … fällt nur nicht so auf, wie diese Brille!

    1. Habo mit Schminke in Latex – muss man gesehen haben. :}
      Aber mit diesem ideosynkratischen Schreibstil wird auch das wenig nützen.

      1. Tjooo … schon des öfteren jemacht!
        Das macht man so, wenn man etwas vor hat und nicht erkannt werden möchte!
        In Kombination mit einer Wendejacke ist das schon echt Geil, wenn die Verfolger an einem am Schaufenster nicht beachten …

      2. Da fällt mir noch etwas ein … die Ohren nicht vergessen, sie sind wie Fingerabdrücke … einzigartig!
        Also, wenn du dich mit Latex und Schminke veränderst, ändere deine Ohren auch gleich mit!
        OK, du machst eine Grundlage mit Latex über deine Wangen und Kinnpartie, mit unreiner Haut und einer Warze mit einem Haar …
        Die Warze mit Haar lenkt von deiner Augenfarbe ab … da gibbet auch Kontaktlinsen in passender Farbe und Dioptrien … dann die Augenpartie noch ein wenig abändern … ebenfalls eine dünne Schicht Latex drunter … warum?
        Nun, mit deiner Verkleidung gehst du auf’s Klo und entsorgst diese (Latex + Schminke) im Klo, dann wendest du die Jacke und verlässt das Klo …

      3. @situation room
        Ihre Rechtschreibung ist ebenfalls „idiosynkratisch.“ :-)
        Sorry für die Klugscheißerei.

  6. Über kurz oder lang wird dann einfach das Tragen von Brillen oder derartiger Brillen in öffentlichen Plätzen verboten, oder als Urkundenfälschung dargestellt, wie es ja bereits bei Anti-Blitzer-Folien auf Kennzeichen der Fall ist.

  7. Interessant, dass man die Gesichtserkennung auch durch solche Brillen verhindern kann. Ich habe vor Jahren ebenfalls mal von einem Kunstprojekt gehört, durch das T-Shirts entwickelt wurden, die die Erkennung verschleiern. Das hatte ebenfalls ein ähnliches Muster aufgedruckt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.