Forderungen gegen Zensur: Social-Media-Beweise „unverzichtbar“

Hochgeladene Videos bei Social-Media-Unternehmen sind für die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ nicht nur Beweise für polizeiliches Verhalten, sondern zugleich Zeitdokumente. Bürgerrechtler fordern, einer Unterbindung der Berichterstattung durch das Löschen von Videos oder von ganzen Accounts durch Mindeststandards entgegenzuwirken und so das Vertrauen in die Plattformen zu verbessern.

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Wir sollten sicherstellen, dass die Revolution übertragen wird. CC-BY-NC 2.0 doc(q)man

Im Blog der American Civil Liberties Union (ACLU) sind unter dem Titel „Making Sure the Revolution Gets Televised“ Forderungen gegen Zensur veröffentlicht worden, die sich an Social-Media-Plattformen richten. Nach immer mehr Schusswaffen-Vorfällen im Polizeizusammenhang, die in den Vereinigten Staaten gefilmt und unmittelbar hochgeladen wurden, setzen sich Lee Rowland und Dennis Parker von der Bürgerrechtsorganisation für verlässliche Standards ein, auf die alle Nutzer der Plattformen vertrauen können. Denn einige der Filme oder die Accounts selbst waren nach Polizeiintervention schnell (wieder) offline.

Dass polizeilicher Rassismus gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten eben keine Ausnahme oder Seltenheit ist, belegen und dokumentieren die Betroffenen und ihre Angehörigen mit den Live-Bildern. In einigen Bundesstaaten gibt es allerdings bereits Bestrebungen, sogar gesetzlich gegen das Filmen und Hochladen der Fotos und Videos von Polizeigewalt vorzugehen: Wegen Einmischung in Polizeiarbeit könnte das Veröffentlichen von Bildern, in denen Polizisten unbewaffnete Menschen mit dunkler Hautfarbe erschießen, künftig untersagt werden. Gegen solche Vorhaben und generell die Unterbindung der Berichterstattung wendet sich die ACLU schon länger, auch mit ihrer Mobile Justice App, mit der man mittels einer Aufzeichnen-Taste nicht nur ein Video aufnehmen, sondern zeitgleich an den ACLU-Server transferieren kann.

Rowland und Parker wollen nun mit ihren Forderungen sicherstellen, dass Firmen nicht einfach löschen, wie es ihnen gerade passt, sondern dass es dafür feste Regeln gibt.

Die „Black Lives Matter“-Bewegung online

Die vielen Fälle, in denen Dateien oder Live-Videos auf Facebook und Instagram hochgeladen werden, sind kaum mehr überschaubar. Aufmerksamkeit erregten aber Fälle wie die des deaktivierten Facebook-Accounts von Korryn Gaines, die von Polizisten erschossen wurde, oder das erschütternde Video von Feidin Santana, das die Tötung von Walter Scott durch die Polizei von Charleston zeigt. Beim Video der Tötung von Alton Sterling spielte Twitter eine wichtige Rolle, und im Falle des erschossenen Philando Castile dokumentierte ein Facebook-Live-Video von Lavis Reynolds das polizeiliche Vorgehen.

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Bild: CC-BY-NC-ND 2.0, Artondra Hall

Rowland und Parker schreiben dazu:

Adjectives cannot capture the horror of these videos or the sickening feeling that results from witnessing the routine killing of Black people by agents of the state. But in addition to being nauseating, tragic, appalling, and graphic, they are something else: indispensable.

(Worte können den Horror dieser Videos nicht beschreiben oder das widerwärtige Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich das routinehafte Töten von Schwarzen durch Mitarbeiter des Staates vor Augen führt. Aber die Videos sind nicht nur tragisch, widerlich, entsetzlich und drastisch, sie sind vor allem eines: unverzichtbar.)

Denn die hochgeladenen Videos bei den Social-Media-Unternehmen sind auch Beweise und daher für die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ von enormer Wichtigkeit. Ähnliches gilt für Live-Tweets, Live-Feeds, Periscope-Livestreams oder Youtube – als Teil der öffentlichen Diskussionen.

Transparenz und Konsistenz

„Black Lives Matter“-Aktivisten setzen sich gegen Rassismus und für eine Rechenschaftspflicht der Polizei ein. Wenn aber beispielsweise Facebook Forderungen von Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdiensten zur Account-Löschung nachgibt oder wenn das Unternehmen von sich aus tätig wird und Inhalte sperrt, ist das Verhalten von Polizisten kaum mehr zu belegen. Dem wollen Rowland und Parker mit drei Mindestanforderungen begegnen:

Transparency. Companies must be very clear about what content they either turn over or take down at the request of law enforcement.

(Transparenz: Unternehmen müssen offenlegen, welche Inhalte sie aufgrund von Anfragen von Strafverfolgungsbehörden entweder übergeben oder löschen.

Die ACLU-Autoren verweisen hier auf Lauren Weinstein, der geschrieben hatte, dass Benutzer eine detaillierte Politik verlangen sollten, die sie richtig informiert, ob und wann ihre Meinung zum Schweigen gebracht, versteckt oder geteilt wird.

Consistency. Broad company policies that permit interpretation and ad hoc application mean that censorship decisions are political. If social media companies are more likely to grant content takedown requests from law enforcement, that becomes a statement of position in the police accountability debate.

(Konsistenz. Eine umfassende Geschäftspolitik, die Interpretationen und ad-hoc-Anwendungen verbietet, bedeutet, dass Zensurentscheidungen politisch sind. Wenn Social-Media-Unternehmen tendenziell eher Abschaltungswünschen von Strafverfolgungsbehörden nachgeben, dann kann man das als Positionsbeziehung in der Debatte um die Rechenschaftspflicht von Polizisten interpretieren.)

Die dritte Forderung läuft auf die Möglichkeit des Rechtsweges hinaus. Man sollte dabei im Hinterkopf haben, dass die ACLU aus US-Perspektive schreibt und sich im Grunde an Konzerne auf amerikanischem Boden richtet.

Due process. You should have a right to know why your speech was censored – and to press an appeal if you think it’s wrong.

(Ordnungsgemäßes rechtliches Verfahren. Du solltest das Recht haben zu wissen, warum Deine Meinung zensiert wurde, – und das Recht dagegen vorzugehen, wenn Du denkst, dass die Entscheidung falsch war.

itsgoodfor.biz
ACLU-Initiative Privacy and Free Speech.

Die ACLU stellte auch eine Anleitung für Social-Media-Unternehmen ins Netz. Neben mehreren Fallbeispielen werden hier genaue Handlungsanweisungen angeboten. Die Plattformen sollen durch die Umsetzung dieser Maßnahmen attraktiver für bestehende und potentielle Nutzer werden. In der Anleitung finden sich auch Hilfestellungen zum Moderieren von Online-Kommentaren.

Es geht den ACLU-Autoren in ihrem Beitrag in erster Linie um das Recht auf freie Meinungsäußerung, Fragen der Zensur und der Verlässlichkeit der Angebote der Plattformen. Man sollte aber gleichzeitig beachten, dass die „Black Lives Matter“-Aktivisten zwar Vorfälle dokumentieren und Social Media in Echtzeit nutzen, aber dadurch auch staatlicherseits überwacht werden können.

Das Bild oben zeigt die Einnahme des Louvre in Paris am 29. Juli 1830: „Massacre des Gardes Suisses“ von Jean Louis Bezard, 1833. Außerdem hier die kulturelle Referenz zum englischen Blog-Titel „Making Sure the Revolution Gets Televised“.

Dank an Sven für die Hilfe bei der Übersetzung ins Deutsche.

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3 Ergänzungen

  1. Der Abschnitt „Companies must be very clear about what content they either turn over or take down at the request of law enforcement.“ ist meiner Meinung nach nicht ganz korrekt übersetzt; das „either turn over or“ ist missverstanden worden oder untergegangen. Verbesserungsvorschlag: „Unternehmen müssen offenlegen, welche Inhalte sie aufgrund von Anfragen von Strafverfolgungsbehörden entweder übergeben oder löschen.“

  2. Ihr wisst schon dass diese Bewegung „Black lives Matter“ nichts als eine rassistische grass-roots Bewegung ist, die nichts taugt.
    Und ausserdem sind das alles nur aufmerksamkeits-wilde Terroristen!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.