Europäischer Gerichtshof kippt die Störerhaftung – aber auch die Hoffnung auf mehr offene WLANs

Die Störerhaftung ist gekippt. Das stellte der Europäische Gerichtshof heute in Luxemburg fest. Zu mehr offenen WLANs führt das nicht. Weil der Unterlassungsanspruch und die Abmahnindustrie das verhindern werden.

Auf echte Rechtssicherheit für freies WLAN wartet Deutschland noch. Foto: CC BY 2.0 Ingo Dachwitz

Der Europäische Gerichtshof hat heute die Entscheidung im Fall Tobias McFadden vs. Sony Music Entertainment Germany verkündet. Darin erklärt er, dass Betreiber eines offenen WLANs nicht dafür haften, was andere machen. Aber Betreiber könnten auch durch eine Unterlassungserklärung dazu gebracht werden, ihr WLAN durch ein Passwort zu verschließen, um einen Wiederholungsfall zu vermeiden.

Einen Tag nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner State of the European Union mehr offene WLANs versprochen hat, kommt jetzt der Dämpfer. Dank der Abmahnindustrie und ihrem weiter bestehenden Unterlassungsanspruch dürfte von diesen Plänen nicht soviel übrig bleiben, wie man sich das wünscht. Es besteht die Sorge, dass diese weiterhin ihre massenhaft automatisierten Abmahnungen verschicken und dafür sorgen, dass sich kein Empfänger einer Abmahnung mehr traut, sein WLAN weiterhin zu öffnen. Das zementiert eher den Status Quo – vor allem in Deutschland, wo die Abmahnindustrie sehr groß und die Verbreitung offener WLANs sehr niedrig ist.

Positiv ist aber, dass die erste Abmahnung bei offenen WLANs kostenlos ist. Und dass keine Überwachungsmaßnahmen installiert werden müssen, um solche Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden, bzw. keine Internetzugänge deswegen abgeschaltet werden dürfen.

Aus der Pressemitteilung: Ein Geschäftsinhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich:

Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird nämlich durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst. 2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt. 3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert. In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass ein Anbieter, der der Öffentlichkeit unentgeltlich ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf die Waren oder Dienstleistungen eines Geschäfts zu lenken, damit einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie erbringt. Der Gerichtshof bestätigt weiter, dass dann, wenn die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind, keine Haftung eines Anbieters bestehen kann, der wie Herr Mc Fadden Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt. Daher hat der Urheberrechtsinhaber gegen diesen Anbieter keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil Dritte das WiFi-Netz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben. Da ein solcher Schadensersatzanspruch nicht besteht, kann der Urheberrechtsinhaber auch keine Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahn- oder Gerichtskosten verlangen.

Hingegen läuft es der Richtlinie nicht zuwider, dass der Urheberrechtsinhaber bei einer innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht eine Anordnung beantragt, mit der dem Anbieter aufgegeben wird, jeder Urheberrechtsverletzung durch seine Kunden ein Ende zu setzen oder solchen Rechtsverletzungen vorzubeugen.

Update: Wir haben das Urteil und seine möglichen Folgen analysiert: EuGH-Urteil zu offenen Netzen: Hintertür für Abmahnindustrie bleibt offen.

Der Hintergrund:

Das Verfahren kam durch Tobias McFadden zustande, der Inhaber eines Geschäfts für Licht- und Tontechnik und Freifunker ist sowie für die Piratenpartei im Gemeinderat der oberbayerischen Gemeinde Gauting sitzt. Weil aus dem offenen WLAN, das er in seinem Geschäft betreibt, im September 2010 ein urheberrechtlich geschütztes Musikstück zum Download angeboten wurde, ließ Rechteinhaber Sony ihm eine Abmahnung zukommen. Kostenpunkt: 800 Euro. McFadden erklärte, er habe das Musikstück nicht selber angeboten, könne aber auch nicht ausschließen, dass jemand den von ihm angebotenen Netzzugang dazu genutzt hat. Der Freifunker hat sein WLAN aus Überzeugung nicht durch ein Passwort geschützt, sondern wollte der Öffentlichkeit Zugang zum Internet ermöglichen. Gegen die Abmahnung wehrte er sich mit einer negativen Feststellungsklage, doch Sony ließ nicht locker und verklagte den WLAN-Betreiber auf Unterlassung und Schadenersatz. So wurde der Fall, der exemplarisch für viele andere Verfahren in Deutschland steht, zum Politikum.

Weil das zuständige Landgericht München I grundsätzlichen Klärungsbedarf in Hinblick auf Widersprüche zwischen der deutschen und der europäischen Rechtslage beim Thema sah, wandte es sich mit einigen Fragen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

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27 Ergänzungen

  1. Niemand mit Verstand wird nun seinen Router öffnen , um darauf zu warten eine Unterlassungsanordnung unterschreiben zu dürfen… wie lern resistent sind die eigentlich ?

    1. Nö, man kann ja Internet-Zugriffe auf den öffentlichen Wlan AP auch via Tor routen. Linux / Openwrt machens möglich. Die Abmahnung könnte dann höchstens von Geheimdiensten kommen. :)

  2. ich lese es wie folgt: Du kannst Dein WLAN öffnen, sobald was passiert, kriegst du eine vor den Latz, Passwort rein. Gut is. Wenn wieder was passiert, also trotz Passwort, bin ich dann safe??? Oder muss ich wieder Passwort ändern, usw. Kommt mir aber schon etwas „komisch“ vor. hmmmm.
    Ich bin der Meinung man ist ziemlich safe, wenn man z.B. über die FritzBox ausschließlich Mailen und Surfen erlaubt und alle anderen Ports vernagelt.

    1. Wenn ich meinem Torrent-Client sage „Nutze Port 80“, dann macht der das. Jedenfalls afaik. Correct me if im wrong.

  3. Ich empfehle „Guest“ oder „anonymous“ als Benutzername und Passwort, dann ist dem Gesetz pro forma Genüge getan. Es steht ja nirgends, dass ein Passwort nicht öffentlich sein muss.

  4. Freifunk ist eine Lösung.
    Eine andere wäre ein Router mit alternativer Firmware (ddwrt/openwrt), der von sich aus eine Verbindung zu einem VPN-Anbieter aufbauen kann.
    Hauptsache, die Abmahner können die wahre IP nicht ermitteln.

  5. Pyrrhus grüßt freundlich alle Netzidealisten.
    Sicherlich wird Ötti da demnächst zur weiteren Rettung reiten.

  6. Entschuldigung im Voraus für den etwas unsachlichen Betrag.

    Ich würde nun gerne alle ÖPNV Betreiber dazu verpflichten die Türen von Fahrzeugen mit einem Zugangscode zu versehen. Da täglich Straftaten in Bussen und Bahnen stattfinden, sollte dies vor dem EuGH doch problemlos durchgehen.

    1. Nein, Jonas … wir benötigen den Subkutanen Personalausweis!
      Wenn du eine „Fahrkarte“ löst, wird deine Perso ID im System des ÖPNV abgelegt, mit der von dir bezahlten Route … wenn du in das Beförderungsmittel einsteigst, so registriert dich das System und kann dich warnen, solltest du in das falsche Beförderungsmittel einsteigen!
      Also, kannst du nicht mehr in den „falschen Zug“ einsteigen, weil dieser dich sofort über deinen Fehler informiert und … dir dann auch erklärt, das du in einen anderen Zug einzusteigen hast!
      Das System kann dann den/die Zugbegleiterin darüber informieren, das du noch kommst, falls die Zeit knapp wird!

      Also, Jonas, was sträubst du dich gegen den Fortschritt und der Bequemlichkeit, die er dir bietet?
      Du musst doch verrückt sein, nicht?

      (Sarkasmus und Ironie sind voll beabsichtigt!)

      1. … selbstverständlich, könnte man ein ähnliches System auch für den freien Zugang zum Internet verwenden … dann wäre der Nachweis gegeben, wer das die Dokumente veröffentlicht hat, die den europäischen Bürger verunsichern und ihn evtl. gegen seine Vertreter aufbringen, weil er sich, unsinnigerweise, nicht vertreten sondern übers Ohr gehauen fühlt!

        Dem Bürger die Angst vor dem Darknet nehmen … wer keinen Internetführerschein gemacht hat, der darf auch nicht auf die Datenautobahn!

  7. Ich würde mal sagen fast alles so wie vorher!
    Der kleine unterschied ist nun das man erst bei der zweiten Unterlassungsanordnung Zahlt.
    Nun werden es kurzfristig viel offene Wlan´s geben, die dann nach und nach wider Verschwinden.
    Tip an die Abmahnanwälte einfach 2 Unterlassungserklärungen versenden.
    Die erste ist dann noch Kostenlos bei der zweiten muss dann Gezahlt werden.
    Hallo Frau Merkel, warum Verarschen sie so das Deutsche Volk.
    Wieder 1% mehr für die AFD.

    1. Hallo Frau Merkel, warum Verarschen sie so das Deutsche Volk.
      Wieder 1% mehr für die AFD.

      Wir haben bisher nicht mitbekommen, dass die AFD irgendwas zur Problemlösung beigetragen hat. Für einen Wandel in dieser Sache setzen sich nur Parteien links von der CDU ein.

      1. Da gebe ich dir Recht.
        Das wissen aber die AFD Wähler nicht!!!
        Die CDU hat aber auch nicht zur Besserung beigetragen.
        Sonnst wäre die Störerhaftung doch vom Tisch oder?

        1. Die AFD Wähler haben schlicht Angst „Die Linke“ zu wählen!
          Warum?
          Nun, weil sie Glauben, das „Die Linke“ eine Überwachungsstaat errichten, „Die Mauer“ wieder hochziehen und den Sozialismus in Deutschland wieder einführen wollen!

          Realität

          … Befürworter des Überwachungsstaates: Grüne (Baden Württemberg, Kretschmann), Union&SPD, AFD

          … und wählen tun diese Ängstlichen? Ganz klar, die Befürworter der Überwachung!
          Die Logik dahinter entzieht sich mir etwas … aber naja, ich habe eine etwas andere Informationsgrundlage, wie mir scheint!
          „Die Linke“ kann nicht einfach die Mauer hoch ziehen, Deutschland ist Mitglied der EU, ist gültige Verträge eingegangen, die man nicht so einfach kündigen kann … auch das Ding mit dem Sozialismus, ist schlicht nicht durchsetzbar!
          … allerdings, kann man die Steuergeschenke in Soziale Projekte stecken, wie z.B. Schulen, Bildung … Hartz IV Kinder … aber das werden die Unionsparteien wie die SPD/CD/SU/Grüne nicht machen, denn die Steuergeschenke sollen die bekommen, die diese Geschenke auch absetzen können!
          … also die Wohlhabenden, nicht die bedürftigen … letztere sollten mal Arbeiten gehen, 100000€ im Jahr verdienen, dann können sie so richtig Profitieren von den Steuergeschenken von SPD/Union/Grüne!
          Steuern … die insbesondere die Geringverdiener eingezahlt haben … Kleinvieh macht auch Mist, heißt es da doch, nicht?
          Viele kleine Steuerzahler machen viele Steuergeschenke für Großverdiener möglich!

          Menno, bin ich mal wieder polemisch!

          1. Hmmm … „Nun, weil sie Glauben, das „Die Linke“ eine Überwachungsstaat errichten, „Die Mauer“ wieder hochziehen und den Sozialismus in Deutschland wieder einführen wollen!“ klingt nicht soooo gut wie „Nun, weil sie GESAGT bekommen, das „Die Linke“ eine Überwachungsstaat errichten, „Die Mauer“ wieder hochziehen und den Sozialismus in Deutschland wieder einführen wollen!“

    2. @Hansen … mit den temporär offenen WLANs, kann man wiederum eine Standortbestimmung der Terrorzellen vornehmen!
      Das diese Standorte dann geschlossen werden müssen, liegt doch auf der Hand, nicht?
      … die Terrorzellen müssen sich dann neue offene WLANs suchen!
      … durch diese Nachhaltigkeit, kann man Bewegungsprofile der Terrorzellen erstellen und somit ihr Operationsgebiet exakt eingrenzen!
      Im Kampf gegen den Terror und für unsere innere Sicherheit!

      GEZ. Mielke

        1. Haja … ich bin ein Visionär und Blicke in die Zukunft!
          … könnte eine hübsche Begründung unserer Unionspolitiker (Union aus CD/SU&SPD&Grüne) für die Umsetzung des EUGH Urteils sein, nicht?

        2. Echt jetzt, Dann solltest Du leiber nicht NP Artikel nach Kommentaren durchstöbern. Was da an Rußland – AFD – Aluhüten-Sektieren etc. etc. unterwegs ist, führt bei Dir womöglich zum gänzlichen Spachverlust. Ein Tipp, die ungewollte Humorseite von habos und co zu schätzen lernen.

    3. Das Wort „Volk“ wird momentan so ziemlich überbewertet und so gnadenlos überstrapaziert.
      Oftmals ist es das Lieblingswort von Rassisten,Hetzern,geistig Zurückgebliebenen und reaktionären Dumpfbacken.
      Es kann sich jeder den Schuh anziehen,falls es ihm passt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.