EU-Parlament beschließt erweiterte Europol-Befugnisse und Meldestelle für Internetinhalte

Die europäische Polizeiagentur soll nun besser auf grenzüberschreitende Kriminalität und Terror reagieren können. Kritiker warnen jedoch vor einer „Blackbox Europol“.

Der Europol-Chef Rob Wainwright kann sich über neue Befugnisse seiner Behörde freuen. CC BY-SA 2.0, via Wikipedia/Heinz Tesarek

Das EU-Parlament hat gestern einen überarbeiteten Verordnungstext abgesegnet, der die Befugnisse der EU-Polizeiagentur Europol erweitert. Mit den neuen Regeln zielt die EU auf die Bekämpfung von Internet-Kriminalität, grenzüberschreitenden Verbrechen und Terrorismus ab. So wird es für Europol künftig einfacher, spezialisierte Einheiten einzurichten, um – so die Argumentation – schneller auf neue Bedrohungen reagieren zu können. Zudem soll der Informationsaustausch verbessert werden, indem etwa nationale Polizeistellen entsprechende Informationen „unverzüglich“ an Europol übermitteln müssen.

Mit einiger Verspätung schafft die Verordnung nun auch eine ordentliche Rechtsgrundlage für das bereits im Januar gestartete „Europäische Zentrum für Terrorismusbekämpfung“ (ECTC) sowie die untergeordnete „Meldestelle für Internetinhalte“ (EU-IRU). Die umstrittene Meldestelle darf künftig Informationen wie öffentlich zugängliche personenbezogene Daten mit privaten Unternehmen austauschen, etwa mit Google, Facebook oder Twitter, um beispielsweise gegen Propaganda des „Islamischen Staates“ vorgehen zu können, wie das Parlament ausführt.

„Freiwilliges Löschen“

Zwar soll das etwaige Löschen beanstandeter Inhalte auf freiwilliger Basis erfolgen, allerdings wurde bisher einem solchen Wunsch nahezu immer Folge geleistet. So haben die EU-IRU-Beamten seit Juli vergangenen Jahres 4.700 Inhalte unter die Lupe genommen und 3.200 Mal eine Entfernung gefordert. Dem Auftrag sind die 45 verschiedenen Anbieter auch tatsächlich in über 3.000 Fällen nachgekommen, ohne dass eine gerichtliche Anordnung vorgelegen wäre.

Zudem hat die Behörde bereits nach kurzer Zeit ihren Auftrag ausgeweitet und nicht bloß nach „islamischem Terrorismus“ im Internet gefahndet, sondern auch Facebook-Gruppen von Fluchthelfern ins Visier genommen. Das könnte in weiterer Folge zu noch gefährlicheren Fluchtrouten führen, die jetzt schon unnötige Todesopfer fordern, schreibt Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Blackbox statt mehr Kontrolle?

Parallel zu den neuen Befugnissen haben die Parlamentarier dem Rat erweiterte Kontrollrechte abgerungen. So überwacht künftig ein parlamentarischer Kontrollausschuss sowie der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) die Arbeit von Europol. Betroffene Bürger haben neuerdings die Möglichkeit, ein „Beschwerdeverfahren gemäß EU-Rechtsvorschriften“ anzustrengen.

Laut Hunko stünden die Kontrollrechte jedoch in in keinem Verhältnis zu den aufgestockten Europol-Befugnissen, insbesondere, wenn es zu Verknüpfungen des angesammelten Datenmaterials kommt. Zu den Spitzenreitern bei der Lieferung und Abfrage von Daten bei Europol gehören übrigens deutsche Polizeistellen, was zusätzliche Probleme aufwerfen könne, so der Bundestagsabgeordnete weiter:

Seit Jahren kritisiert die Linkspartei den Ausbau polizeilicher Informationssysteme und warnt vor einem „Data Mining“, wenn die verschiedenen Datensammlungen bei Europol miteinander in Beziehung gesetzt werden. Möglicherweise umgeht das Bundesinnenministerium auf diese Weise die deutschen Bestimmungen zum Datenschutz, denn die gleichzeitige Suche in mehreren Datensätzen ist vom Bundesverfassungsgericht an hohe Auflagen geknüpft.

Seine Parteikollegin im EU-Parlament, Cornelia Ernst, übte ebenfalls heftige Kritik an der neuen Verordnung. Europol werde ermächtigt, das Internet in „legale und illegale Inhalte“ aufzuteilen; eine Aufgabe, die besser bei Gerichten als bei Polizeibehörden aufgehoben wäre. Auch die neuen Kontrollrechte seien mehr Augenwischerei als eine effektive Aufsicht. Europol bleibe weiterhin eine Blackbox, bei der niemand so genau wisse, was darin passiere, so Ernst. „Dabei sind für das Europaparlament und die nationalen Parlamente weder Aktenzugang noch irgendwelche Entscheidungskräfte abgefallen. So wird es über Europol keine brauchbare parlamentarische Kontrolle geben.“

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2 Ergänzungen

  1. Europol wurde mit umfangreicher Immunität und ohne wirkliche Kontrollmechanismen gegründet. In einem Rechtstaat in dem sich die Gewalten gegenseitig konrollieren, ist dies ein Unding. Begründet wurde diese Missgeburt damit, dass Europol ja noch keine wirklichen Befugnisse habe und wer nichts machen darf, kann dabei auch nichts falschmachen. Nun werden Befugnisse geschaffen und ausser einer Placebokontrolle, die eines Rechtstaats nicht würdig ist, springt nichts dabei heraus.

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