EU-Konsultation „Next Generation Internet“: Wie soll das Internet 2025 aussehen und welche Forschung braucht es dafür?

net_futures-300x300„Europa ist Nachzügler im Digitalen.“ So beginnt die Problembeschreibung der Konsultation. Die Europäischer Kommission möchte daher ihre Vision von der Zukunft des Internet erneuern. Dazu führt die Direktion Netzzukunft unter Günther Oettingers Generaldirektion Connect eine Konsultation durch, die noch bis zum 10. April 2016 offen ist. Eine Chance für die Netzgemeinde dazu beizutragen, dass 750 Millionen Euro Forschungsförderung das offene Internet stärken.

Dies ist ein Gastbeitrag von Volker Grassmuck.

Mit dem Internet steht es nach Einschätzung der EU-Direktion nicht zum Besten. Trotz der Offenheit der Internet-Protokolle und anderer Standards würden Schlüsselelemente des Internet heute von kommerziellen, proprietären Lösungen dominiert, die als Gatekeeper wirken und – so kann man zwischen den Zeilen lesen – überwiegend in den USA beheimatet sind. Ein starker Netzwerkeffekt verhindere zudem die Verbreitung von alternativen Lösungen.

Die EU-Direktion sieht die einzig nachhaltige Antwort auf die Lage in technologischer Forschung und Entwicklung. Sie verweist auf relevante Initiativen im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms Horizon 2020. Die seien jedoch meist von Industrieakteuren getrieben und richteten sich auf naheliegende Themen wie e-Health, Big Data oder das Internet of Things. Demgegenüber wendet sich die aktuelle Befragung vor allem an die wissenschaftliche und Unternehmer-Community. Der Schlüssel zum Erfolg sei es, Innovationsräume offen zu halten und die „distruptivsten Ideen“ zuzulassen. Ziel sind…

„Research & Innovation activities that should be done at EU level to define a “Next Generation Internet” (working title), with a time horizon of a decade from now. Experts are invited to look at expected functionalities and building blocks of the Internet of 2025 and and at the conditions to make them open.“ (Konsultation Next Generation Internet)

Drei Fragen stellt die EU-Kommission. Die Antworten können im Webformular eingetragen oder als maximal 2-seitiges Dokument hochgeladen werden:

1. Einschätzung des gegenwärtigen Status‘ und Einflusses des Internet aus europäischer Perspektive
Hier geht es um die Bedeutung von Netzneutralität, Standardisierung, Breitbandzugang, Europäischen Forschungsnetzen, um Trends in der Internetnutzung und ihren Einflüssen auf Infrastruktur und Geschäftsmodelle.

2. Einschätzung des Inernet 2025

Hier geht es um Infrastrukturen, Bausteine und Funktionalitäten, um den offenen, allgemeinen Zugang zu Information und seinen technologischen Barrieren, um Anwendungen und die Frage, wie sie zu globalen Akteuren skaliert werden können, und schließlich um eine Einbeziehung der Nutzerinnen bei der Entwicklung des Internet der nächsten Generation.

3. Worauf sollen sich die EU-Forschungsaktivitäten in den kommenden 5-10 Jahren konzentrieren?

Es geht um die Vergabe von Forschungsförderungsmittel in Höhe von mindestens 750 Millionen Euro. Und da die Kommission auf eine solche Konsultation üblicherweise 50-100 Antworten erhält, die meisten von den üblichen Verdächtigen, rechnet Michiel Leenaars, Strategiedirektor der Stiftung NLnet, vor, dass jede Eingabe über die Verwendung von etwa 10 Millionen Euro entscheidet (How would you spend 10 million for the future of the internet?).

Solche Anstrengungen sind dringend erforderlich, denn, wie uns Leenaars erinnert: Das Internet ist kaputt. Nach den Snowden-Enthüllungen sieht die IETF das Internet unter ständigen umfassenden Überwachungsangriffen, für die infrastrukturelle Lösungen gefunden werden müssen. Auch für das EU-Parlament ist seither zu wenig geschehen, wie es in einer Resolution an die Kommission im Oktober 2015 deutlich machte.

Argumente für die Befragung der EU-Kommission finden sich in der IETF-Debatte nach Snowden, bei Leenaars, der z.B. vorschlägt, von den in der EU üblichen ineffektiven großen Konsortien zu niedrigschwelligerer und kleinteiligerer Förderung für unabhängige Forscherinnen zu wechseln, und natürlich bei netzpolitik.org. Wer nicht will, dass das Internet 2025 so aussieht wie das von 1995 hat noch zwei Tage die Chance, ihren und seinen Vorstellungen Gehör zu verschaffen.

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11 Ergänzungen

  1. Das was das Internet auch kaputt macht, ist meiner Meinung nach vor allem ein viel zu starkes Urheberrecht. Und das kann man nicht mit Geld reparieren.

  2. Außerdem brauchen wir endlich eine europäische Alternative zu Yandex und Baidu und … äh, wie hieß nochmal die Suchmaschine der Amerikaner?

  3. Ich denke es wird eher wie ein schneller Teletext. Wenn die Zensoren so weiter machen.
    Man hat drei Bereiche, die als Internetstartseite angezeigt werden. Also Shopping (Amazon) Music (Sony) und Porno

  4. Jetzt kommen die Chatbots, langsam wirds unübersichtlich, auf der Enterprise weiß man ja wenigstens noch, dass man mit einem Computer spricht, das müssen wir jetzt erst mal die nächsten 10 Jahre erforschen.

    1. Big Bang Theorie, … als Rajesh plötzlich mit Blumen vor „Siri“ stand und keinen Ton heraus bekam …

  5. Hm, das Problem Internet löst sich von selbst: Es wird keinen Nachwuchs geben, der noch programmieren kann, es wird nur noch jeder sein Handy in der Hand haben und konsumieren.
    Lösen können das die heutigen Eltern der Generation Chaos Computer Club nur, wenn sie rigoros die Netze für Kinder abschalten und die Kinder ihre eigenen Netze programmieren müssen. Natürlich begleitet an den Schulen durch die chaotischen Eltern der Generation Chaos Computer Club.
    Sonst brauchen wir gar nicht weiter über das Internet diskutieren. Diese Spielekonsole wird von ausländischen Programmierern bedient werden und unsere Kinder werden nur Konsumenten sein.
    Lieben Gruß SUSI

  6. Das Internet 2025 wird mit Sicherheit nicht wie das 1995. Das war nämlich – abgesehen von den Bauernfängern Compuserve und AOL (heute Google und Facebook) noch frei, unüberwacht (Internet, das ist doch dieses Computerdings, hä?) und hatte sinnvolle Inhalte zu bieten. Flash und Javascript gab es noch nicht so wirklich, also mussten Websitebetreiber mit Inhalten auftrumpfen. Zugegeben, es war hässlich, aber ein gutes Buch ist auch schlicht gestaltet, und dann wäre es vielleicht nicht so verlockend, dass jeder zweite beim Autofahren/Spazieren nur auf sein zugemülltes Smartphone starren kann.

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