EU-Kommission: „Android bremst Innovationen“

(Foto: etnyk via flickr / CC BY-NC-ND 2.0)

Die EU-Kommission wirft Google vor, seine marktbeherrschende Stellung bei mobilen Betriebssystemen auszunutzen und damit seine Dominanz bei der Internetsuche auszubauen. Der Konzern lege Android-nutzenden Herstellern und Mobilfunknetzbetreibern unzulässige Beschränkungen auf und verstoße so gegen das EU-Kartellrecht.

In einer Mitteilung hat die EU-Kommission Google über die Vorwürfe informiert und so den ersten Schritt für ein rechtliches Verfahren eingeleitet, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht. Die Anschuldigungen könnten milliardenschwere Konsequenzen nach sich ziehen. Der US-Internetkonzern widersprach diesen Anschuldigungen in einer Stellungnahme. Niemand werde gezwungen, Google-Anwendungen auf Android zu nutzen.

Google in Europa: Marktanteile von 90 Prozent

Das Android-Betriebssystem ist derzeit auf circa achtzig Prozent aller mobilen Geräte installiert. Auf den Märkten für Suchmaschinen, lizenzpflichtigen Betriebssystemen für Mobilgeräte und App-Stores für Android verfügt Google laut EU-Kommission einen Anteil von neunzig Prozent im europäischen Wirtschaftsraum.

„Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, die den Handel beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder einschränken kann“, ist gemäß Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verboten.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte zum anstehenden Verfahren:

Unsere bisherigen Ermittlungen lassen darauf schließen, dass Google durch sein Verhalten den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält, Innovationen anderer Unternehmen bremst und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt.

Seit 2010 läuft bereits ein Verfahren gegen Google wegen der Platzierung von Werbung. Die EU-Kommission wirft dem US-Konzern vor, eigene Angebote in seiner Suchmaschine zu bevorzugen.

Trotz Open-Source – kaum Entwicklung alternativer Versionen möglich

Einer der zentralen Vorwürfe der EU-Kommission ist der Ausbau der marktbeherrschenden Stellung bei der Internetsuche. Das IT-Unternehmen versperre Konkurrenten den Marktzugang, da die Google-Suche bei den meisten Geräten vorinstalliert sei.

Hersteller von Smartphones und Tablets werden mehr oder weniger gezwungen, ein Paket mit elf Google-Apps vorzuinstallieren. Dieses enthält auch den App-Store, welcher den Zugang zu sämtlichen weiteren Anwendungen ermöglicht und nicht solo verfügbar ist. Der Zugang zum App-Store ist für die meisten Kunden elementares Kriterium bei der Kaufentscheidung, weshalb Hersteller praktisch zur Vorinstallation sämtlicher Google-Dienste verpflichtet sind.

Wollen Gerätehersteller, die Android nutzen, auf Google-Dienste zugreifen, müssen sie zudem eine „Anti-Fragmentierungs-Vereinbarung“ unterschreiben. Obwohl Android Open-Source ist, wird ihnen so die Entwicklung alternativer Versionen untersagt.

„Android fördert Wettbewerb und ist gut für Verbaucher“

In einer Stellungnahme kontert der Konzern die Vorwürfe. Man zwinge keinen Hersteller Dienste und Anwendungen von Google anzubieten. Außerdem hätten Hersteller die Möglichkeit, auch andere Anwendungen vorzuinstallieren, die nicht durch Google entwickelt wurden. Der Chef-Justiziar von Google, Kent Walk, argumentierte, das Android-Betriebssystem habe die Entwicklung eines breiten und innovativen Wirtschaftszweigs ermöglicht.

Die Weiterentwicklung von Android sei außerdem sehr kostspielig, weshalb man darauf angewiesen sei, Geld durch die verschiedenen Angebote wie die Google-Suche einzunehmen. Die Zusammenarbeit mit der EU-Kommission führe man gerne fort, betonte Walk, „um deutlich zu machen, dass Android den Wettbewerb fördert und gut für Verbraucher ist.“

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6 Ergänzungen

  1. Wurde aber Zeit. Schade, dass so viele User auf Google anspringen, teilweise sogar Leute vom Fach. Gestern lief eine Doku über Google auf ZDF-Info, die gut recherchiet war. Erst als da so ein Android-Jünger behauptete, er wüsse dass Google Zugriff auf sein Leben habe, aber der Kosten-Nutzen-Faktor lohne sich für ihn, rollten sich mir die Fußnägel hoch: Es ist ja nicht so, dass man bei einem Google-Verzicht nicht trotzdem gleichartige Dienste ohne diese Nachteile nutzen könnte. Es wurde sogar Startpage vorgestellt.

    1. Startpage ist da aber ein ganz schlechtes Beispiel. Startpage liefert „nur“ Google Ergebnisse und ist damit faktisch von Google abhängig. Im Klartext: Ohne Google kein Startpage. Da kann man kaum von einem Google-Verzicht reden.

  2. Sicher, wir brauchen bei Android unbedingt eine eine Situation wie bei Linux. 256 Androidvarianten und 1% Marktanteil, dann können alle wieder ruhig Windows und iPhones verwenden.
    Hätte viele Vorteile und man könnte auch flächendeckend Cinavia auf jedem Mediaplayer etablieren etc. wenn man als Verhandlungspartner diverse Firmen mit 10 Millionen Jahresumsatz hätte und nicht Google. Die lassen sich nämlich schnell überreden, wenn man ihnen in Aussicht stellt, dass sie keine Zahlungen mehr über Paypal und Kreditkarten empfangen können wie SlySoft z. B. Ein Traum, Applaus!
    Und wenn wir Lobbyisten des großen Internets loswerden (wie Google), können wir das Internet auch viel leichter in besser verwaltbare, kleinere Stückchen aufteilen. Das wäre auch eine gute Sache.

    1. Na darum geht es ja nicht. Google verbietet ja in Verträgen mit den Herstellern den Verkauf von Smartphones mit nicht-Android-Betriebssystemen. Aus diesem Grund hatten Projekte wie das Fairphone oder das CyanogenMod-Handy oder auch Firephone echte Probleme Hersteller zu finden.

      Google hat ja nach und nach alle AndroidApps einschlafen lassen und durch GoogleApps ersetzt:

      Browser –> Chrome
      E-Mail –> Gmail
      Suche –> GoogleNow
      Galerie –> GoogleFotos
      AndroidDienste –> PlayDienste

      Vor allem das letzte ist ein großes Problem, weil heutzutage fast alle Apps auf ebendiese PlayDienste zugreifen. Weigert sich also ein Hersteller auch nur eine einzige App nicht vorzuinstallieren, können die Nutzer so gut wie kaum eine App nutzen.

  3. Ganz interessant wäre mal ein Artikel über andere Betriebssysteme. Custom ROMs sind soviel ich weiß meistens nur Modifikationen von Android. Was macht Mozilla? Ubuntu? Kommt performativ leider alles nicht an Android ran – nicht zuletzt wegen des gewaltigen Angebotes von Google Play.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.