Deutsche Universitäten 2017 im digitalen Ausnahmezustand: Kämpfen oder Kapitulieren?

Kein Zugriff auf wissenschaftliche Artikel des größten Wissenschaftsverlags Elsevier in der Forschung, keine Texte für Studierende auf Online-Lehrplattformen in der Lehre. Derzeit sieht es so aus, als wäre das ab 1.1.2017 Realität an deutschen Hochschulen. Paradoxerweise ist das eine gute Nachricht.

Foto: Foto: Plus903, CC-BY-SA 3.0, bearbeitet

Eines der besten Gedankenexperimente zum Thema Urheberrecht im Bereich von Forschung und Lehre steuerte dieses Jahr James Heathers bei. In seinem Beitrag forderte er, das wissenschaftliche Publikationssystem dem „Müllabfuhr-Streik-Test“ („Garbage Strike Test“) zu unterziehen. Und zwar verweist er auf die lange Geschichte erfolgreicher Streikbewegung von Beschäftigten im Bereich der Müllentsorgung. Auseinandersetzungen folgen dabei diesem Muster:

„Gebt uns was wir wollen!“
„Nein.“
„Okay. Dann holen wir den Müll nicht mehr ab.“

Was passiert aber, wenn die Müllabfuhr ab 6 Uhr früh am nächsten Tag streikt? Binnen kurzer Zeit türmen sich Berge von nicht entsorgtem Müll auf Straßen, die immer schwerer befahrbar werden. Städte leiden nicht nur unter bestialischem Gestank sondern auch unter Rattenplagen. Es herrscht Ausnahmezustand. Und spätestens nach ein paar Tagen ist der Druck auf die Verantwortlichen so groß, dass es zu irgendeiner Einigung kommen wird.

Heathers schlug nun vor, denselben Test auf Wissenschaftsverlage anzuwenden. Was würde passieren, wenn die großen, marktbeherrschenden Wissenschaftsverlage wie Elsevier, Springer und TaylorFrancis ab morgen 6:00 ihre Arbeit komplett einstellen? Heathers Einschätzung:

Ergebnis wäre ein System, das in nahezu jeder Hinsicht vom Status quo abweicht, und zwar nahtlos und unmittelbar.

Und weiter:

Die Leute würden Zeitschriftenarchive erfassen und als Torrent bereitstellen. Universitäten würden einfache Zugangssysteme anbieten. Jemand würde eine Browser-Erweiterung schreiben um Literaturlisten mit Torrents der Aufsätze zu verknüpfen. […] Forscher mit großen privaten Artikelbeständen in Endnote, Zotero, Papers, ReadCube etc. würden Wege finden, diese zu exportieren.

Heathers prognostiziert, dass der Streik der Wissenschaftsverlage spätestens nach zwei Tagen als Gelegenheit für die Neugestaltung eines kaputten Publikationssystems erkannt werden würde. Die zentralen Aufgaben wissenschaftlicher Tätigkeit – Verfassen von wissenschaftlichen Texten und Qualitätskontrolle durch andere WissenschaftlerInnen („Peer Review“) – ließen sich einfach auf offene, von Bibliotheken, Universitäten und Forschungsförderern finanzierten Plattformen wie ArXiv.org oder der Open Library of Humanities verlagern. Mit Open Journal Systems existiert ein etabliertes Open-Source-System zum dezentralen Hosting wissenschaftlicher Zeitschriften, das bereits heute von Universitäten wie der FU Berlin oder der Universität Wien eingesetzt wird. Würden die großen Wissenschaftsverlage von heute auf morgen ihr Angebot einstellen, der Fortbestand des Wissenschaftssystems, der Austausch und die Qualitätssicherung von Forschungsergebnissen wäre nicht im Geringsten gefährdet.

Deutsche Universitäten versus Elsevier & Co

Tatsächlich ist es so, dass die Macht der großen Wissenschaftsverlage auf tönernen Füßen steht. Weder die AutorInnen wissenschaftlicher Aufsätze noch die anonymen GutachterInnen werden für ihre Tätigkeit von Verlagen bezahlt. Trotzdem verlangen Wissenschaftsverlage die Einräumung exklusiver Rechte und immer höhere Abogebühren von Universitätsbibliotheken. Die enormen Produktivitätsgewinne durch einfachere digitale Distribution wissenschaftlicher Aufsätze und Zeitschriften in den letzten zwanzig Jahren wurden nicht an Wissenschaftseinrichtungen weitergegeben, sondern erhöhten unmittelbar die schon davor obszön hohen Renditen. Mehr noch, Knebelverträge der Verlage haben gemeinsam mit einem überaus restriktiven Urheberrecht dazu geführt, dass Dienste zur Online-Fernleihe wie Subito ihr Angebot massiv einschränken mussten. Im Jahr 2016 ist es in Deutschland leichter, wissenschaftliche Texte per Post oder per Fax zu bekommen, als per Mail im PDF-Format; kein Wunder, dass illegale Angebote á la Sci-Hub – eine Art Pirate Bay für wissenschaftliche Aufsätze – boomen und deren Nutzer genau gar kein schlechtes Gewissen haben.

Befragung von Nutzern der Plattform Sci-hub (Quelle: sciencemag.org)
Befragung von Nutzern der Plattform Sci-hub (Quelle: sciencemag.org)

2017 wird sich an dieser grotesken Situation in Deutschland erstmal nichts verbessern. Im Gegenteil, in einem Rundschreiben (PDF) der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK) über laufende Verhandlungen hinsichtlich bundesweiter Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage („Projekt DEAL“) wurde das vorläufige Scheitern der Gespräche mit Marktführer Elsevier verkündet:

Der Verlag hat uns zwar wenige Tage vor diesem Termin und nach monatelangen intensiven Verhandlungen ein erstes Angebot für eine bundesweite Lizenz vorgelegt. Dieses verweigert sich aber den Prinzipien von Open Access und allen Argumenten für eine faire Preisgestaltung: Trotz der bereits bestehenden 40-prozentigen Umsatzrendite setzt der Verlag auf gigantische Preissteigerungen jenseits der bislang bezahlten Lizenzsummen. Zudem verweigert sich der Verlag kategorisch transparenteren Geschäftsmodellen, die auf der Publikationsleistung basieren und Publikationen offener zugänglich machen würden.

Im Ergebnis könnte das dazu führen, dass an einer Vielzahl deutscher Universitäten und Forschungsinstitute ab 1.1.2017 kein Zugang zu Elsevier-Zeitschriften mehr möglich ist. Die HRK verweist in ihrem Schreiben darauf, dass rd. 60 Wissenschaftseinrichtungen – „zu einem guten Teil namhafte, große Institutionen und Konsortien“ – schon Mitte Oktober ihre Verträge mit Elsevier per Jahresende gekündigt hatten. Elsevier drohe im Gegenzug

allen Wissenschaftseinrichtungen, deren Verträge Ende 2016 auslaufen, mit einem rigorosen Abschalten aller Zugänge. Trotz unserer nachdrücklichen Aufforderung hat Elsevier bislang keine Zugeständnisse hinsichtlich einer Kulanzregelung (z. B. in Form einer „grace period“ oder eines „trials“) gemacht.

Wenn Elsevier nicht bloß blufft, könnte damit Heathers „Müllabfuhr-Streik-Test“ 2017 in Deutschland Realität werden. Sollte es also nicht doch noch zu einer Einigung kommen, wäre damit der digitale Ausnahmezustand an deutschen Hochschulen komplett. Denn nicht nur in der Forschung, auch in der Lehre dürfte der 1.1.2017 zur Zäsur werden.

Deutsche Universitäten versus VG Wort

Wie an dieser Stelle bereits berichtet, sollte ein Rahmenvertrag zwischen VG Wort und Kultusministerkonferenz die seit Jahren übliche Praxis der digitalen Bereitstellung von Texten für die Lehre an Hochschulen legalisieren. Was in vordigitaler Zeit der Semesterapparat war – also eine ausgedruckte Kopiervorlage für die Studierenden einer Lehrveranstaltung – wird heute im Rahmen von Online-Lernplattformen wie Moodle einem klar abgegrenzten Kreis an Teilnehmenden zugänglich gemacht.

Gestützt auf eine weltfremde Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum einschlägigen § 52a UrhG und mangels allgemeiner Wissenschaftsschranke im deutschen Urheberrecht soll selbst bei derart eingeschränkter Nutzung für jeden Text(auszug) eine Einzelfallprüfung und ggf. Meldung durchgeführt werden. Denn dem Geschäftsführer der VG Wort, Rainer Just, zu Folge sei

es nicht mehr möglich, auf der einen Seite überhaupt keinen Aufwand mehr zu haben und dann einfach eine Pauschale zu zahlen, während auf der anderen Seite die Verteilung an die Rechteinhaber, vor allem bei den Lehrbüchern, einfach nicht richtig entsprechend der Nutzung laufen kann.

Während es also weiterhin möglich ist, eine Kopiervorlage für Studierende bereit zu stellen, die dann von diesen kopiert (oder, was wahrscheinlicher ist, einmal digitalisiert und dann in der Facebook-Gruppe des Studiengangs hochgeladen) und entsprechend pauschal vergütet wird, soll das bei Moodle & Co plötzlich unmöglich sein. Wie blanker Hohn liest sich in diesem Zusammenhang Justs Aussage,

dass die durchschnittliche Meldungszeit für so ein Text 3,78 Minuten gedauert hat. Die kürzeste Meldung, die lag bei 30 Sekunden und die längste bei 38 Minuten. Diese Zahlen sprechen auch ein bisschen für sich. Was ich toll fand an diesem Projekt, das übrigens von der Methodik gut gemacht worden ist, dass man auch festgestellt hat, dass die Betroffenen das psychologisch als über sechs Minuten empfunden haben. Tatsächlich war es ungefähr die Hälfte.

Erfreulicherweise weigern sich aber auch in dieser Causa Universitäten in mehreren Bundesländern, den Vertrag zu unterschreiben. Unterstützt von der HRK sprachen sich laut Deutschlandfunk Landesrektorenkonferenzen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Thüringen gegen den Vertragsentwurf aus. Diese Haltung führt jedoch dazu, dass es den dortigen Hochschulen nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, Auszüge aus Lehrbüchern oder kurze Aufsätze im Intranet für ihre Studierende zur Verfügung zu stellen.

Update der Übersicht (PDF) zur Bereitstellung von Online-Material der Universität Duisburg-Essen
Aktualisierte Übersicht (PDF) zur Bereitstellung von Online-Material der Universität Duisburg-Essen

Im Ergebnis verschicken deshalb Universitäten in ganz Deutschland lange E-Mails an ihre Lehrkräfte, in denen sie die Ablehnung des Vertrags und die damit verbundenen Einschränkungen für Bereitstellung digitaler Lernmaterialien erklären. So heißt es beispielsweise in den Erläuterungen der Universität Duisburg-Essen (Herv. i. Orig.):

Wie auch ein Pilotprojekt an der Universität Osnabrück gezeigt hat, übersteigt der organisatorische und personelle Mehraufwand dieser Einzelmeldung vollkommen unverhältnismäßig die Höhe der Vergütung, die als Folge der Meldungen an die VG Wort zu entrichten wäre.

[…]

In der Konsequenz hat das Rektorat daher in seiner Sitzung am 9.11.2016 beschlossen, die Nutzung urheberrechtlich geschützter Texte auf der Grundlage von § 52a UrhG ab 1.1.2017 zu untersagen.

Kein Wunder, dass Studierende vor dem Büro der VG Wort demonstrieren und Lehrende an den betroffenen Universitäten ihre Studierenden dazu auffordern, bis Ende des Jahres noch sämtliche Unterlagen aus den Online-Lernplattformen herunterzuladen. Wie es danach weitergehen wird, ist unklar; Semesterapparate auf Papier dürften aber ein Comeback feiern.

Fazit

So absurd es auch klingen mag, aber wenn ab 1.1.2017 WissenschaftlerInnen an deutschen Hochschulen keinen Zugriff mehr auf Elsevier-Zeitschriften haben und Studierende wieder vermehrt vor dem Kopiergerät stehen, dann ist das ein Fortschritt. Denn es zeigt, dass die Hochschulen und ihre Verbände untragbare Zustände in digitaler Forschung und Lehre nicht mehr einfach hinzunehmen bereit sind. Die Weigerung das Preisdiktat Elseviers sowie unverhältnismäßige Forderungen der VG Wort zu akzeptieren, ist eine längst überfällige Kampfansage. Ein völlig veraltetes und restriktives Urheberrecht behindert schon lange die Freiheit von Forschung und Lehre im digitalen Zeitalter. Bleibt zu hoffen, dass die Universitäten nicht am Ende doch noch kapitulieren. Trending Topic auf Twitter in Deutschland Anfang 2017 dürfte jedenfalls der Hashtag #icanhazpdf werden.

70 Ergänzungen

  1. Ich habe selten so einen Hass auf Wissensschaft wie bei der VG Wort und der KMK gesehen. Da hilft nur eines: Open Access so schnell wie möglich, damit nicht weiter dem Standort Deutschland durch Digitalisierungshasser geschadet wird. Ich will auch nicht verhehlen, dass mich das an die Diskussion über „No Copyright!“ erinnert, wenn jetzt hier die VG Wort das Urheberrecht für ihren Hass auf Wissenschaft missbraucht, um die deutsche Wissenschaft möglichst intensiv zu behindern (so wie es ähnlich die GEMA mit Youtube in ihrem Hass jahrelang und weltweit einzigartig gemacht hat). Diesen Hass auf Wissenschaft zu dulden ist für einen demokratischen Staat unwürdig und sollte schnellstens beendet werden, wenn nicht auch noch der Ruf der Demokratie durch solchen widerlichen Hass geschädigt werden soll. Ich finde es auch unerhört, dass sich die Kultusministerkonferenz sich an dem Hass gegen Bildung so intensiv beteiligt. Mit ihrer Gestapo-Art war sie schon bei Schulbüchern aufgefallen, als sie hinterhältig Schüler und Lehrer auf Schulservern ausspionieren wollten, als wenn die Verachtung der Demokratie durch die NSA neues Leitbild einer Gestapo und Stasi-geprägten Kultusbürokratie werden solle. Diesen Hasspredigern muss dringend das Handwerk gelegt werden, damit der Schaden nicht noch größer wird als er in Deutschland jetzt schon ist. Open Access jetzt!
    https://netzpolitik.org/2012/buch-%E2%80%9Ekein-copyright-von-jost-smiers-und-marieke-van-schijndel/

  2. Was ist denn mit „durchschnittliche Meldungszeit“ gemeint? Ist das ein Fachbegriff für „Zeit die man zum Lesen benötigt“?

    1. Achso, was die HRK ist wissen vielleicht auch nicht alle auf Anhieb ;) Falls dem so ist: Hochschulrektorenkonferenz

    2. Das ist die Zeit die der Anbieter einer Veranstaltung, also z.B. der Seminarleiter oder der Dozent, braucht um eine Quelle die in der Veranstaltung benutzt wird bei den Verlagen zu melden.

    3. durchschnittliche Meldungszeit: Die Zeit, die man braucht, um Texte im Portal der VG Wort zu melden (Einzelerfassung), damit sie mit der VG Wort abgerechnet werden können* und anschließend verwendet werden dürfen

      *Pro Seite und pro Studierendem 0,8 Cent

    1. Übrigens besser wie Sci-Hub. Und zum Thema Gewissen: Diebe bestehlen, wie gemein… das Material wurde von Steuergeldern erarbeitet.

      1. Rein rechtlich ist das natürlich eine schwere Staftat, daher ist das keine Aufforderung den Dienst zu nutzen, sondern nur meine persönliche Meinung.

      2. Libgen ist keine Alternative zu scihub, sondern dessen Cache. Wenn man bei einem der beiden Dienste einen Artikel anfordert, schaut libgen nach ob es ihn hat, liefert ihn falls ja und übergibt die abgedrehte l Abfrage bei nein an scihub, welches ihn beschafft, ausliefert und in libgen speichert. Und zur anderen Antwort: wenn man scihub über Tor benutzt, ist es keine realistisch verfolgbare Straftat ;-)

        1. Ja, du hast recht. Trotzdem finde ich bei Libgen die Sachen meistens, während Sci-Hub irgendwo rumeiert und dann eine russische Fehlermeldung ausgibt. Daher ist Libgen für mich besser wie Sci-Hub, auch wenns die selbe Quelle ist.

          Tor-User ins Gefängnis!!11 Alles Raubmordkopierkinderschänder :-)

  3. Ich würde die Absurdität der Situation so zusammenfassen:

    Wir Wissenschaftler*innen produzieren und reviewen für die Verlage kostenlos Inhalte, die dann unsere Bibliotheken mit öffentlichen Mitteln für teueres Geld wieder einkaufen, um uns dann von Verlagen und VG Wort sagen zu lassen, dass wir dieses Wissen dann nicht unser Lehre frei verwenden dürfen.

    Ich hoffe, der hier angekündigte Aufstand kommt auch!

    1. Das stimmt so nicht. Im Semesterapparat stehen mehrheitlich Inhalte aus Lehrbüchern, keine wissenschaftlichen Aufsätze aus Peer Review Verfahren. Lehrbuchautoren bekommen recht hohe Honorare. Und die Investitionen in diese Inhalte sind von Verlagsseite sehr hoch. Ohne Verlag kommt praktisch kein Lehrbuch zustande. Wer also auf OA-Lehrbücher hofft, der geht davon aus, dass Dozenten sich ein Jahr lang an die Arbeit machen, damit andere nichts zahlen müssen. Kein realistischer Ansatz. Es sei denn, es gibt ideologische Motive, die als Anreiz dienen.

      1. Wenn etwas so nicht stimmt, dann in Ihr Kommentar:
        – Ob Lehrbücher oder wissenschaftliche Aufsätze aus Peer-Review-Verfahren zum Einsatz kommen, hängt stark von den individuellen Präferenzen von Lehrenden ab. Ich setze z.B. in meiner Lehre quasi überhaupt keine Lehrbücher ein. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen (ich weiß es von 6-7 Unis) halten es genauso.
        – „Recht hohe Honorare“ für Lehrbücher trifft nur auf eine winzig kleine Minderheit von Blockbuster-LehrbuchautorInnen (z.B. populärer VWL-Lehrbücher) zu. Die übergroße Mehrheit erhält verschwindend geringe Honorare, und zwar selbst in Massenfächern wie BWL (da weiß ich es definitiv); in Nischenfächern gibt es gar nicht genug (potentielle) KäuferInnen für üppige Honorare.
        – Es gibt unzählige Motive, Lehrbücher zu schreiben, finanzielle Anreize sind in den seltensten Fällen der Grund. Vielmehr geht es um das Selbstverständnis als Universitätslehrender, darum, das jeweilige Fachgebiet zu prägen, Unterlagen für die eigene Lehre zu verbessern, Reputation als Lehrender, etc.;
        – Anreize für OA-Lehrbücher wären bspw. die befristete Förderungen (z.B. für studentische MitarbeiterInnen), die an eine offene Lizenzierung gekoppelt werden; das ist in den USA längst etablierte (Förder-)Praxis.

        1. Da haben Sie sich jetzt auf mein Terrain begeben. Als (auch) Lehrbuch-Verleger habe ich schon einen ganz guten Überblick. Vorweg: wir haben aktuell über 100 Lehrbücher lieferbar, der Durchschnitt der Honorare liegt bei 10% vom Umsatz, teilweise geht es bis 14%. Keiner unter 8%.
          Dann zur Nutzung im Semesterapparat: ja, das hat man immer behauptet, dass da gar keine Lehrbücher dabei wären. Die Auswertungen in Osnabrück haben das anders gezeigt. Und ich wette mit Ihnen, dass wir nach dem ersten Jahr mindestens 50% Lehrbuchinhalte haben. Lässt sich natürlich nur beweisen, wenn nicht weiterhin die Offenlegung verweigert wird.
          Zu den Nischenfächern: da sind wir wohl Spezialisten mit Themen wie Forstwissenschaft. Alle mit Honorar. Unser zwei Spitzenreiter haben über 100.000 Euro bekommen, der nächste 48.000 Euro bekommen. Der Normalfall ist 6000 Euro pro Auflage. Das mal nur als Fakten gegen Ihre Vermutungen gestellt.
          Und auch zu den Motiven der Autoren: auch hier habe ich vermutlich mehr Gespräche mit Autoren zum Thema Honorare geführt als sie. Die Honorarhöhe ist eine ausgesprochen wichtige Größe. Dass sie nicht das zentrale Motiv sind ist klar. Aber ohne Honorar würde kaum jemand schreiben.

          1. Das steht alles nicht im Widerspruch zu meinem Argument:
            – 8-14% vom Umsatz ist verschwindend gering, wenn der Umsatz nicht groß ist.
            – Sie wissen genauso gut wie ich, dass in kaum einem Markt die Verteilung so ungleich ist, wie in Urheberrechtsmärkten. Einzelnen wenigen mit hohen Einkommen („Spitzenreitern“) steht eine überwiegende Zahl mit sehr geringen Entschädigungen gegenüber.
            – Wenn der Normalfall 6.000 Euro ist, dann ist das nach Steuern ein lächerlich niedriger Stundenlohn. Das ganze Geschäftsmodell funktioniert also nur, weil die LehrbuchautorInnen das in ihrer öffentlich bezahlten Arbeitszeit machen.
            – meine „Vermutungen“ sind genauso Fakten, habe selbst Lehrbuchkapitel beigesteuert (alle völlig unvergütet) und weiß von zahlreichen LehrbuchautorInnen, die nicht einmal annähernd 6.000 Euro bekommen haben.
            – Unabhängig davon bin ich durchaus dafür, dass Förderungen für (offen lizenzierte) Lehrbücher auch für Verlagsleistungen ausgegeben werden dürfen.
            – Überhaupt ist im Fokus der gesamten Auseinandersetzung nicht der vergleichsweise kleine, buchorientierte Fachverlag wie Ulmer, sondern der große Zeitschriftenverlag mit Fantasierendite wie Elsevier. Das wird im Artikel auch deutlich.

      2. „Lehrbuchautoren bekommen recht hohe Honorare.“

        Dazu nur zwei kurze Anmerkungen:

        Ich habe mehrere Jahre an einem Lehrstuhl gearbeitet. Der Running Gag meines Chefs war es, den Studierenden seine Bücher zu empfehlen und hinterherzuschicken, dass er sich dann pro Exemplar ein Snickers kaufen könne – sagen wir rund 50 Cents. Ich bin mir nicht sicher, wie hoch die Druckauflage von Lehrbüchern ist, aber 5.000 erscheint mir schon hoch gegriffen. 2.500 €, wenn tatsächlich alle Bücher weg sind. Zählt das als ein recht hohes Honorar?

        Wann schreiben die Lehrenden ihre Lehrbücher denn? Tatsächlich außerhalb ihrer Arbeitszeit, die vom Steuerzahler finanziert wird? Da würde ich meine Hand nicht für ins Feuer legen.

        1. Das Argument, dass Professoren für ihre Bücher kein Honorar bekommen dürfen, weil sie ja schon Gehalt bezogen haben ist haarsträubend. Und es hält sich vielleicht deshalb so hartnäckig, weil das Nachdenken so schwer fällt. Zunächst legt unsere Verfassung fest, dass Wissenschaftler frei in ihrer Publikation sind. Das war eine der Erfahrungen aus dem Dritten Reich, dass die Gleichschaltung der Wissenschaft genau an diesem Punkt ansetzte: wenn Du einen Job willst, dann publizierst Du nur was ich Dir erlaube. In allen anderen Bereichen gibt es das Mitarbeiterurheberrecht, das sich das Unternehmen übertragen lassen kann. Das ist für die Wissenschaft ausgeschlossen. Auch eine historische Erfahrung, die jetzt aus Budgetgründen über Bord geworfen wird.
          Weiter sollten Sie mal darüber nachdenken, ob Sie jetzt auch von allen anderen Staatsbedienten einfordern können, was Sie von den Professoren gerne hätten, etwa von Politikern, Richtern… Oder gehen Sie doch mal in die Oper und verweigern Sie die Zahlung. Oder im Krankenhaus.
          Und gilt Ihre Forderung dann auch noch in der Rente? Müssen die dann auch Vortragstantiemen abführen? Oder Aufsichtsratsbezüge? Oder ist in Wahrheit auch das wieder nur ein Argument um das Urheberrecht zu schleifen?

          1. 1.) Danke, dass Sie Godwin’s Law auch in dieser Online-Diskussion zur Geltung verholfen haben.

            2.) Wenn jemand heute Forschenden ihrer Urheberrechte beraubt, dann sind das große Fachverlage mit markbeherrschender Stellung, die AutorInnen zur Einräumung umfassend-exklusiver Rechte zwingen.

          2. Lieber Herr Ulmer,
            ich bin mir nicht sicher, wo ich mich unklar ausgedrückt habe. Vielleicht können Sie mich darauf stoßen, wo Sie in meinen Aussagen einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit sehen, damit ich künftig solche Missverständnisse vermeiden kann.
            Ich spreche WissenschaftlerInnen nicht das Urheberrecht an Ihren Werken ab, und ich spreche mich auch nicht für inhaltliche Weisungen aus. Ich stelle aber infrage, weshalb sie zusätzlich für Dinge finanziell entlohnt werden sollen, die im Rahmen ihres Dienstes entstehen. Wie sehen Sie das?
            Darüber hinaus erlaube ich mir den Hinweis, dass Sie offenbar noch keine Zeit hatten, auf meine Frage nach der Höhe der Honorare zu antworten. Möglicherweise liegt meine Einschätzung ja auch völlig daneben und freue mich, etwas dazulernen zu können.

          3. Die Nazikeule, um private Gewinninteressen zu begründen? :-)
            Es droht uns Barberei wenn Lehrende und Studierende die Verlage außen vor lassen?
            Steile These.

      3. Das wäre vielleicht ein Argument, wenn sich die Neuregelung allein auf Lehrbuchtexte bezöge. Tut sie aber nicht.

  4. Der Artikel ist in seinen Grundsätzen klasse. Aber habe ich das überlesen, oder fehlt mir ein wenig die studentische Perspektive? „Wenn Studenten wieder an den Kopierern stehen, ist das eine gute Sache“… Nun ja, erstmal ist das auch ein immenser Arbeitsaufwand der betrieben werden muss. Und dass bedeutet ja nicht, dass irgendwo anders weniger Leistungspunkte erbracht werden müssen. Für Studenten die jetzt bereits Vollzeit studieren, ist es NOCH mehr Aufwand. Und zumindest an der Uni Bielefeld sind Kopierer (momentan noch) Mangelware..

    1. Dass die Situation ab 1.1.2017 für alle Beteiligten, Studierende und Lehrende gleichermaßen, eine massive Verschlechterung bringt, ist unbestritten. Positiv ist, dass die Unis das erstmal in Kauf nehmen. So funktionieren Machtkämpfe leider. Wenn Beschäftigte eines Unternehmens streiken, dann bekommen sie auch kein oder viel weniger Geld, das Unternehmen verliert ebenso. Dennoch kann es total sinnvoll sein, kurzfristige Nachteile eines Streiks in Kauf zu nehmen, um langfristige Verbesserungen zu erreichen.
      Im übrigen bin ich der Meinung, dass ohnehin auch in der Lehre viel mehr offen lizenzierte Lernmaterialien (OER) eingesetzt werden sollten, dann gibt es diese ganzen Probleme überhaupt nicht mehr.

      1. Auch wenn ich bezüglich OER zustimme: gerade in den Geisteswissenschaften sind ein Großteil des Materials, das in den E-Learning-Plattformen steht, Werke von wichtigen Autoren oder Sekundärliteratur dazu. Diese kann man nicht einfach durch etwas anderes ersetzen.
        Bei Physik-Übungsblättern u.ä. sind OERs natürlich eine sinnvolle Alternative.

    2. Ich kenne die Uni Bielefeld noch als Studentin und den klassischen Semesterapparaten. Da gab es auch noch massig Kopierer, weil es ja einfach die Norm war, dass Texte kopiert werden mussten. Neben dieser Lösung gab es auch immer noch Dozenten, die Reader herausgaben, die dann von Studierendenseite bezahlt wurden.
      Wenn ich jetzt in der Bibliothek bin, dann gibt es zumindest in meinem Fachbereich nicht mehr annähernd so viele Kopiersysteme wie in meiner Studienzeit bzw deutlich mehr Studierende auf die gleiche Anzahl Kopierer. Was das kopieren von Texten mit den zu erreichenden LP im Studium zu tun hat erschließt sich mir nicht.

      1. Es braucht Zeit (in die Bib fahren, Quelle raussuchen, kopieren), die man sonst in was anderes stecken könnte. So wird das gemeint sein.

  5. Lieber Herr Dobusch, was Sie ihren Lesern verschweigen ist, dass es hier nicht um eine Unangemessene Forderung der VG Wort oder der Verlage geht, sondern es geht schlicht und einfach um RECHT. Höchstrichterliches, wie man so schön sagt. Der BGH hat die Thematik in letzter Instanz hin und her gewendet und dann entschieden. Die Absurdität der Situation ist nun, dass sich die deutsche Wissenschaftslandschaft komplett weigert Recht anzuerkennen. Die Begründung ist dabei keinesfalls, dass man anzweifelt, dass die betroffenen Inhalte dem Urheberrecht unterliegen oder den Autoren gehören. Nein, der Grund, warum man sich weigert Recht anzuerkennen ist, dass man zu faul ist. Und dass man meint, man könne weiterhin auf Kosten der Autoren sparen. Und so inszeniert man also den von Ihnen so schön beschriebenen Streik der Müllabfuhr um auf diese Weise die Politik zu erpressen. Und damit jetzt auch noch ganz klar ist, worum es geht: die milliardenschweren Wissenschaftsorganisationen sehen sich nicht in der Lage, 2,5 Millionen Euro an die Autoren zu zahlen. Und damit man um diesen Betrag drum herum kommt, macht man den Müllabfuhrstreik. Chapeau vor so viel Charakterstärke.
    Und um das noch schön zu flankieren werden mit Halbwahrheiten und direkter Fehlinformation die Studenten aufgebracht, damit die Empörung nur ja in die Breite kommt. Natürlich erzählt man den Studenten nicht, dass das Abschalten der Semesterapparate vollkommen überflüssig ist und eine reine Drohgebärde und nur erfolgt, weil man ein wenig Geld sparen will und Zeit. Also ist es besser, die Studenten bringen die Zeit und das Geld auf als wenn es die Dozenten tun. Und durch verantwortungslose Kampagnen hat man Studenten und Dozenten ja auch schon da, wo man sie braucht, als lautstarke Schreier, die sich in Hass ergehen. Nochmals Chapeau vor so einer Lebensleistung!

    1. Ich verschweige in meinem Artikel gar nichts, das Urteil des BGH ist sogar verlinkt. Ich halte das Urteil für unglaublich lebensfremd und falsch. Und nur weil etwas „Recht“ ist, muss es noch lange nicht richtig sein. Das Urheberrecht ist in vielfacher Hinsicht das perfekte Beispiel dafür.

      Sie können Protest gegen Einzelfallabrechnung gerne „faul“ nennen, ich nenne es massenhaft verschwendete Lebenszeit und vernichtete Produktivität von Lehrenden und Studierenden gleichermaßen. Darum geht es nämlich, und nicht um 2,5 Millionen. Wie aus dem Artikel hervorgeht, habe ich nichts gegen eine pauschale Vergütung, wie sie seit Jahrzehnten üblich war.

    2. Lieber Herr Ulmer,

      ich arbeite an einer Universität als Doktorand (Informatik) und sehe also den täglichen Arbeitsablauf. Unsere Vorlesungen benötigen jetzt schon extrem viel Zeit in der Vorbereitung – so viel, dass teilweise jetzt schon Wochenenden mehr oder weniger durchgearbeitet werden, um die Folien und anderweitigen Vorlesungsunterlagen vorzubereiten (neben dem Lesen von Abschlussarbeiten, der restlichen Verwaltungsarbeit, und der eigenen Forschung). Was die VG Wort gerne von uns hätte, ist, dass wir jetzt alle unsere Folien durchgehen und auf geistiges Eigentum anderer prüfen, und das dann alles digital registrieren. Für jede einzelne Folie, wenn wir die Slides online stellen wollen. Der zusätzliche Arbeitsaufwand für die Verwaltung dieser Sachen wäre enorm, und der Nutzen für uns und die Studierenden gleich null.

      Mir persönlich wäre es mehr oder weniger egal, ob unsere Gruppe jetzt noch 2 cent pro Paper zahlen muss, aber der administrative Aufwand, erstmal anzumelden, dass man ein bestimmtes Paper für eine bestimmte Anzahl Studierende zugänglich macht – in einer Vorlesung, wo wir teilweise 3 paper pro Woche bereitstellen müssen – steht in keiner Relation zu dem Nutzen.

      Man kann nicht zum einen exzellente, praxis- oder forschungsnahe Lehre fordern und auf der anderen Seite den administrativen Aufwand, der damit verbunden ist, immer weiter in die Höhe schrauben. Ja, ein Pauschalbetrag macht es schwierig, die Vergütung richtig zu verteilen. Ja, das ist unfair, und ja, der BGH hat eine Entscheidung getroffen. Das ändert nichts daran, dass wir an der Universität nicht als Verwaltungsangestellte, sondern als Lehrkräfte arbeiten sollten. Und wenn wir pro verwendeter Folie erstmal 3 Minuten Aufwand haben, alle verwendeten Materialien zu kennzeichnen, und dann am besten am Ende noch dafür haften, wenn wir was übersehen haben, dann sorgt das für schlechtere Lehre dank mangelnder Zeit.

      Was wir brauchen ist eine Lösung, die für die Studierenden und die Dozenten funktioniert, und die trotzdem die Urheber fair vergütet. Ich kenne keine solche Lösung, aber der aktuelle Vorschlag hilft niemandem – denn dadurch fallen jetzt erst einmal Einnahmen für die VG Wort weg, da die Universitäten den Vorschlag reihenweise bestreiken. Und zu behaupten, dass es den Universitäten nur darum ginge, dieses Geld zu sparen, ist blanker Unsinn – wir haben doch bis vor kurzem bereits eine Pauschale bezahlt, und würden das problemlos auch weiterhin tun. Das Geld ist nicht das Problem, sondern die vernichtete Arbeitszeit, die mit unsinnigen Verwaltungsaufgaben anstatt Lehre und Forschung verbracht wird.

      Und es geht um Recht, wie sie sagen. Daher verhalten wir uns rechtmäßig und machen von unserem Recht gebrauch, den vorgeschlagenen Vertrag nicht zu unterzeichnen und die damit verbundenen Leistungen nicht mehr zu nutzen. Und wir machen von unserem demokratischen Recht gebrauch, darauf hin zu arbeiten, dass eine Lösung gefunden wird, die rechtlich in Ordnung ist, ohne Arbeitszeit zu vernichten oder die Qualität der Lehre massiv zu verschlechtern.

      1. Dazu muss man vielleicht anmerken, dass die Folien gerne so gestaltet sind, dass man damit auch lernen kann. Pro Vorlesung (90 Minuten) fallen da gerne mal 80-100 voll bepackte Folien an. Als Student finde ich das gut.
        Dass damit pro Vorlesung gerne mal fünf Stunden Arbeitszeit nur für die Erfassung der Quellen verpulvert werden ist einfach nicht tragbar.
        Wenn Autoren für heruntergeladene oder online gelesene Artikel direkt bezahlt werden ist das okay. Dafür, zitiert zu werden, muss man allerdings nicht dringend vergütet werden. Einerseits wurde die Arbeit ja schon über das (steuerlich finanzierte) Gehalt vergütet, andererseits kann der Mehrwert eines einzelnen Zitates schlecht quantitativ bewertet werden.

        Es wird Zeit, dass wissenschaftliche Artikel für alle öffentlich zugänglich sind. Wissen und Bildung dürfen keine Wirtschaftsgüter sein. Gerade im Hinblick auf finanzschwächere Regionen ist das nur destruktiv.

      2. Lieber H. Max, Danke für die Antwort, so können wir vielleicht Teile der Fehlinformation ausräumen. Ihre Folien sind von der aktuellen Situation überhaupt nicht betroffen. Auf Folien haben Sie üblicherweise Ihre eigenen Texte und Zitate aus anderen Texten. Für Bildzitate auf Folien ist weder die VG Wort zuständig noch jetzt ein Meldeverfahren erforderlich.
        Das Meldeverfahren kostet zwar Zeit, aber das ist in Wahrheit eher lächerlich. Wenn die Uni das Meldeportal in ihre Oberfläche integriert hat, dann haben Sie als Dozent bislang fünf Texte eingescannt und in den Semesterapparat gestellt. Jetzt geben Sie auf dem Portal unter ihre Veranstaltung (in der die Zahl der Studenten und die Dauer einmal von Ihnen voreingestellt wurde) die ISBN des Titels ein und die Seitenzahl. Das dauert bei 5 Titeln, wenn es im Workflow gemeinsam mit dem Scannen gemacht wird, zehn Minuten. Und die jetzige Lösung, dass die Bücher und Zeitschriften als Kopiervorlage verfügbar gehalten werden, die kostet ja alle Beteiligten noch mehr Zeit.
        Zur angemessenen Vergütung der Autoren: in einem ersten Angebot hieß es, dass 250.000 Euro Pauschale gezahlt werden. Man hat das nach Protesten dann auf die 2,5 Mio erhöht. Der Feldversuch in Osnabrück legt nahe, dass bei gesetzeskonformer Abrechnung die Gesamtgebühr schon seit mehreren Jahren bei 5 Mio hätte liegen müssen. Die Verweigerung der Einzelabrechnung hat deshalb auch wenig mit der Arbeitsbelastung zu tun, sondern man möchte keinesfalls Transparenz darüber haben, was in Wahrheit genutzt wird.

        1. Wenn es 10 Min dauert um eine Meldung zu erfassen die 5 Seiten * 100 Studenten * 0.8 Cent = 4 Euro kostet, dann sind für die 5 Millionen Kosten die Sie zitieren auch 10 Millionen Minuten Aufwand für die Erfassung notwendig .
          Das ist ganz schön viel finde ich

    3. Tja, das ist also unbezahlte Mehrarbeit oder Arbeit innerhalb der regulären Arbeitszeit der Dozenten zugunsten der VG-Wort.
      Fakt ist, niemand kann die Leute dazu zwingen, das zu machen.
      Urteil hin oder her.
      Schaut mal da haben wir eine tolle Datenbank gebaut damit wir von euch Geld kriegen und jetzt will niemand die Daten eingeben, Skandal! :-)

  6. Sehr spannender Artikel, Danke dafür!
    Ich bin ja aus dem Uni- und Wissenschaftsbetrieb vollständig raus; frage mich aber, warum denn „die Wissenschaft“ sich nicht selbst um eine Lösung zum Publizieren kümmert bzw. zum Zugang zu Publiziertem.
    Zwei Grundfehler fallen mir da auf: Da ist zum Einen das sehr seltsame Publikationsverhalten von Wissenschaftlern in angesagten Zeitschriften. Teilweise, so habe ich mir sagen lassen, dauert der Peer-to-Peer Prozess elend lange, was die Ergebnisse nun auch nicht frischer macht. Aber eine Menge wissenschaftlichen Kapitals hängt halt direkt davon ab, wie viel man in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlicht hat.
    Und zweitens: Die meisten Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit sind finanziert durch Eigen- oder Drittmittel der Universitäten. Natürlich könnten diese es so regeln, dass die Produzenten dieser Werke ihre Ergebnisse frei und offen zur Verfügung stellen müssen, inkl. Rohdaten. Ich habe es schon als Jura-Student nicht verstanden, warum Juraprofessoren ziemlich viel Geld mit Gesetzeskommentaren und Fachbüchern verdienen – die ja durchweg im Rahmen ihrer universitären, also bezahlten Tätigkeit entstanden sind (und wer mich jetzt für weltfremd hält: Die Bill & Melinda-Gates Foundation macht genau das: „kriegst Du Geld von uns, dann musst Du alles unter CCBYSA stellen. No exceptions. http://www.gatesfoundation.org/How-We-Work/General-Information/Open-Access-Policy)

    1. ad Publizieren in „angesagten Zeitschriften“: das ist eine klassische Pfadabhängigkeit sich selbstverstärkender Reputationsspiralen. Publikationen in viel gelesenen/zitierten Zeitschriften sind DIE Währung, entscheiden über Verbleib im Wissenschaftsbetrieb sowie Vergabe von Drittmitteln. Ob Open Access oder nicht spielt dafür keine Rolle. Wenn man das ändern möchte, muss man bei den Editorial Boards ansetzen, und das ist dann halt ein Collective-Action Problem. Habe das mal anlässlich des Falls Lingua/Glossa auf Englisch erklärt.

      ad Jura: das ist ein totaler Sonderfall, quasi die Ausnahme, die die Regel bestätigt, dass WissenschaftlerInnen nur in den allerseltensten Fällen überhaupt etwas mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen verdienen. Und wie Du weißt, bin ich ein totaler Verfechter von Open-Access-/Open-Education-Mandates.

      1. Naja, Ausnahmen bestätigen wohl die Regel- der VWL-Prof einer Freundin „empfahl“ den Studenten sein Lehrbuch zu kaufen, da es „leider“ nur in einem Exemplar in der Bib stünde. Und in der Prüfung wurde direkt darauf Bezug genommen.
        Klar, alles nur ein Zufall… Kann jemand ähnliche Storys erzählen?

        1. Bei uns eher gegenteilig: Ein Prof. hat ein Buch geschrieben, intensiv in Vorlesung und Seminaren verwendet und ähnliche Inhalte in der Klausur angewandt. Allerdings gab es genug Bücher für 2/3 der Studierenden sowie digitalen Zugang. Bin allerdings auch Naturwissenschaftler, vielleicht ist hier der Altruismus etwas stärker veranlagt.

  7. hallöle :-D

    was für ein sturm .. im wasserglas …
    als ich studierte gab es nicht einmal computer ^^
    und trotzdem haben wir alle unser examen, auch mit mcl, scl, usw …
    also was soll dieses hilfe – geschrei ?
    laßt doch diese mammonsüchtigen den unis kündigen und besinnt euch auf das wichtigste .. eure hoffentlich vorhandene intelligenz ;-)
    ein ausweg wurde ja schon angezeigt, also kinder, seid mal innovativ
    zurück in die zukunft
    ihr solltet gleich damit anfangen !!!
    nicht jammern, nicht heulen – sondern … LOS

    nebenbei, wer wirklich nicht nur innovativ, sondern sich auch faulheit leisten möchte …
    dieses ding – # – heißt raute
    sparen an der richitigen stelle und diese schwachsinnigen anglizism entsorgen !
    liebe kinder, was das für ressourcen freisetzt, faszinierend .. grins

    1. Wem hilft denn diese Aussage? Computer sind nun mal Stand der Technik, und ob man nun digitale oder analoge Literatur (sprich PDF-Dateien oder Bücher) verwendet, läuft doch im Prinzip auf das gleiche heraus. Wenn sich diese Problematik „zu Ihrer Zeit“ um Bücher gedreht hätte, wäre daraus genau so ein „Sturm“ geworden.

      Die Menschen früher hatten keinen elektrischen Strom und haben auch gelebt. Ist das Argument genug, im Alltag auf elektrischen Strom zu verzichten?

  8. Ein Aspekt, der mir in der Diskussion fast ein bisschen zu selten erwähnt wird: es geht beim Widerstand gegen den neuen Rahmenvertrag nicht nur um den erheblichen Arbeitsaufwand, und nicht nur darum, dass die Kosten für eine Universität damit unkalkulierbar werden.
    Beides sind Probleme, die durch technische Maßnahmen und guten Willen sicher lösbar wären.

    Viel gefährlicher finde ich, dass durch die Einzelmeldung eine zentrale Datenbank aller an Hochschulen verwendeten Texte aufgebaut wird.

    Wo wird Marx gelesen?
    Wer diskutiert über alternative Gesellschaftsentwürfe?
    An welchen Unis werden Texte zum Thema Open-Access rezipiert?

    Nicht erst nach den Repressionen in der Türkei halte ich es für absolut inakzeptabel, hier eine neue Datenkrake zu mästen.

  9. Ich stimme folgenden „moralischen“ und pragmatischen Punkten 100% zu:
    – die Margen für Elsevier und Co. sind unverhältnismäßig hoch
    – eine manuelle Einzelerfassung von Texten in Moodle, Blackboard über eine separate Plattform der VG Wort ist unsinnig (ineffizient, nicht zeitgemäß)

    Aber:
    – Wieso richtet sich die Kritik gegen die VG Wort? Dass die Kultusminister diesen Rahmenvertrag ausgehandelt haben und nun last minute alle abspringen, ist m.E. der größere Skandal!
    – Am 1.1. wechseln wir von „Pauschale + Intransparenz + geduldete Rechtsbrüche“ zu „Kein Rahmenvertrag + vermutlich weiterhin Rechtsbrüche“.

    – Ich empfehle allen eine Lektüre von § 52a UrhG und des oben verlinkten BGH-Urteils. „Reader“, „Kopiervorlagen“ usw. waren schon nach altem Rahmenvertrag *unzulässig*, wenn dort Auszüge aus Lehrbüchern oder auch „zu lange“ Auszüge aus Forschungsliteratur enthalten sind. Dito für Blackboard/Moodle.
    – Es geht um die Messung der Nutzungs-Intensität einzelner Quellen. Wenn in Moodle ein Link auf JSTOR steht, kann die VG Wort erfassen, dass 20 Studierende den Artikel herunterladen. Wenn dort ein PDF steht, passiert das nach jetzigem Stand nicht.
    – Ich persönlich kann verstehen, dass die Rechteinhaber gerne Daten über die tatsächliche Nutzung hätten. Vermutlich nicht ganz zu Unrecht vermuten sie, dass die Pauschale an der Realität vorbei geht. (Und es wäre einfach auch fair, dass tatsächlich oft genutzte Materialien mehr vom Kuchen kriegen als kaum genutzte!)
    – Das heißt aber natürlich auch, dass es hier um Verteilungskonflikte geht. Und dass nicht nur Elsevier „die Bösen“ sind, sondern dass Unis und Länder eben auch ihre eigenen Motive haben, die nicht deckungsgleich mit Weltfrieden und optimaler Lehre sind . . .

    ==> Die Länder sind gefragt, eine pragmatische Reform des UrhG anzustoßen.
    ==> Eine zeitgemäße, bequeme Lösung ohne Verwaltungsaufwand ist keine große Hürde (entweder alles über JSTOR oder Äquivalent abwickeln oder ein Plugins für Moodle/Blackboard nutzen)

    (Ich arbeite als WiMi an einer deutschen Uni und unterrichte mehrere Kurse, inkl. Literatur in Moodle.)

    1. „Fair das oft genutzte … mehr als wenig genutzte bekommen..“ ist im Zusammenhang mit der Lehre eine eigenartige Sichtweise.
      Fakt ist, das BWL, Jura usw da dick abschneiden und Teile der Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften hinten runterfallen würden.
      Praktisch gesehen sind aber oft diese Bereiche wichtig für den reibungsarmen Ablauf aller technischen Vorgänge.
      Es ist mit Sicherheit gravierender wenn der Strom oder die Ernte auf dem Feld ausfällt als wenn BWLer oder Juristen etwas weniger für ihre Lehrbücher bekommen.
      Tatsächlich zeigt der aktuelle Streit, wie die reale Machtverteilung wirklich ist, wen man sich nicht auf die Vorgaben der genannten Gruppen einlässt.
      Niemand kann gezwungen werden sich auf die Regeln der VG-Wort einzulassen.
      Das ist nicht mal ein Rechtsbruch wen man auf die nicht frei verfügbaren Werke dankend verzichtet.
      Herr Ulmer hat dankenswerterweise in seinen Kommentaren hier darauf hingewiesen, das Folien mit Zitaten gerade nicht unter die angestrebte Lösung fallen.

      1. Hi, nur zur Klarstellung: Mir geht es nicht um den Vergleich zwischen Fächern sondern um die Nutzung von Material innerhalb eines Faches. Ein 200x als PDF geteilter Text aus einem Lehrbuch wird eben durch die eine Papierkopie, die in der Bibliothek steht, nicht ansatzweise erfasst. Und da fände ich es durchaus fair, die Nutzung transparenter zu machen.

        Und wieso ist es Fakt, dass Ingenieure und Chemiker einen Nachteil hätten [unter welchen Umständen jetzt genau]? Würde nicht eine genauere Erfassung dazu führen, dass z.B. die Nutzung von naturwiss. Journal-Artikeln in der Lehre viel stärker gemessen und im Vergleich zu z.B. massenhaft gekauften Rechts-Lehrbüchern aufholen würde!?

        Natürlich ist es völlig legal, keine Literatur bereitzustellen. Aber dadurch wird doch die Lehre nicht besser. Und übrigens sind das nicht „die Regeln der VG Wort“, sondern das Verhandlungsergebnis der Landespolitk mit der VG Wort. [Wenn ich das falsch verstanden habe, klärt mich bitte auf! Aber mir kommt die Position von HRK und KMK unehrlich vor.]

        1. Klar ist das das Verhandlungsergebnis.
          Doch leider haben wohl die die es letztendlich betrifft wohl nicht an den Verhandlungen teilgenommen.
          Die wollen nun das ach so tolle Ergebnis nicht mittragen und stellen sich quer, quasi eine Art Streik.
          Die VG-Wort hat schon über Jahre auf dieses Ergebnis hingearbeitet und zusammen mit dem Börsenverein und den Verlagen massiv Lobbyarbeit betrieben damit es zu einem für diese Gruppen positiven Ergebnis kommt, sprich das die hinterher mehr Geld kassieren.
          Die mit der ganzen Sache verbundene Mehrarbeit wurde argumentativ als irrelevant zur Seite gefegt.
          Wenn nun die direkt Betroffenen einfach nicht mitspielen hat das zur Folge das die erwarteten Millionen nicht fließen und im schlimmsten Fall die Geldquelle komplett zu versiegen droht.
          Das hatte man sich so nicht vorgestellt.
          Nun kann man aber nun keine Uni, Fakultät oder einzelnen Dozenten dazu zwingen sich wie gewünscht zu verhalten.
          Grundsätzlich können die einfach eine Leseliste rausgeben und zu den Studenten sagen, kümmert euch.
          Das ist der fiese und rechtlich einwandfreie Weg.
          Der Andere wäre, einfach einen USB-Stick zu vergessen oder darauf zu bauen das die Studenten die Seite mit dem Raben und dem Schlüssel kennen und entsprechend die Leseliste zusammenzustellen.
          Ein altmodisches Script wäre auch noch drin, welches auf dem Pult liegenbleibt.
          Praktisch haben Verlage also eine recht schlechte Verhandlungsposition, da objektiv eigentlich kein Grund vorliegt weshalb die Uniseite einknicken muss.
          Den Dozenten ein Fehlverhalten nachzuweisen und diese rechtlich zu belangen stellt sich aus meiner Sicht recht schwierig dar, solange sich da niemand aus der Deckung wagt und offen zugibt das er bewusst Scripte rumliegen lässt.
          Ganz zu Schweigen davon, das sollte man ein Exempel statuieren wollen, da ein massiver Bumerang troht das sich die Dozenten um sich abzusichern nur noch auf rechtlich unbedenkliche Medien ausweichen.
          Bei dem anderen Teil meiner Aussage geht es eigentlich nur darum das es in den Naturwissenschaften eigentlich normal ist das die für ihre Aufsätze nichts oder nur Krümmel sehen.
          Zum Teil sind die Themen auch so speziell das sich außer einer handvoll Leute eh niemand dafür interessiert.
          Nichtdestotrotz sind diese Nischenthemen wichtig und bringen bei Verbreitung und Anwendung oft viel.
          Es ist einfach frustrierend, wenn du eine kleine Abhandlung über etwas schreibst und in einer Email an einen Kollegen auf die Veröffentlichung bei Verlag XYZ hinweist und der dir zuruckschreibt ob es möglich wäre das den Text direkt zu schicken, weil die von dem Verlag, deren einzige Leistung darin besteht das sie das in ihre Datenbank einsortiert haben von jedem potenziellen Leser 300 Kröten wollen.
          Sowas trägt auch nicht gerade zur Verbreitung bei, die ja eigentlich erwünscht ist und ist auch eher unsozial gegenüber Kollegen aus nicht so mit Geld gesegneten Ländern.
          Das ist natürlich Ansichtssache wie man das sieht und wie man dazu steht.
          Zumal die paar Kröten die man bekommen könnte, das Kraut auch nicht fett machen.

          1. Gute Punkte! Einverstanden. Und: Für die Verhandlungsmacht der Unis wäre es auch hilfreich, wenn die Studierenden sich beschweren.

            Ich bin weiterhin der Ansicht, dass eine „Nutzungsmessung“ OK wäre, analog dazu wie ich Spotify fairer/logischer finde als pauschale Radio-Lizenzen. Aber ich sehe ein, dass pauschale Abgaben gut für kleine Fächer sein könnten. Das muss man abwägen und kann ja auch bewusst steuern.

            Wir sind uns jedenfalls 100% einig, dass der Kuchen eher an die Urheber als an die Verlage verteilt werden sollte. Der berechtigte Vorwurf an die VG Wort ist hier also, dass sie die kommerziellen Mitglieder eher im Blick zu haben scheint als individuelle Autoren. [Ich kenne aber die Details der Verhandlung nicht!]

  10. Ehrlich gesagt, habe ich mit dem etablierten Publikationssystem null Probleme. Mit Elsevier, OpenAccess und VG Wort ist alles prima bestellt. Was mir hingegen Kopfzerbrechen bereitet sind die neuen Wissenschaftsnetze wie ResearchGate und Academia.edu Dort gibt es das absolute Chaos. Academia.edu ist beispielsweise nicht in der Lage ein vernünftiges Reviewsystem einzuführen und bei ResearchGate klagen die Mitarbeiter über extrem enge Büroräume ohne ausreichend Sauerstoff. Außerdem findet der Kopf von ReserchGate Ijad Madisch offenbar Gefallen an „negative scientific data“ womit gescheiterte Wissenschaftsprojekte gemeint sind, was nichts gutes ahnen lässt für die Zukunft.

  11. Ein weiterer Aspekt, der mir hier noch zu kurz kam, ist, dass deutsche Wissenschaftler in der Regel für die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse die Verlage bezahlen. Aus diesem Grund gibt es sowohl bei der DFG als auch bei vielen Stiftungen und Universitäten Gelder für „Druckkostenzuschüsse“ – d.h. von Steuergeldern bezahlte Wissenschaftler forschen, publizieren dann diese Forschung mit Hilfe der Druckkostenzuschüsse in von Steuergeldern bezahlten Verlagspublikationen, woraufhin (Uni-)Bibliotheken mit Steuergeldern diese Publikationen dann kaufen, damit sie in Forschung und Lehre zur Verfügung stehen. Ein System, welches regelmäßig auf internationalen Tagungen nur Kopfschütteln und Unverständnis hervorruft.
    Insofern hoffe ich, ähnlich wie der Autor, dass diese erneuten Absurditäten des deutschen Wissenschaftssystem zu einer Zunahme von Open Access-Publikationen führt, und damit auch für die Copyright-Problematik eine einfachere Lösung gefunden wird. Eine Trennung der Interessensvertretungen vom wissenschaftlichen und vom nicht-wissenschaftlichen (Belletristik, Sachbuch) Buchmarkt erscheint mir längst überfällig.

    1. dass diese erneuten Absurditäten des deutschen Wissenschaftssystem zu einer Zunahme von Open Access-Publikationen führt

      @Cathleen:
      Also, eigentlich dachte ich, dass ich bereits zynisch wäre, aber das ist ja nochmal eine Steigerung. Wenn ich das Posting richtig verstehe, wird hier Beifall geklatscht für die „Article Publishing Charges“ so dass die Autoren bald nicht mehr 3000 US$ pro eingereichtem Paper an Elsevier zahlen müssen, sondern 10000 US$ und damit dann das System implodiert? Ich glaube Aaron Schwartz würde das nicht verstehen.

      1. @Manuel:
        Eher, dass ich zustimme, dass an dem wissenschaftlichen Publikationssystem dringend etwas geändert werden muss. Gerade dass der ganze Themenkomplex jetzt breit von Studierenden bis zu Professoren, vom Feuilleton bis zu Technologie-Blogs diskutiert wird, halte ich für bereits für einen Fortschritt.

        1. dass an dem wissenschaftlichen Publikationssystem dringend etwas geändert werden muss

          Richard Price (Gründer von Academia.edu) hat die Zukunft einmal wie folgt beschrieben: zuerst wird der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen kostenlos werden. Das geschieht durch OpenAccess, illegalen Dokumentenservern aus Russland, Druck auf die Verlage und Google Scholar. Und dann wird auch das Publizieren selber kostenlos werden, das funktioniert über Arxiv, ResearchGate und Academia.edu.
          Wohlgemerkt, das ganze gilt nur für die wissenschaftliche Publikation wo die Auflage sehr klein ist. Im Belletristik Segment sieht es anders aus, weil dort standardmäßig die Autoren für ihre Arbeit Geld von den Verlagen erhalten weil diese wiederum hohe Stückzahlen verkaufen.

  12. Kerninformation, Enteignung durch Internetkonzerne, Bindung ans Netz, Kommerzialisierung durch Nutzerdatenaustausch. Passt ins politische Motto des Datenreichtums. Der muss aber keinen Wissensreichtum versprechen.

  13. Ich finde, dass genau hier virale Lizenzen wichtig sein können, da sie verhindern, dass Elsevier et al sowie große Konzerne durch die Hintertür von Open Access weiter profitieren…

    Übrigens ist es auch wichtig, zu klären, dass das Urheberrecht Ausnahmeregelungen vom Recht der Allgemeinheit auf Wissen, Wissenschaft, Kunst und Kultur regelt. Ausnahmen. So steht es in den Gesetzeskommentaren.

    Auch klassische Rechtskonstrukte wie die laesio enormis (Wuchergeschäfte) sind sicherlich bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit beizuziehen und führen zu interessanten Ergebnissen.

    Übrigens bin ich der Meinung, dass man mit den Uniservern einfach in freundlichere Rechtsgefilde umzieht…

  14. Ein Aspekt der mir persönlich im Artikel und in der anschließenden Diskussion zu kurz kommt, ist das nahezu ausschließlich von Open Access gesprochen wird aber nie von Freien Inhalten. Open Access schön und gut – Facebook, Google – hat auch einen offen Zugang – Mehrwerte werden aber privatisiert und nicht an die Forschungsgemeinschaft oder gar die breite Gesellschaft zurückgegeben.
    Hin zu Freien Lehrmittel und Unterrichtsmaterialien, da müsste die Reise hingehen. Zu Publikationen die unter einer Freien Lizenz stehen. Aber da bekommen ja viele Akademiker immernoch Schnappatmung.

    1. Die Idee freier Lehrmittel und Unterrichtsmaterialien ist sehr wünschenswert. Und es wäre sicher auch zu begrüßen, wenn es so etwas wie ein „offenes Lehrbuch“ geben würde, an dem sich die Interessierten beteiligen können und welches sich „organisch“ weiter entwickelt.
      Das würde auch den Lehrenden einiges an Vorbereitung erleichtern, wenn es etwa gute verwendbare Materialien frei geben würde.

      Ich gebe hierbei folgendes zu bedenken:
      Eine Lehrveranstaltungen sollte ja eben keine „Vorlesung“ sein, sondern auch immer die Bedürfnisse der Studierenden aufgreifen. Auch muss es dem Lehrenden möglich sein eigene Schwerpunkte setzen zu dürfen. Zusätzlich ist die Einbeziehung aktueller Themen gewünscht. Berücksichtigt man all dies, so kann es passieren, dass das „offene Lehrbuch“ zu einem „Sammelsurium“ wird, welches in seiner Informationsfülle zu groß wird.
      Es muss einen/mehrere Verantwortlich geben, die die Richtigkeit der Beiträge kontrollieren und ggf. korrigieren. Diese Tätigkeit ist mit großem (zeitlichem) Aufwand verbunden und wird eine hauptberufliche Tätigkeit sein. Diese kann z.B. über zentrale (Bundes)Mittel finanziert werden.

  15. Ich finde die bisherige Diskussion sehr spannend und möchte auch etwas dazu beitragen. Wichtig ist mir zunächst, dass ich den Schutz geistigen Eigentums insbesondere in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung für sehr wichtig erachte. Allerdings empfinde ich die Rechteübertragung an Verlage insbesondere im Wissenschaftsbereich als schwierig, da ich damit ja auch mein geistiges Eigentum nicht mehr uneingeschränkt nutzen kann. Daneben erscheinen mir die immer strikteren Regeln der Verlage hinsichtlich Formatierung und Korrekturen in verschiedenen Phasen der Publikation als Auslagerung von Lektoratstätigkeit an den Autor, welches zusätzliche Einsparungen bei den Verlagen bedeutet. Daher sind Preiserhöhungen durch die Verlage noch weniger begründbar.
    Daher ist generelle Diskussion über die Zukunft wissenschaftlicher Veröffentlichungen sehr notwendig. Hierbei könnte das Beilstein Institut ein mögliches Vorbild sein, welches als Stiftung zwei Magazine mit Open-Access und kostenfreier Publikation ermöglicht. Die von der DFG als Publikationszuschuß gewährten Mittel können hier einen Grundstock für ein solches Modell bilden. Eine Voraussetzung ist hierbei, dass das bisherige peer-review System aufrecht erhalten wird.
    Zur Einzelmeldung:
    Die geplante Einzelmeldung, welche etwa 3 Minuten pro Quelle (das empfinde ich schon als sehr kurz) dauern soll, bedeutet betriebswirtschaftlich gesehen für die Hochschulen neben den Gebühren auch Arbeitszeit und damit Kosten (Für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter mit TVL-13 mit einem Bruttostundenlohn von etwa 88€ Kosten von 4,40€ PRO Meldung! Bei stud. Hilfskräften sind Kosten natürlich geringer, allerdings werden diese auch mehr als 3 Minuten je Meldung benötigen.)

    Zu „negative scientific data“:
    Ich bin der Meinung, dass es sinnvoll sein kann, auch über Forschung zu berichten, die nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht haben. Dies ermöglicht eine breite Diskussion über diese Forschung und kann zu neuen Fragestellungen und Forschungsansätzen führen.

    1. Zu „negative scientific data“:
      auch über Forschung zu berichten, die nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht haben. Dies ermöglicht eine breite Diskussion über diese Forschung..

      Genau das macht mir Sorgen. Man stelle sich nur mal vor, dass über gescheiterte Graphen-Forschung, umsonst ausgegebene Gelder für das CERN, Nebenwirkungen von Medikamenten, Plagiate in Doktorarbeiten und all den ganzen anderen Schmutz der sich angesammelt hat, frei und offen berichtet wird. Wie steht das deutsche Wissenschaftssystem dann da? Wie der größte Versager vermutlich.

  16. Die VG Wort verhält sich wie der Geisterfahrer aus dem alten Witz, der sich darüber empört, dass so viele Leute entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sind. Die Leidenschaft für Bürokratie und Verwaltung scheint bei den Verantwortlichen ja grenzenlos zu sein: eine seiten- und lesergenaue Abrechnung wäre nichts anderes als ein Schildbürgerstreich, der lediglich in einer verabsolutierten, verselbständigten Verwaltungssphäre in sich sinnvoll, aber von außen betrachtet völlig unsinnig wäre.

    1. Die Leidenschaft für Bürokratie und Verwaltung scheint bei den Verantwortlichen ja grenzenlos zu sein.

      Mein Eindruck ist, dass derzeit alle Seiten auf Krawall gebürstet sind und sich in einer Eskalationsspirale befinden. Ich glaube nicht so sehr, dass es um pro vs. Contra VG-Wort geht, sondern dass die alten Grenzen nicht mehr sichtbar sind und man sich nach einer klaren Freund/Feind Unterscheidung sehnt. Wo man also klar benennen kann, auf welcher Seite man steht und wen es kaputtzumachen gilt. Einerseits ist das traurig, weil ich immer dachte dass wir uns alle lieb haben, auf der anderen Seite ist das auch die Chance für einen Neuanfang.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.