Daten-Ungerechtigkeit: Pokémon Go spielt sich besser im Reichenviertel

Die Datensätze für Pokémon Go entstanden durch Personengruppen, die nicht einem gesellschaftlich repräsentativen Durchschnitt entsprechen. Foto: CC-BY-NC 2.0 NEPA Scene

Ein neuer Fall aus unserer beliebten Reihe „Wie Ungerechtigkeiten aus der analogen in die digitale Welt übertragen werden“ – heute: Pokémon Go.

Eike Kühl hat den Fall auf Grundlage einer Recherche des Miami Heralds auf Zeit Online beschrieben:

Die Pokéstops in Pokémon Go basieren auf den Portalen, die Niantic, der Entwickler des Spiels, bereits im Vorgänger Ingress nutzte. Vergleicht man wie der Miami Herald die Daten der Ingress-Portale mit der Verteilung von weißen, schwarzen und hispanischen Haushalten in US-Großstädten, wird sichtbar, dass in Städten wie New York, Miami oder Chicago in größtenteils von Afroamerikanern bewohnten (und somit statistisch gesehen häufig ärmeren) Vierteln weniger Portale stehen – und es somit dort auch weniger Pokéstops gibt.

Die Schieflage ist nicht absichtlich entstanden: Einerseits wurden für Pokémon Go Daten der Historical Marker Database und von Ingress übernommen. Beide Datensätze entstanden durch Personengruppen, die nicht einem gesellschaftlich repräsentativen Querschnitt entsprechen. Zusätzlich ist anzunehmen, dass in ärmeren Stadtvierteln städteplanerisch weniger Sehenswürdigkeiten zu finden sind. Oder diese von den Daten erhebenden Personengruppen nicht als solche erkannt wurden. Deswegen gibt es in weißen, reichen Wohnvierteln jetzt mehr Pokémons zu holen.

Eike Kühl fordert von Firmen wie Niantic, solche Ungleichheiten in der Planung von zukünftigen Spielen zu vermeiden.

Ein ähnliches Phänomen war zuletzt bei Amazon in den USA zu beobachten. Ärmere und meist von Schwarzen bewohnte Wohnviertel erhielten weniger oft die Option der „Am selben Tag“-Lieferung. Auch hier zeigte sich, wie existierende gesellschaftliche Spaltungen digital weitertransportiert werden können.

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31 Ergänzungen

  1. Das sind keine „Ungerechtigkeiten“. So funktioniert einfach das Prinzip von Angebot und Nachfrage, auch wenn einem das nicht so recht in die Gefühlswelt passen will. Beschweren wir uns demnächst darüber, dass in reicheren Gegenden bessere und mehr Läden zu finden sind? Klar, Pokestops kosten kein Geld; aber ich, im Gegensatz zu den Schreihanseln, denke nicht, dass ich das Gamedesign durchschaut und verstanden habe, und mir ein Urteil erlauben kann. Weiß denn die betroffene Frau Kühl, wovon sie da faselt?

    Eine echte Ungerechtigkeit ist hingegen, dass die künstlich „verbotenen“ Zonen im Spiel nur ärmere und sozial schwächere Spieler benachteiligen, nicht aber die reichen in guten Gegenden.

    Ich würde auch mal die NBA unter die Lupe nehmen, die diskriminieren weiße Sportler seit Jahrzehnten systematisch und lassen sie nicht in die Hall Of Fame. Ein Skandal.

    1. elle, ich vermute, du hast leider grundsätzlich nicht verstanden, um was es geht in diesem artikel. nämlich, dass eine gesellschaftliche schieflage vollkommen ohne not mit in ein SPIEL übernommen wird. hast Du überhaupt mal in die recherche des miami herald reingeschaut oder schreist du einfach laut auf, weil es irgendwie um gerechtigkeit, weiße und männer geht und dir die thematisierung prinzipiell nicht passt?

    2. Lesen Sie doch einfach erst den Artikel, bevor Sie kommentieren. Das versachlicht die Debatte in den Kommentaren ungemein.

      1. Ich habe den Kommentar gelesen und weiß bestens über die Problematik Bescheid. Besser als die Frau Kühl auf jeden Fall.

        Wahrscheinlich auch besser als du, deshalb wohl auch die passiv-aggressive, patzige Antwort.

        1. Sieht ja fast so aus, als würde deine heilige Wut vom Geschlecht des Zeit-Autoren herrühren. Da habe ich ein Medikament: Eike Kühl ist ein Herr Kühl.

          1. Ach Quatsch, Eike und Elke ist einfach schwer auseinander zu halten. Wirklich kein Grund, die Sexismus-Keule auszupacken. Gott, ich hasse dieses Blog.

      2. Zitat: „… dass in ärmeren Stadtvierteln städteplanerisch weniger Sehenswürdigkeiten zu finden sind. Oder diese von den Daten erhebenden Personengruppen nicht als solche erkannt wurden.“

        … die Verteilung liegt wohl eher daran, das nur wenige Nutzer der teuren Smartphones, in den ärmeren Vierteln zu Hause sind!
        … keine Geräte + keine Daten = keine Pokemon!

      3. Eigentlich die sachlichste und argumentativ beste Antwort hier.

        Das is äquivalent zu Headlines wie:
        „Apple rassistisch? Keine Apple Stores in schwarzen Vierteln!“
        „Samsung rassistisch? Neue Preiserhöhung grenzt systematisch finanziell Benachteiligte (Schwarze) aus!“

        Man kann es NIE allen recht machen und gerecht sein. Erst recht nicht, wenn man mit einem Produkt Geld verdienen will. Das ist wieder typischer #Aufschrei-Empörungsjournalismus, der sich für alles interessiert, nur nicht für Gründe und Ursachen der eigentlichen Problematik. Reine Symptombekämpfung, die selbe Ideologie wie VDS gegen Terror, Internetsperren gegen KiPo. Die Ungleichheit ist danach immer noch da, wir sperren/manipulieren nur die Daten wie es den SJWs ins moralische Ego passt.

    3. Halte nur ich die beiden Sätze: „Das sind keine „Ungerechtigkeiten“. So funktioniert einfach das Prinzip von Angebot und Nachfrage, …“ Für ein offensichtlichen Widerspruch in sich?

      Also wer den „Markt“, der nach Angebot und Nachfrage, funktioniert für in sich Gerecht hält, der muss aber mehrmals in der Micro I Vorlesung gewesen sein :-D.
      Das Prinzip Angebot und Nachfrage ist effizient, aber Gerecht … puh das sehen selbst viele der Philosophen anders, auf die sich der Wirtschaftsliberalismus gründet und bezieht.

      Zudem fällt mir kein Argument ein, warum bei einem digitalen Spiel, in dem sogar mehre Leute das selbe Pokemon fangen können und beliebig viele an Items gemeinsam partizipieren können, also es keine Ressourcenknappheit gibt, Angebot und Nachfrage ein relevanter Faktor sein sollte. Denn Angebot und Nachfrage als Verteilungsprinzip dient der effizienten Verteilung knapper Güter, dass ist hier aber nicht der Fall.

      1. Es gibt im Spiel eine Ressource, die von der Dichte der Spielergemeinschaft am jeweiligen Ort abhängt. Je höher die Nachfrage, desto größer das Angebot. Leuchtet ein, oder?

  2. Was ist die schlechtere PR?
    – „Mehrere reiche Jugendliche von Straßengang ausgeraubt, als sie in den Slums nach Pokemon gesucht hatten!“
    – „Mehrere arme Jugendliche beim Ausspionieren von Reichen Wohngegenden verhaftet, angeblich suchten sie nach diesen Pokemon!“

    … na also!

        1. „Da könnte so manch Irrer auf so „Lustige“ Ideen kommen!“

          Pokemonserver hacken/Event eintragen oder was weiß ich und ein seltenes Pokemon da spornen lassen, wo man will. Dazu kommen dann gleich ein paar hundert bis tausend Spieler dahin.

          Mit Menschenmassen lassen sich bestimmt noch viel „lustigere“ Dinge anstellen…

  3. Spiele kein Pokemon Go, aber so etwas ist interessant zu wissen.

    Vielen Dank für den Artikel und bitte noch mehr davon^^

  4. fakt: die dichte der portale in ingress hängt davon ab, wie viele spieler aktiv das spiel gespielt haben zu der zeit, als man portale einreichen konnte und, ob diese einreichungen auch genehmigt wurden. und spätestens an dieser stelle hat man das gefühl, diese einreichungen würden von affen bearbeitet. die erfolgsrate lag auch nur bei um die 30%. von daher ist es äußerst gewagt an dieser stelle einen zusammenhang herzustellen.

  5. Dieser Blog Eintrag verzerrt Eikes Artikel an einem kleinem aber wichtigem Punkt: Eike schreibt zu keinem Zeipunkt, dass er die ungleichmäßige Verteilung ungerecht finden!

    Er schreibt, dass die Verteilung von Pokemons ungleichmäßig ist und er beschreibt die (nachvollziehbaren) Gründe, warum es so ist. Anschließend fordert er, es nächstes Mal anders/besser zu machen, damit mehr Kunden an dem Produkt Spaß haben können. Von Ungerechtigkeit steht da nichts…

    1. Hast Recht. Habe im paraphrasierten Satz, im vorletzten Absatz, „Ungerechtigkeit“ durch „Ungleichheit“ ersetzt.

  6. Hmm, über was man sich nicht alles echauffieren kann. Gibt halt, wie schon im Artikel erwähnt, nicht gleichmäig verteilte Sehenswürdigkeiten.

    „Eike Kühl fordert von Firmen wie Niantic, solche Ungerechtigkeiten in der Planung von zukünftigen Spielen zu vermeiden.“
    Okay, und hat sie auch einen Vorschlg abgegeben wie das gehen soll?

    1. Einfach eine Pokemonquote einführen und alles wird gut.
      Hierzulande könnte dann durch die Ernennung einer Pokemonbeauftragten die korrekte Erfüllung derselben überwacht werden. Wo kämen wir auch hin, wenn sich eine amerikanische Spielebude nicht auch an deutsche Gesetze hält!

  7. Es geht darum, dass in Spielen sich nicht die selbe Ungleichheit widerspiegelt. Und klar, das geht indem man bei den zugrunde liegenden Daten aufpasst, dass sie entweder diverser gesammelt oder eben bereinigt werden.

    1. Gott bewahre, dass sich die Realität in Computerspielen wiederfindet.

      „Daten diverser sammeln“… also die Realität so verzerren, dass sie am Ende besser zum erwünschten Ergebnis passt?

      1. Es scheint mir leider sinnlos mit Dir weiter über die Reproduktion von Ungleichheiten, Rassismus, usw. in Computerspielen oder ähnlichem zu diskutieren, weil du die Implikationen daraus einfach nicht sehen willst. Dazu gehört eben auch, dass die Ungleichheit weiter zementiert wird, wenn man dies nicht wahrnimmt. Leider scheint es im Kommentarbereich dieses Blogs einige Leute zu geben, die genau das gutheißen. Ich frage mich dabei nur: Warum liest Du ein Medium, dass sich mit Grund- und Freiheitsrechten im digitalen Raum beschäftigt, wenn Du diese Rechte nur auf Dich selbst beziehst? Da musst du doch irgendwas falsch verstanden haben.

        1. „Warum liest Du ein Medium, dass sich mit Grund- und Freiheitsrechten im digitalen Raum beschäftigt, wenn Du diese Rechte nur auf Dich selbst beziehst?“

          Zunächst mal: Was hat das Gamedesign von Pokemon Go mit Grund- und Freiheitsrechten zu tun? Gibt es denn ein Grundrecht darauf, dass irgendjemand die Realität für ihn so verzerrt, dass er sich wohler fühlt? Wie fördert es die Freiheit?

          Dann beziehe ich diese Rechte nicht nur auf mich selbst. Ich bin ein extremer Verteidiger von Grund- und Freiheitsrechten, für alle und jeden. Ich fordere mehr Freiheiten als die Schreiber dieses Blogs hier es tun, bis an Anarchismus grenzend. Hier hört es bei der Redefreiheit ja schon wieder auf; wenn du die falsche Meinung hast, ist nix mehr mit Kampf für Freiheitsrechte.

          Aber ich bin auch ein extremer Gegner von Doppelmoral, Berufsbetroffenheit und insbesondere Realitätsverzerrung durch Affirmative Action.

  8. Sorry, richtig schlechter blogpost..
    Fast alle Portale wurden von Freiwilligen erstellt. Diese haben die Arbeit auf sich genommen möglichst viele meist Interessante Punkte in die virtuelle Ingress Welt zu übertragen um dort dann spielen zu können. Diese Funktion ist zwar zur Zeit deaktiviert, in den letzten Interviews war aber immer öfter die Rede, dass dies bald wieder aktiviert werden soll. Spätestens dann ist diese gesamte Ungerechtigkeits Diskussion hinfällig.
    Aber was soll diese Diskussion eigentlich? Eine Firma die gar nicht die Ressourcen haben kann Weltweit Fotos von Punkten zu erstellen die Schuld zuschieben.. Ergibt keinen Sinn.. Sind die Spieler diejenigen, die an der Ungerechtigkeit schuld sein sollen? Auch Schwachsinn.. Bleibt eigentlich nur ein großes Mimimi-Ungerechtigkeit-Schreien-damit-man-seinen-namen-liest als Erklärung übrig.. Und das wird hier weiter befördert…

    PS: ich wohne in nem kleinen Kaff wo anfangs keine portale waren und dank paar Spielern hier mittlerweile zumindest ein wenig spielen möglich ist. Zum leveln aber zu wenig, da fährt man dann halt dorthin wo viele Portale sind, in die Städte!
    UNGERECHTIGKEIT, DAS DARF NICHT SEIN, NIANTIC MUSS SICH WAS ÜBERLEGEN DAMIT DIE UNGERECHTIGKEIT NICHT IN DER VIRTUELLEN WELT ÜBERNOMMEN WIRD

  9. Die Verteilung der Pokestops dürfte allerdings einen sehr guten gesellschaftlich repräsentativen Schnitt derer widerspiegeln, die sich die „Arbeit“ gemacht haben, Ingress zu spielen und dort Portale zu erstellen.
    Irgendwelche „Forderungen“ dahingehend zu stellen klingt für mich so sinnvoll, wie die geringe Humansiedlungsdichte auf dem Meeresboden oder den Paygap zwischen Halbtagsputzkräften und Bohrinselarbeitern zu lamentieren.

  10. Der Grund, warum sich hier manche so echauffieren, dürfte wohl hoffentlich hauptsächlich an Pokémon Go liegen, das sicherlich jede Häme der Welt verdient hat (oder auch nicht, whatever). Dabei ist es echt ein schönes Beispiel von „Wie Ungerechtigkeiten aus der analogen in die digitale Welt übertragen werden“, wie das Markus Reuter treffend zusammenfasst. Im Gegensatz zu Pokémon Go ist Ingress nur von einer kleinen Info-Elite genutzt worden, dadurch ist die Verteilung der Portale biased. Abgesehen davon, dass es für den Spielehersteller schön ist, dass die fleissige Ingress-Horde die ganze Arbeit ganz umsonst erledigt hat, ist diese Ungleichverteilung bei Pokémon Go natürlich eher egal, aber das gleiche Prinzip ist ja an allen Ecken und Enden zu beobachten – bei weitem nicht nur im erwähnten Amazon-Same-Day-Lieferung-Beispiel. Irgendwoher kommen irgenwelche crowdsourced-Trainingsdaten für irgendwelche Machine-Learning-Modelle (mit oder ohne Wissen der Contributors generiert) und die sind dann angeblich objektiv. Nicht.

  11. Ok, Amazon liefert nicht täglich direkt in eine Bezirke. Das mag ungerecht sein, aber die wichtigere fräge wäre: warum macht Amazon das so? Bestimmt nicht weil sie auf Geld verzichten würden. Könnte es sein das es an den Umfeld dort liegt und die – vielleicht auch nur gefühlte – Gefahr da zu hoch ist? Und dann ist Amazon schuld? Wäre das nicht eher ein Problem der politik?

    Ansonsten darf jeder der das anders sieht mal bei Nacht in bestimmten Straßen diverser Städte spazieren gehen, natürlich allein, Begleitung kommt dann mit etwas Pech von allein dazu…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.