Bundeswehr im Cyber-Traum: Böses Erwachen im Verteidigungsausschuss am Montag?

Ursula von der Cybern. (CC BY-SA 2.0 by Global Panorama/flickr)

Neben Land, Luft, See und Weltraum ist inzwischen auch der „Cyber-Raum“ ein Operationsraum der Bundeswehr, in dem man nur mit „Cyber-Waffen“ bestehen könne – „offensive Cyber-Fähigkeiten“ mit eingeschlossen. Ob der Einsatz der Bundeswehr im Internet überhaupt rechtlich zulässig und ethisch vertretbar ist, bleibt umstritten – und Thema im Verteidigungsaussschuss am kommenden Montag. Dessen Fragenkatalog an die Sachverständigen liegt uns vor und spricht die kritischen Punkte zumindest an. Eine Anmeldung zur öffentlichen Sitzung ist nur noch heute möglich, wir werden vor Ort sein und bringen einen Cyber-Zähler mit.

Bundeswehr im Internet

Wenige Stunden vor dem Landesverratsbrief vom Generalbundesanwalt a. D. haben wir die „Strategische Leitlinie Cyber-Verteidigung“ veröffentlicht und kommentiert. Der Verteidigungsausschuss selbst erfuhr von dieser Leitlinie erst aus den Medien. In der von Ursula von der Leyen „erlassenen“ Richtlinie findet sich nicht nur 137 Mal das unsägliche Wort „Cyber“, sondern auch die Definition des Internets als Kriegsschauplatz, Forderungen nach noch mehr Geld, das Erfordernis eines militärischen Lagebildes und nicht vom Grundgesetz gedeckte „Offensive Cyber-Fähigkeiten“.

Klärungsbedarf für die Sachverständigen

Damit gibt es eine große Zahl (völker-)rechtlicher Probleme, die die Verantwortlichen bisher ignorieren. Daher sollen am Montag nun sieben Sachverständige Antworten auf „verfassungs-, völker- und sonstige nationale und internationale rechtliche Fragen“ geben. Zudem wollen auch „ethische Aspekte im Zusammenhang mit Cyberwarfare“ behandelt werden.

  • Katrin Suder vom Bundesministerium der Verteidigung
  • Thomas Kremer, Deutsche Telekom AG, Vorstand für Datenschutz, Recht und Compliance
  • Thomas Rid, King’s College London, Professor „Security Studies“
  • Staatssekretär Klaus Vitt, Bundesministerium des Innern und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik (bekannt u. a. durch seine Forderung einer VDS-Ausweitung)
  • Gabi Rodosek, Universität der Bundeswehr München, Lehrstuhl für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit
  • Marcel Dickow, Stiftung Wissenschaft und Politik, Forschungsgruppenleiter „Sicherheitspolitik“
  • Michael Bothe, Professor em. für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht

Fragen an die Sachverständigen

Die Fragen an die Sachverständigen sprechen die kritischen Punkte an: Wo liegt die Grenze zwischen Verteidigung und Angriff (rechtlich und technisch), wo zwischen Inland und Ausland im Netz? Wie steht es um Parlamentsbeteiligung, Einsätze im Inneren und konventionelle Gegenschläge auf Angriffe im Netz? Wann kommt es zum NATO-Bündnisfall? Die Rede ist zudem von der Gefahr eines „elektronischen Rüstungswettlaufs“.

Zu klären ist außerdem die Präzision der „Cyber-Wirkmittel“ und, ob vor ihrem Einsatz alle Folgen berücksichtigt werden können. Auch der Abschnitt „Praktische Umsetzung“ ist interessant: Hat die deutsche Wirtschaft Nachholbedarf bei „verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien“? Wo ist man auf Importe von IT-Technik angewiesen, welche Hersteller sind führend? Wie ist die Lage bei der Nachwuchsgewinnung, auch beim noch nur teilstaatlichen BWI?

Wir sind gespannt auf die Antworten und werden von der Ausschusssitzung berichten!

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19 Ergänzungen

  1. „Neben Land, Luft, See und Weltraum ist inzwischen auch der „Cyber-Raum“ ein Operationsraum der Bundeswehr“ Und wie bei Land, Luft, See (GPS) – und Weltraum … Spässle gmacht? – implodiert die deutsche BW auch im Cyberraum, sobald die Amis den Stecker ziehen. Leider hat sich das mit EU ja inzwischen dank der Regierung erledigt.

  2. Hm, ja, das mit den offensiven Fähigkeiten… wird ja gerne mit Angriffskrieg gleichgesetzt.

    Auch ein Gewehr ist eine potenziell offensive Waffe, und die Einführung von Gewehren bei der Bundeswehr bedeutete ebenfalls noch nicht die Vorbereitung eines Angriffskriegs.

    Ich bin ja auch gespannt auf die Anhörung, allerdings geht es nicht nur um Netzpolitik, sondern um militärische Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte. Nur als Anmerkung.

    1. Deshalb werden ja „Vorwärtsverteidigungen“ und „Verteidigungen am Hindukusch“ erfunden.
      Was muß man rauchen um (sich) solchen Müll zu glauben?

  3. Können wir mal kollektiv “Cyber“ zum netzpolitischen Unwort des Jahres wählen? Oder besser gleich des Jahrzehnts…

  4. Das Papier scheint von der Lobby diktiert, denn es geht von falschen Voraussetzungen aus, um die Strategie (und Investition) zu begründe: Die angeblich zu schützende Infrastruktur, die für die Einwohner des Landes tatsächlich überlebenswichtig sind, befinden sich in Privathand. Ein präventiver Schutz würde bedeuten, dass das Heer die IT-Systeme der Privatindustrie erheblich unterwandern müsste. Denn wesentlich sind folgende Infrastrukturen:

    Telekommunikationswege (teilweise auch im Inland von weltweit operierenden Unternehmen betrieben; zu deutsch: die Betreiber könnten sogar die genannten Gegner sein oder in die Hand von Gegnern arbeiten) -> Damit Wirkung auf alle nachfolgenden Bereiche:

    Verkehrsinfrastruktur (Straße ist relativ problemlos, solange Spritverkauf läuft (s. Handel); Bahn und Flugverkehr hängt am Internet; zumindest die DB ist noch vom Staat gelenkt)

    Handel (Geldtransfers liegen bei privaten Banken und Dienstleistern für elektronische Kassensysteme; Warentransfer wird von den Handelsbetrieben übers Netz mit eigener Technik abgewickelt; Bargeldverkehr geht faktisch nur noch in eine Richtung: Geldautomat – Handel – zurück zur Bank. Da die Geldausgabe über Automaten erfolgt und die Verbindung zum bargeldlosen Konto nur über Netz erfolgt, ist bei Störung der Netzwerke oder zentralen Systeme der Geld- und Warentausch unterbrochen. Plünderungen und Schwarzmarkt usw. sind nur eine Frage von Stunden nach flächendeckendem Ausfall)

    Telefonie (IP-Telefonie hängt von der Netzwerkverfügbarkeit ab; Telefonie und Datentransfer liegt inzwischen die gleiche Infrastruktur zu Grunde; bedeutet: auch beim Ausfall der Datenübertragung ist keine Alternative über persönliche Kommunikation möglich; der Handel kann z.B. auch nicht Waren per Telefon ordern)

    Energieversorgung (private Unternehmen sind das Eine; die Einbindung regenerativer Energiequellen ist nur möglich, solange die Teilnehmer im Netzwerk erreichbar und steuerbar sind; fällt die Kommunikation aus, schalten sich die Systeme vermutlich vom Netz; Energiehandel und Steuerung der Übertragungsstrecken sind ebenfalls betroffen und ebenso in Privathand

    Gebäudetechnik (grundsätzlicher Ausfall aller Systeme bei Stromausfall (bis
    auf Kaltwasser); mit zunehmendem Einsatz von intelligenten Stromzählern (in Deutschland noch nicht üblich) kann schon der fehlende Datenaustausch zu lokalen Problemen führen, für die keine Servicetechniker in Masse verfügbar sind, die die Systeme flächendeckend kurzfristig brücken könnten (zukünftiges Problem))

    Ich höre mal an der Stelle auf, weiter darüber nachzudenken. Wir sind angreifbar, wie noch nie in der Geschichte! Jedoch bezweifle ich ernsthaft, dass hier das Heer irgend einen stabilisierenden Einfluß im Krisenfall übernehmen können. Einfach deshalb, weil sie überhaupt keinen Zutritt zu diesen entscheidenden Systemen besitzen oder in Zukunft bekommen.

    Das ganze kann also nur ein Lobbyangriff zur Versenkung von Steuergeldern sein!

  5. @ horst kevin.
    Bei der Verteidigung am Hindukusch gebe ich Ihnen recht. Die vorwärtsverteidigung zu Zeiten des kalten Krieges war aber meiner Ansicht nach legitim.
    Im §32 StGB, also der Notwehr, steht ja auch etwas von einem gegenwärtigem Angriff, gegen den man sich verteidigen darf. Gegenwärtig schließt „unmittelbar bevorstehend“ mit ein! Also ist der präventive Angriff als Verteidigung durchaus zulässig! ;-)

    1. Du meinst so unmittelbar bevorstehend, wie der Angriff durch Jugoslawien, den Sudan, Mali, Syrien….

      1. Jugoslawien gibt es nicht mehr.Das hat sich schon zu Ende Vorwärtsverteidigt.
        Kann man sich nicht gegen Bayern Vorwärtsverteidigen,die sind so aggressiv.
        Prophylaxtisch wird gerade in Sachsen /SachsenAnhalt vorwärts gegen unbewaffnete Flüchtlinge verteidigt,ist sicherlich ebenfalls durch den Notwehrparagraphen gedeckt,denn die Flüchtlinge könnten sich ja in naher Zukunft auch bewaffnen.
        Weiter so Deutschland,Vorwärtsverteidigung immer Rückwärtsverteidigung nimmer.

      2. Das hat genau was mit der Strategie im Falle eines militaerischen Konflikts zwischen NATO und Warschauer Pakt in Europa zu tun?

  6. „…offensive Cyber-Fähigkeiten“ mit eingeschlossen. …Auch der Abschnitt „Praktische Umsetzung“ ist interessant: Hat die deutsche Wirtschaft Nachholbedarf bei „verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien“?“

    Eine Schlüsseltechnologie zum Angriff bereitet der Staat gerade vor: Der Firmwarespeicher(Flash) von Heim-Routern muss laut USA/EU-Kommisions-Anweisung für den Router-Besitzer gesperrt werden.
    *WTF*
    Auf so einen, besonders schlechten, Paragraphen-Scherz hat die Welt gewartet.

    1. Wenn Du einen offensiven Einsatz der Bundeswehr im Innland gegen Dich befuechtest, kannst Du ganz beruhigt davon ausgehen, dass es ganz sicher nicht via Internet ueber Deinen Router erfolgen wuerde…

  7. Die Bundeswehr muss in erster Linie die US-Truppen auf deutschem Boden schützen, denn Deutschland ist der Brückenkopf nach Eurasien – aus amerikanischer Sicht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.