Bericht zum digitalen Fortschritt der EU: Deutschland schwächelt weiterhin bei E-Government und Glasfaser

Ende April forderte Sigmar Gabriel, Deutschland solle bis 2025 die beste digitale Infrastruktur der Welt aufbauen. Der aktuelle EU-Report zum Status der digitalen Entwicklung in Europa lässt die Erfolgsaussichten seiner Pläne höchst zweifelhaft erscheinen.

Quelle: EU-Kommission

Die EU-Kommission hat gestern ihren jährlichen European Digital Progress Report (EDPR) veröffentlicht. Deutschland schneidet in der Erhebung zwar insgesamt nicht schlecht ab, offenbart aber teils erhebliche Defizite im Bereich E-Government und beim Ausbau von Glasfasernetzen.

Der Bericht kombiniert einen Index zur Entwicklung der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft mit länderspezifischen Hintergründen und politischen Vorhaben. Seit 2009 vergleicht die Kommission so den Fortschritt der EU-Mitgliedsstaaten entlang der Kategorien Konnektivität, Humanressourcen, Internetnutzung, Integration der Digitaltechnik und digitale öffentliche Dienste.

Die Positionierung der Länder, die nach dem Digital Economy and Society Index (DESI) errechnet wurde, lässt sich in einer Vielzahl von Schaubildern nachvollziehen.

Insgesamt verbessert sich die Bundesrepublik beim Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz auf Position neun von 28. Der EU-Report zählt Deutschland außerdem zur „Gruppe der progressiven Länder“, deren Digitalisierung stärker voranschreitet als die der anderen EU-Staaten. Wie auch Österreich, Malta, Portugal, Niederlande und Estland erzielte Deutschland in der Erhebung überdurchschnittliche Werte.

EU-Kommission rügt Deutschland erneut

Grund zum Feiern besteht allerdings nicht. Zwar bewertet die EU die Breitbandversorgung als solide, da sie selbst 93 Prozent der ländlichen Haushalt deckt. Allerdings bezeichnet die EU-Kommission bereits Leitungen mit Übertragungsgeschwindigkeiten von mageren zwei Megabit pro Sekunde als Breitbandverbindungen. Die positive Bewertung in der Kategorie Konnektivität wirkt auch angesichts der Zahlen zum europäischen Vergleich bei der Bereitstellung schneller Internetverbindungen via Glasfaser leicht idealisiert. Der Marktanteil der zukunftsträchtigen FTTH- (Fiber to the home) und FTTB-Technologie (Fiber to the building) liegt in Deutschland bei dürftigen 1,8 Prozent und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 18,7 Prozent.

In dem Report der EU-Kommission heißt es, deutsche Netzbetreiber hätten zwar in den letzten Jahren ihre Kupfer- und Koaxialnetze modernisiert, die bei DSL- oder Kabelanschlüssen zum Einsatz kommen. Für ultraschnelle Netzwerke seien aber Glasfaserleitungen notwendig, die Unternehmen und Haushalte bis zu den Grundstücken mit schnellem Netzzugang versorgen. Damit kritisiert die Kommission abermals die Pläne der Telekom Deutschland, die auch in Zukunft auf Kupferleitungen für die Verbindung zwischen Verteiler und Endverbraucher setzen will.

Quelle CC BY-ND 2.0
Deutschland und Glasfaser wollen einfach keine Freunde werden.
(Bild: flickr Lizenz: CC BY-ND 2.0)

Bereits Anfang des Monats hatte sich die EU-Kommission kritisch gegenüber der Entscheidung der Bundesnetzagentur geäußert. Diese will der Telekom beinahe exklusiv den Zugriff auf den Nahbereich rund um die Hauptverteiler gewähren. Mit der sogenannten Vectoring-Technologie können zwar auf kurze Sicht schnellere Verbindungen erreicht werden. Die EU-Kommission monierte allerdings mögliche negative Auswirkungen auf den Wettbewerb sowie auf den nachhaltigen Ausbau zukunftsfester Glasfasernetze.

Die anderen EU-Länder scheinen den Wert von Glasfaser erkannt zu haben, wo die Technologie durchschnittliche Marktanteile von fast 20 Prozent erreicht. Die größte Volkswirtschaft Europas tut sich hingegen schwer damit, die Telekom in die Schranken zu weisen und den Wettbewerb um den Leitungsausbau angemessen zu regulieren. Denn die historisch bedingte und nach wie vor signifikante Marktmacht des Unternehmens ist maßgeblich verantwortlich für den miserablen Marktanteil von Glasfaser in Deutschland.

Bei der Telekom hofft man inständig auf eine Billigung aus Brüssel für den Beschluss der Bundesnetzagentur. „Wenn die Genehmigung aus Brüssel für Vectoring kommt, kann allein die Telekom 90 Prozent der Menschen mit schnellem Internet versorgen“, so Telekom-Chef Höttges. Ein so hoher Anteil eines einzelnen Unternehmens bei der Bereitstellung von Netzinfrastruktur wird der Innovation im Leitungsausbau sicher nicht zuträglich sein. Zumal die Telekom auf eine nur bedingt zukunftsfähige Technologie zurückgreifen will.

Angesichts dieser Entwicklung klingen die Pläne Sigmar Gabriels, bis „spätestens 2025 mit Gigabitnetzen die beste digitale Infrastruktur der Welt zu haben“, sehr ambitioniert.

Quelle: EU, DESI
Das Angebot digitaler öffentlicher Dienste ist ausbaufähig. Quelle: EU-Kommission

Online zum Amt? Nicht in Deutschland

Die mangelhafte Verfügbarkeit von E-Goverment-Angeboten, wie beispielsweise Online-Behördengängen, ist eine weitere Schwachstelle der Bundesrepublik. Bei der Bewertung digitaler öffentlicher Dienste landet Deutschland auf Platz 18. Das liegt weniger an mangelnden „digital skills“ der Deutschen.

Laut EU besitzen 66 Prozent mindestens ausreichende Grundkenntnisse. Allerdings werden diese nur von 19 Prozent der Deutschen für die Interaktion mit Behörden genutzt, was Rang 23 in dieser Kategorie bedeutet. Die EU-Kommission plädiert für einen Ausbau der Angebote öffentlicher Dienste.

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