Amazon: Transparente Kunden – intransparente Mechanismen

Durch Big Data werden personalisierte Preise möglich. Ob das jedoch auch den Verbrauchern zu Gute kommt, bleibt fraglich. Währenddessen führen undurchsichtige Methoden bei Amazon zum Ruin von kleinen Onlinehändlern.

Eine Amazon-Fulfillment Zentrale raymondclarkeimages [CC BY-NC 2.0]

Big Data ermöglicht es Verkäufern, jedem Kunden den Preis anzubieten, den er anhand seiner Daten maximal zu zahlen bereit scheint. Sicher ist, dass Unternehmen mit Hilfe der individuellen Maximalpreise Gewinne einfahren. Ob auch Verbraucher von diesem Schema profitieren – zum Beispiel durch niedrigere Preisgestaltung bei weniger zahlungskräftigen Kunden – bleibt fraglich. Die Praktiken der personalisierten Preisgestaltung sind intransparent und nur schwer nachweisbar.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat hierzu ein Diskussionspapier (pdf) veröffentlicht, in dem es Anforderungen an die personalisierte Preissetzung stellt. Er fordert, dass Verbraucher in die Nutzung ihrer Daten einwilligen müssen und die verwendeten Daten offengelegt werden. Auch dürfen Verbraucher, die der Verwendung ihrer Daten nicht zustimmen, nicht von der jeweiligen Plattform ausgeschlossen werden. Außerdem soll ausgewiesen werden, wo Preise an den Nutzer angepasst werden – es darf keine Ungleichbehandlung bestimmter Bevölkerungsgruppen stattfinden. In sensiblen Bereichen der Gesellschaft und der Wirtschaft, wie beispielsweise im Versicherungswesen, sollen personalisierte Preise verboten werden, um zu verhindern, dass Notlagen ausgenutzt werden.

Wie sehr personalisierte Preise auch Unternehmen schaden können, zeigt eine Recherche von ProPublica beim Internetriesen Amazon. Den Autoren fiel auf, dass fast ausschließlich Produkte von Amazon selbst oder Produkte von Firmen, die Amazon hierfür Geld zahlen, in der „Buy Box“ zu sehen waren, obwohl billigere Angebote existierten.

Beispiel einer Buy Box Screenshot: amazon.de
Beispiel einer „Buy Box“
Screenshot: amazon.de

Die Buy Box ist eine Liste an alternativen Verkäufern, welche am rechten Bildschirmrand auftaucht, wenn man ein Produkt genauer betrachtet. Kauft man immer die vom Algorithmus vorgeschlagenen Produkte, muss man tiefer in die Tasche greifen: Bei einer Liste von 250 Produkten würde der Käufer 20 Prozent mehr zahlen, wenn er aus der „Buy Box“ kaufen würde, als wenn er jeweils das billigste Produkt kaufen würde.

Um eher in der „Buy Box“ aufgeführt zu werden, beauftragen viele Verkäufer Amazon mit Lagerung und Versand ihrer Ware und nehmen so am „Versand durch Amazon“-Programm teil – „Fulfilled by Amazon“. Die Gebühren, die hierfür anfallen, können zwischen 10 bis 20 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Schafft es ein Verkäufer nicht in die „Buy Box“, landet er auf einer Liste anderer Verkäufer, die laut Amazon nach Preisen inklusive Versand sortiert ist. Jedoch werden Versandkosten für „Versand durch Amazon“-Produkte und Produkte von Amazon selbst nicht eingerechnet, wodurch diese Produkte oben im Ranking erscheinen. Klickt man diese in den Einkaufswagen und schreitet im Bestellprozess voran, werden die Versandkosten automatisch dazuaddiert. Der Preis steigt dementsprechend und liegt am Ende meist über dem des billigsten Anbieters ohne Versandkosten, welcher nicht Teil der Amazon-Masche ist. Der Amazon-Algorithmus bevorzugt seine eigenen Produkte und die seiner zahlenden Kunden aus dem „Versand durch Amazon“-Programm. Unternehmen, die daran nicht teilnehmen, haben Probleme zu konkurrieren.

Einzige Hoffnung bleibt, dass Amazon durch Unternehmen wie Walmart Konkurrenz im Onlinegeschäft bekommt und somit kleinen Onlinehändlern bessere Konditionen bieten muss.

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24 Ergänzungen

  1. Wenn ein Unternehmen Steuerhinterziehung im großen Stil betreibt und seine Mitarbeiter schlecht behandelt und ausbeutet, der darf sich nicht wundern, wenn er auch als Kunde beschissen wird.

  2. Ich bestelle die meisten meiner Bücher inzwischen direkt bei den jeweiligen Verlagen oder kaufe sie beim lokalen Buchhandel. Amazon verwende ich inzwischen so selten, dass ich mich gar nicht mehr an meine letzte Bestellung dort erinnern kann.

    1. Und ich habe überhaupt noch nie bei diesem unseriösen Unternehmen gekauft. Selbst wenn deren Angebot tatsächlich das billigste sein sollte, fiele mir das im Traum nicht ein. Geiz ist für mich nicht geil, sondern eher ekelhaft.

      1. @skinnie
        Ich gehe mit Ihnen Daccord!
        Wer Arbeitnehmer in der Hitze der Werkshallen lieber kollabieren lässt und Sie mit der Ambulanz in die Klinik entsorgt ,weil es so für den Arbeitgeber billiger ist, als eine Klimaanlage einbauen zu lassen,der hat nichts mit einem seriösen Arbeitgeber zu tun.
        Wer solche Drecksfirmen unterstützt,weil er 3 cent möglicherweise sparen kann,ist für mich moralisch auf dem gleichen Level.

    2. Stimmt. Lokale Buchläden haben die gewünschte Ware größtenteils ebenso nach einem Tag zur Abholung bereit! Das ist mindestens genau so schnell wie Amazon, wenn nicht noch schneller, weil die Amazon-Sendung bei Abwesenheit auf dem Postamt landen kann. Und dort darf man erst mal anstehen, weil die Schalter chronisch unterbesetzt sind …

    3. Bücher unterliegen der Buchpreisbindung und kosten überall gleich. Die Buchpreisbindung ist für den Kunden reine Abzocke. Im Endeffekt ist das wie Preisabsprachen durch Kartelle, die sonst überall verboten sind. Der Buchmarkt wird von Weltbild und Thalia dominiert. Leider sind deren Verkaufsstrategien nicht gerade gut für kleine Verlage. Die Verlage müssen z.B. den Platz auf den Präsentiertischen in den Gängen und vor den Regalen bezahlen, was sich kleine Verlage nicht leisten können. Wenn du also tatsächlich politisch korrekt Kaufen willst, solltest du von Büchern besser die Finger lassen, und ganz verzichten. Wenn das allerdings jeder macht, gibt es keine Bücher mehr. Die Antwort auf ein dysfunktionales System, das von der Nachfrage abhängig ist, kann nicht die Einstellung der Nachfrage sein. Anders gesagt, die Strategie „einfach nicht kaufen und gut ist“, wie man oft in Foren liest, funktioniert selten und bringt uns nicht weiter.

  3. „Einzige Hoffnung bleibt, dass Amazon durch Unternehmen wie Walmart Konkurrenz im Onlinegeschäft bekommt“
    Mit dem abschließenden Satz klingt der Artikel wie aus dem Englischen abgeschrieben… Wie soll der in Deutschland unbekannte Walmart in absehbarer Zeit eine Alternative zu Amazon werden?

    1. @loh
      „Wie soll der in Deutschland unbekannte Walmart in absehbarer Zeit eine Alternative zu Amazon werden?“

      Wal Mart ist zwar der größte private Arbeitgeber der Welt mit über 2 Millionen Beschäftigten und mit einem Umsatzvolumen von knapp 500 Milliarden US Dollar ,auch das umsatzstärkste Unternehmen der Welt ,dennoch ist es für Sie ein Unbekannter,gut das Sie kein Spezialist für Unternehmenskunde sind.

      Heuern Sie bei der FDP an ,die hatte schon einmal so eine versierte Wirtschaftsexpertin,die hieß Frau EX Dr. Koch Mehrin .

      1. Handelsblatt: Wal-Mart: Mission impossible, Für das Scheitern der Amerikaner in Deutschland gibt es so viele Gründe, wie Wal-Mart-Manager in Deutschland verheizt wurden.
        Spiegel: Wal-Mart in Deutschland: Chronologie eines Scheiterns
        Wikipedia: Der Konzern machte in Deutschland ausschließlich Verluste; insgesamt geschätzte 3 Mrd. Euro. Die Firma Walmart Germany wurde am 4. April 2007 aus dem Handelsregister gelöscht.

        Seit Ende 2006 gehören die ehemaligen Wertkauf-Tempel zu Metro/Real.

        1. Das sich Unternehmenskulturen und Geschäftsmodelle nicht immer auf andere Länder ad hoc sich übertragen lassen,das gibt es öfters und dürfte jedem Management bekannt sein.
          Ebay z.B bekommt in der Schweiz kein Bein an Land,der Platzhirsch ist dort Ricardo.
          Ein neuer Markt ist selbst für ein erfolgreiches Unternehmen wie Wal Mart ohne Erfolgsgarantie,es ist aber auch nicht sicher, dass Wal Mart auf dem neuen Markt scheitern muss,wenn Sie Diversifizieren ,ein bisschen Intelligenz müssen Sie schon mitbringen, um zu reüssieren.“Try and Error“ gilt auch hier.
          Wenn ihnen der Kuchen groß genug erscheint,werden sie eine Scheibe abhaben wollen.

  4. Das ist ganz schön kompiziert, kaufe lieber im Fachhandel – meistens gleiche Preise und manchmal günstiger, auf jeden Fall schneller und mit Möglichkeit zum Ausprobieren/Anschauen.

  5. Amazons Marketplace hat uns beinahe das Genick gebrochen. Alle Verkäufe werden getrackt und lukrative Produkte künftig von ihnen selber verkauft – manche sogar selber produziert. Somit bricht mit einem Schlag der komplette Umsatz weg und die Artikel werden Lagerleichen, bzw können nur noch zur Schadensbegrenzung abgestoßen werden. Das ist Suizid auf Raten, ich kann aus Erfahrung nur davon abraten! Ein anderer Nebeneffekt waren pfiffige Kunden, die sich direkt an uns gewandt haben, mit der Bitte, den gewünschten Artikel doch 10% günstiger zu verkaufen. Die müssen wir ja schließlich eh an Amazon bezahlen, und er kaufe sich den sonst dort und bewertet uns noch schlecht…

  6. Kein Problem, Schaden feststellen -1000 Milliarden Strafe, Lizenzentzug. Microsoft, Google, Apple, Facebook, level3, CSC, Cloudflare, Akamai usw, bitte überprüfen.

  7. Tja, ich kaufe immer noch ger bei amazon.de.

    Warum? Weil ich bei vielen Fachgeschäften immer wieder Schwierigkeiten hatte, Gewährleistungsansprüche, so zum Beispiel bei Media Markt. Bei amazon.de bin ich immer kulant behandelt worden, auch wenn ich häufig nur die Marketplace-Angebote kaufe.

    Ich benutze auch einen Kindle, der immer offline ist und von mir mit Inhalten von Dritten Anbietern versehen wird. Aber amazon hat mit dem Kindle den Durchbruch von elektronischen Büchern erreicht – sicherlich auf Kosten von Verlegern. Aber manche Autoren sind froh über amazon, weil sie den Zwischenhändler Verleger nicht mehr brauchen.

    Ist die Marktmacht von amazon mittlerweile bedenklich? Sind die Arbeitsbedingungen furchtbar. Ja! Aber wo in der industriellen Fertigung nicht? Wer hier hat alles ein Fairphone, wer ein iPhone?

  8. Verstehe ich nicht. Wie soll der von der Verbraucherzentrale veröffentliche Vorschlag bitte in der Praxis aussehen?

    Keiner darf ausgeschlossen werden, es muss also einen „Standardpreis“ geben für Leute, die nicht bereit sind ihre Daten offenzulegen. Mache ich bei den personalisierten Preisen mit, werde ich meinen Preis natürlich mit dem Standardpreis vergleichen. Liegt mein personalisierten Preis darunter, schön. Aber liegt er drüber, gehe ich doch für den Einkauf lieber in die Anonymität zurück und zahle den Standardpreis.

    Damit wird der Standardpreis automatisch zur Obergrenze, was dazu führt, dass systematisch alle Leute benachteiligt werden, die nicht bereit sind ihre Daten offenzulegen.

    Also ich weis nicht…hört sich für mich nicht sehr verlockend an…

  9. Stoppt doch bitte mal die ewige Bevormundung durch die sogenannten „Verbraucherzentralen“. Ich weiß nicht warum deren Geschwätz immer so unreflektiert wiedergegeben wird. Denn diese gehen in der Regel von einem dummen unmündigen Dummkopf statt von einem mündigen Bürger aus. Amazon hat im weder im Handel allgemein noch im Online Handel im speziellen ein Monopol. Also kann ich als Verbraucher bei jedem Preis – egal ob Standardpreis oder individuell berechnet – die Suchmaschine meiner Wahl bemühen und diesen eigenverantwortlich(!) Vergleichen und dann selbstständig (!) eine Kaufentscheidung treffen.

    1. Nur muss man sich dabei mal fragen ob das noch gewöhnlicher Handel oder schon Börse ist, was Amazon da im Netz betreibt.

      Genau die geschilderten Wettbewerbsverzerrungen werden an Warenbörsen nämlich durch zig Gesetze, standardisierte Kontrakte, genormte Lieferbedindungen etc unterbunden.

      Warum nun sollte der Einzelhändler resp Endkunde weniger Anspruch auf Markttransparenz, freien Wettbewerb und open outcry haben als Großanbieter resp. Verarbeiter ihn bei Rohstoffen und Halbfertigprodukten seit Jahr und Tag genießen?

  10. Ich weiß nicht was ihr alle habt … wir kaufen unsere Ethernetkabel in der Kabelscheune, einiges auf Amazonien … manches beim Restpostenhändler wie Pollin … oder auch bei einem anderen Anbieter!
    … ist zumeist eine Frage von Garantie/Gewährleistungszeiten und dem Leumund …
    Das viele auf Amazonien schwören liegt vorrangig daran, das für Kleinteile um Zweifuffzig keine Transportkosten anfallen … und dass das Prime Angebot (incl. Video), eine verdammt böse Kopplung ist!

  11. Einfach boykottieren. Die machen nur unsere Inlandswirtschaft kaputt und werden uns mit genmanipuliertem Globalfood beliefern und jeden Einzelhandel zerlegen, wenn ihr weiter bei der Bude bestellt.

    Kauft Deutsche Waren bei Deutschen Händlern. Das stärkt die Binnenwirtschaft und reduziert die furchtbaren Umwelteinflüsse für Ozeane und etliche Landstriche, in denen ärmste Bevölkerungsschichten ausgebeutet werden, nur damit wir fett bleiben!

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