Amazon startet Portal für (offene) Lernunterlagen und US-Bildungsministerium fordert: #GoOpen

Binnen zwei Tagen haben der größte Online-Versandhändler Amazon und das US-Bildungsministerium miteinander verschränkte Initiativen für offen lizenzierte Bildungsunterlagen gestartet. Open Educational Resources (OER) sind damit zumindest in den USA mitten im Bildungsmainstream angekommen.

Screenshot-Amazon-inspire-VideoSeit kurzem können sich Lehrkräfte und Schulen in den USA unter amazoninspire.com für ein Portal für Lernunterlagen im Schulbereich anmelden. Bislang sind die Informationen zur Plattform noch dürftig und die Nutzung ist nur nach Antrag möglich. Selbst auf Basis der wenigen Informationen wird aber deutlich, dass offen lizenzierte Lernunterlagen (Open Educational Resources, OER) eine zentrale Bedeutung für die Plattform haben dürften.

Nicht nur wird im obligatorischen Erklärvideo betont, dass die Materialien kostenlos bereit gestellt werden sollen, in den Nutzungsbedingungen („Terms of Use“) wird die sehr liberale Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 (CC-BY) als Standardlizenz angeführt (meine Übersetzung):

Du wirst die Möglichkeit haben eine Nutzerlizenz für geteilte Unterlagen auszuwählen. Die Standardnutzungslizenz ist Creative Commons Namensnennung 4.0 International, aber es werden auch andere Lizenzen verfügbar sein. Nutzer der Plattform werden in der Nutzung der geteilten Inhalte entsprechend der gewählten Lizenz frei sein.

Lehrkräfte, die sich für die Plattform anmelden, werden aufgefordert, zunächst selbst 5-10 eigene Werke („5-10 of your own resources“) hochzuladen sowie ermuntert, vorhandene Unterlagen hinsichtlich Qualität zu bewerten. Um sicherzustellen, dass die Plattform zum Start nicht verwaist ist, waren bereits in den vergangenen Wochen und Monaten vor der Veröffentlichung NutzerInnen für die Plattform freigeschaltet worden. Gestaltung und Usability der Seite, wie Screenshots u.a. bei Techcrunch zeigen, orientieren sich am herkömmlichen Amazon Store. Die Kombination aus Amazons Marketingmacht und CC-BY als Standardlizenz könnte jedenfalls dazu beitragen, dass offene Lernunterlagen in den USA endgültig Mainstream werden.

Initiative #GoOpen des US-Bildungsministeriums

Das Ziel, offene Lernunterlagen zum Standard an US-amerikanischen Schulen zu machen, verfolgt auch das US-Bildungsministerium mit der kurz davor veröffentlichten Initiative #GoOpen. Ganze Schulbezirke werden aufgefordert, alte Schulbücher kontinuierlich durch offen lizenzierte Lernunterlagen zu ersetzen, wie Joseph South vom Office of Educational Techology ausführt:

Wir hoffen, dass #GoOpen ein Beschleuniger wird und dass mehr Schulbezirke und Bundesstaaten sich selbst zu fragen beginnen, warum ersetzen wir nicht veraltete, unflexible Schulbücher als unsere zentralen Bildungsunterlagen und re-investieren die entsprechenden Gelder in unsere digitale Lerninfrastruktur? Warum schöpfen wir die kreativen Talente und beruflichen Fähigkeiten unserer Lehrkräfte nicht aus? Warum kollaborieren, erstellen und teilen wir nicht gemeinsam mit anderen Bundesstaaten, Schulbezirken, Non-Profit-Organisationen und innovativen Plattformbetreibern? Warum nicht #GoOpen?

#GoOpen-Schulbezirke verpflichten sich dazu, binnen 12 Monaten zumindest ein Schulbuch mit ausschließlich offen lizenzierten Materialien zu ersetzen sowie den Implementierungsprozess für potentielle Nachfolger öffentlich zu dokumentieren (vgl. auch eine 40-Seiten starke Broschüre, PDF).

Die parallele Veröffentlichung der Initiativen von Amazon und Bildungsministerium ist kein Zufall, in der Pressemeldung des Ministeriums wird explizit Amazon Education als ein zentraler Kooperationspartner und Sponsor angeführt:

The #GoOpen Exchange was made possible by the generous support of Amazon Education.

Im Ergebnis ist vor allem der starke Fokus auf offene Lizenzen für Bildungsmaterialien bemerkenswert, der sich durch beide Initiativen zieht. Zumindest für die USA ist damit die Frage, ob sich OER in der Breite durchsetzen oder eine Nische bleiben werden, beantwortet. Das lässt für den deutschsprachigen Raum hoffen bzw. erwarten, dass auch hier diese Entwicklung mit der üblichen, mehrjährigen Verspätung, nachvollzogen werden wird. Die Einrichtung einer zentralen Informationsstelle für offene Lernunterlagen in Deutschland aus Mitteln des Bildungsministeriums ist jedenfalls bereits in Vorbereitung.

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12 Ergänzungen

  1. In Deutschland gibt es seit vielen Jahren bereits viele OER. Problem ist aber an dieser Stelle Schule und Lehrerausbildung selber. Lehrkräfte stehen lieber mit einem Bein im Gefängnis und kopieren aus Schulbüchern oder erstellen in stundenlanger Handarbeit Arbeitsblätter. Beispiel für ein komplettes Biologieschulbuch Berlin 7 und 8 Klasse findet sich hier: http://biologie.oncampus.de/loop/BIOLOGIE_1

  2. Tja, da wäre mal die EU gefragt was auf die Beine zu stellen, die beschäftigt sich aber lieber mit Netzsperren, Bargeldabschaffung, wie man Flüchtlinge noch schneller nach Deutschland bringen kann, und Überwachung der eigenen Bürger, die Amis lachen sich nen Ast.

  3. ……….Die Kombination aus Amazons Marketingmacht und CC-BY als Standardlizenz könnte jedenfalls dazu beitragen, dass offene Lernunterlagen in den USA endgültig Mainstream werden…………………………mal echt sowas völlig kritiklos als „Positiv“ darszustellen ist hanebüchen. Aber: st auch der letzte Autor nicht mehr vorhanden, dann wird auch Dobusch festellen, dass Amazon keine Bücher schreibt. Immerhin entlarvt dieser Artikel welches Geistes Kinde all das creative commens, und open source Gedöns ist. Amsazons freuts. Und der Deal Amazon – Wikimedia passt ebenso zum Gesamtbild.

  4. Ich finde diese Entwicklung durchaus auch kritisch. So sinnvoll es ist, Unterricht flexibel zu gestalten, geht diese Initiative schwer zu Lasten der Lehrer. Diese sind gerade in den USA extrem unterbezahlt und in der Regel überarbeitet und sollen nun für ihre kreativen Leistungen nicht mal bezahlt werden! Lehr- und Lernmaterialien zu erstellen ist ein aufwändiger Prozess (vor allem, wenn sie gut werden sollen). Bisher gab es jedoch wenigstens eine (wenn vielleicht auch sehr geringe) Chance, diese Materialien irgendwo für ein Entgelt zu veröffentlichen. Ein Veröffentlichung auf einer Plattform wie hier angedacht, wird aber auch dazu führen, dass Verlage das Material nutzen, um ihre Lehrwerke aufzuhübschen und zu modernisieren. Und dann ist ist das Ganze erst recht nach hinten losgegangen.

  5. Für mich sind OER ein Projekt zur weiteren Bildungsverarmung der 99%. Schulbücher werden an allgemeinbildenden Schulen bald nicht mehr notwendig sein: Für das gemeine Volk reichen Billiglehrmaterialien aus dem Netz, ohne Qualitätskontrolle. Wirkliche Bildung wird zum Privileg der Reichen und Mächtigen. Ein weiterer Schritt zur Refeudalisierung der westlichen Nationen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.