ZEIT-Titel: Entscheidung zur Netzneutralität Sieg der Lobbyisten

Es ist schon etwas enttäuschend, dass die Berichterstattung über Netzneutralität in deutschen Medien erst nach der katastrophalen Entscheidung im EU-Parlament an Fahrt aufnimmt – und nicht vorher. Aber besser spät als nie. Die Zeit titelt diese Woche mit „Mehr Aber als Ja“ und dort beschreibt Stefan Schmitt, wie die Entscheidung ein Sieg der Lobbyisten wurde, keiner der Verbraucher. Und bringt einen guten Vergleich:

Stellen wir uns mal vor, ein Stromversorger käme auf die Idee, nicht mehr unseren allgemeinen Verbrauch in Rechnung zu stellen, sondern unterschiedlich viel pro Kilowattstunde zu verlangen. Und zwar abhängig davon, was wir mit dem Strom tun. Etwa indem er für den Betrieb der Mikrowelle mehr kassierte, fürs Fernsehen weniger und vielleicht den Strom für den Haarföhn überhaupt nicht berechnete (etwa weil der Konzern einen Deal mit einem marktbeherrschenden Hersteller von Design-Haarföhnen hat). Zu Recht würden die Mikrowellenbesitzer zürnen – geht es doch die Elektrizitätswerke nichts an, was ich mit ihren Elektronen anfange! Wieso soll ich die Föhnerei anderer Leute finanzieren? Diese absurde Föhn-Fiction entpuppt sich als plausibles Szenario, ersetzt man Energieversorger durch Telekommunikationskonzerne und die Elektrizität durch Datenpakete. Dass jedes von Letzteren gleich behandelt vom Start zum Ziel gelangt, egal, ob es Teil einer E-Mail ist, eines Bildes, eines Videos, einer Website oder einer Sprachnachricht – das bezeichnet man als Netzneutralität. Die ist ein Ursprungsgedanke des Internets. Und um sie müssen wir uns seit dieser Woche Sorgen machen.

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16 Ergänzungen

  1. Sehr schöner Vergleich, den die Zeit da zieht. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, die Stromversoger würden genau das auch machen wollen, wenn Sie das technisch abbilden könnten. Der Aufschrei wäre aber sicher größer, da Strom beim Großteil der Bevölkerung als Grundversorgung angesehen wird, im Gegensatz zu Internet. Noch.

    1. Richtig. Hierzulande regen sich Leute ja schon auf, wenn Asylsuchende Internet installiert bekommen oder Schulen mit WLAN ausgestattet werden: „Wozu brauchen die das denn? Den ganzen Tag nur im Internet rumdaddeln?!“ In Teilen grenzt das, was in anderen Ländern bereits Standard ist, in Deutschland an Technikfeindlichkeit.

    2. Schöne Vergleiche bringen leider überhaupt nichts, die Entscheidung ist gefallen. Und die Auswirkungen werden schon sichtbar. In absehbarer Zeit gibt es brauchbares Internet wohl nur noch für Gutverdienende.
      mfg R.K.

    1. Er ist aber auch nicht sonderlich intelligent: Sowas versucht man den Startups heimlich aufzubürden und vermeldet es nicht gleich zwei Tage nach der Abstimmung im EU-Parlament öffentlich überall, so dass die ganze Welt den Plan direkt durchschaut und sich darüber lustig macht (Zeit Online beispielsweise brachte heute in einem Artikel ein Bild des Chef-Telekomikers, dass im Prinzip mit „Dr. Evil“ unterschrieben war – eine gewisse optische Ähnlichkeit ist auch nicht abzustreiten!)

      Oh man, jetzt gebe ich meinen Gegnern schon Tipps! ;-) Aber naja, lasst uns erstmal frohen Mutes bleiben, denn ich denke, auch diese Suppe wird nicht so heiß gegessen wie sie gekocht wird. Lasst die Regulierungsbehörden und dann den Markt ihres Amtes walten!

  2. Es ist schon etwas enttäuschend, dass die Berichterstattung über Netzneutralität in deutschen Medien erst nach der katastrophalen Entscheidung im EU-Parlament an Fahrt aufnimmt – und nicht vorher.

    Also bei Heise und c’t habe ich mich da immer gut informiert gefühlt. Aber das sind ja vielleicht auch keine Medien. Oder keine deutschen Medien?

    1. Aber aber. Die einzigen Medien, die massentaugliche Reichweite haben da Grundversorgung sind die öffentlich Rechtlichen. Wozu haben wir die denn? Ah ja um uns die frohe Botschaft zu verkünden, dass Roaming ab 2017 etwas billiger wird (oder weniger teurer als früher).
      ZUM KOTZEN!!!

      1. Es wurde auch eine Entscheidung gegen die Netzneutralität in der Tagesschau angesprochen – und das, obwohl die EU es gern als Entscheidung dafür betitelte.

  3. Habe ich was verpasst?
    Wollen die Stromerzeuger nicht GENAU das mit den Smart-Metern erreichen?
    Zunächst sollen ja „nur“ zu unterschiedlichen Zeiten unterscheidliche Tarife gefordert werden.
    Dann sollen einzelne Verbraucher erfasst und von den EVUs gesteuert werden. Wer mittags
    um 12 Uhr seinen Trockner einschalten will, löhnt extra oder bekommt das Gerät gesperrt
    bis zum nächsten Starkwind
    Und natürlich besteht die Möglichkeit für den Design-Fön-Hersteller „seinen“ Strom nicht vom aktuellen Nutzer zahlen zu lassen. IoT (Internet of Things) erlaubt eine so feine Granularität…

    1. Nach Gerätschaften wird man schwer einordnen können, aber nach Raum.

      Morgens wird der Strom im Bad teuer (Boiler!), mittags wird der Strom in der Küche leider teurer, abends der im Wohnzimmer. „Leider, leider, hat die EU so gewollt.“ ;)

      1. Ich bin da ein paar Jahre weiter… :-)
        Zum einen kann man am zeitlichen Verlauf der Stromaufnahme das Gerät recht genau ermitteln
        (Ne Glühlampe verhält sich anders als ne Leuchtstofflampe)
        Zum anderen könnte es Vorschriften geben, das nur „zugelassene Geräte“ in den Genuss von Sondertarifen kommen können. Zulassungvoraussetzung ist halt eine eindeutige Kennung und fernsteuerbarket.
        Die Autoindustrie macht es vor: Man kann nicht mehr jedes x-beliebige Radio einbauen, oder „irgendewas“ an die Autosteckdose anschliessen, es könnte ja die Elektronik stören…

        Das Zeit Beispiel mag heute sehr anschaulich sein, es ist aber ganz und gar nicht unrealisierbar, wie behauptet.

        Achso, „smarte“ Wasser- und Gas-Zähler gibt es auch…
        Und klar: Alle Daten müssen über die (NSA-)Cloud geführt werden.
        Denn so kann man auch von Terroristen benutzte konspirative Wohnungen ermitteln…

  4. Es ist ja einfach in Deutschland ein Startup zugründen. Jetzt will die Telekom das ganze noch attraktiver machen…Deutschland das land der Innovationen. Traffic-lastige Startup Ideen a lá Youtube, Facebook,Twitch oder ein Indy MMO sind in Deutschland/Europa nicht mehr möglich. Jetzt kann sich die Telekom wie ein Zöllner auf die Daten-brücke stellen und mögliche Innovationen sofort abwürgen. Schönes Startup hast du da….möchtest du das deinen Videos nicht ruckeln…Super plan EU. So schaffen wir bestimmt ein Klima in Europa in dem ein Potenzielles Google enstehen wird.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.