Was tut die Bundesregierung zur Medienbildung? An die Länder verweisen.

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Viele Schüler in Deutschland haben Defizite in ihren Fertigkeiten, mit Computern umzugehen. Das stellte die International Computer and Information Literacy Study (ICLIS) Ende 2014 fest. Was hat die Bundesregierung seitdem unternommen, welche Konsequenzen hat sie gezogen? Das fragte Bundestagsabgeordneter Özcan Mutlu von den Grünen und bekam ernüchternde Antworten.

Die Bundesregierung gab in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage an, dass sie die Ergebnisse von ICLIS in einer Strategie „Digitales Lernen“ aufgreifen wolle. Die Entwicklung einer solchen Strategie war bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden und solle nun im Bildungsministerium und mit den Ländern gemeinsam entwickelt werden, um „den pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien in den verschiedenen Bildungsbereichen zu stärken“.

Klassische Ankündigungspolitik, das wird klar, wenn es um konkrete Initiativen geht. Welche Forschung gibt es zu dem Thema, wie man Computerkompetenzen im schulischen Lernen fördern kann, fragt Mutlu und die Antwort ist einfach: Keine. Lediglich Einzelaspekte werden im Rahmen anderer Projekte aufgegriffen. Wie etwa der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“.

Auch wenn es nicht um die Lehrer und Lehrpläne, sondern um die technische Ausstattung der Schulen geht, keine konkreten Aktivitäten. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, denn das Bildungswesen liegt immer noch in primärer Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer, wohinter sich die Regierung bereitwillig versteckt. Unabhängig davon gibt man jedoch mit auf den Weg:

Die Bundesregierung teilt die in der Wissenschaft inzwischen weitgehend anerkannte Einschätzung, dass eine digitale Spaltung der Gesellschaft heute weniger durch die Qualität der jeweiligen technischen Ausstattung beeinflusst wird, als von der Art, wie diese genutzt wird.

Richtig. Wenn aber weder technische Ausstattung vorhanden ist, noch geschulte Lehrer, die den Umgang mit selbigem vermitteln können, scheitern die hehren Ziele der digitalen Mündigkeit trotzdem. Und dennoch startete das Bundesministerium für Bildung und Forschung 1996 die Initiative „Schulen ans Netz“, die alle deutschen allgemein- und berufsbildenden Schulen mit Internetanschluss versorgen sollte und dieses Ziel 2001 erreicht habe. Aber weiter darum gekümmert habe man sich nicht, es gebe „keine Kenntnis darüber, inwieweit die damalige Infrastrukturförderung sowie die anschließend durchgeführten Modellprojekte und erstellten digitalen Unterrichtsmaterialien noch auf das digitale Lernen sowie die Verkleinerung der Spaltung entlang der sozialen Herkunft der Schülerschaft wirken.“

Es zeigt sich, wie kurzsichtig hier Bildungs- und Infrastrukturpolitik verläuft, denn aus einem LAN-Kabel allein erwächst noch keine Medienkompetenz. Aber darum mag man sich nicht kümmern, weil Ländersache. Genau wie wenn es um die Gründung von Schulen mit einem IT-Schwerpunkt oder andere Fördermaßnahmen geht.

Lediglich, wenn das Thema auf den Hochschulbereich fällt, scheint sich die Bundesregierung einbringen zu wollen. Mehr Menschen sollen MINT-Studiengänge wählen, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik. Vor allem Mädchen und junge Frauen wolle man begeistern, dafür führe man Wettbewerbe, Girls Day und Co. durch. Mit dem Hochschulpakt 2020 zwischen Bund und Ländern habe man sich auf das Ziel geeinigt, die Studienanfängerzahlen in diesem Bereich zu erhöhen und die Abbrecherquoten zu senken, denn bislang beenden nur etwa zwei Drittel der Studienanfänger in MINT-Studiengängen ihr Bachelorstudium.

Die Bundesregierung macht es sich einfach mit ihrer Antwort. Viel Begeisterung für das Thema Digitale Bildung lässt sich nicht erkennen. Verantwortlichkeiten werden abgewiesen, vorzugsweise in Länderrichtung. Komisch, dass die Regierung da erst Geld in die Durchführung einer Studie zu den Medienkompetenzen deutscher Schüler steckt, dann aber kaum Konsequenzen zieht, obwohl offensichtlich ist, dass mit den aktuellen Gegebenheiten kaum ein Anschluss an ein angemessenes Niveau von Medienkompetenz zu machen ist. Vielleicht Zeit, aus dem Kooperationsverbot auch für Schulen ein Stück weit auszubrechen und dem Thema die Wichtigkeit zuzumessen, die ihm innewohnt. Auch wenn man sich dann nicht mehr ganz so einfach herausreden kann.

Mutlu kommentiert dazu:

Der Bund hat offenbar kein Interesse, Konsequenzen aus der ICILS-Studie zu Computerkompetenzen von Achtklässlern zu ziehen. die sie (mit) in Auftrag gegeben und in die sie 1,14 Mio. € investiert hat. Ob Kenntnisse in der Textverarbeitung, Internetrecherche oder der Umgang mit Risiken im Netz – digitale Grundbildung für alle muss das Ziel sein! Mit der Vogel-Strauß-Methode der Bundesregierung werden wir den Herausforderungen der digitalen Bildung, vor der unsere Gesellschaft steht, sicherlich nicht fertig. Die digitale Schere geht immer mehr auseinander und ein großer Teil unserer Jugendlichen sind digitale Analphabeten, während sich die Bundesregierung hinter Zuständigkeiten versteckt.

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6 Ergänzungen

  1. Kenntnisse in der Textverarbeitung, Internetrecherche oder der Umgang mit Risiken im Netz

    Das ist also „digitale Grundbildung“?
    Nicht etwa die abstrakte Vorstellung, wie Prozesse ablaufen oder wie Algorithmen mit Daten jonglieren, also so etwas wie ein fundamentales Verständnis für die Abläufe im Gehäuse, statt konkreter Benutzungsstrategien?
    Schade eigentlich.

    1. Ob die von dir genannten Themen oder „Kenntnisse in der Textverarbeitung, Internetrecherche oder der Umgang mit Risiken“, die Schüler und Schülerinnen haben wohl beides nicht.

  2. Na ja, die Autorin des Beitrags verkennt aber die Tatsache, dass es nunmal die Bund / Länder Trennung verfassungsrechtlich gibt. Die Länder reagieren in ihren jeweiligen Gremien sehr dünnhäutig, wenn der „Bund“ in ihren Domänen wildert. Und so kann der Bund sich bspw. in punkto Medienkompetenz Themen nunmal nur in wenigen/punktuellen Aspekten aktiv zeigen. Klingt komisch, ist aber so…

    1. Ja und warum gibt man nicht endlich diesen Hemmschuh auf und baut ein einheitliches Bildungssystem in Deutschland? Eine Bildungslandschaft in dem die Schüler mit ihren Eltern auch mal das Bundesland verlassen können, wenn der Arbeitgeber es für nötig hält, einen vom Netz abhängigen Arbeitsplatz in ein anderes Bundesland zu verlegen? #Neuland auf allen Ebenen der Gesellschaft nicht nur ein Politiker Problem auch Manager von Weltkonzernen haben da ihre Defizite.

  3. Wenn ich diesen Quatsch mit der „Medienkompetenz“ nur lese, kommt mir die Galle hoch.
    Wir hatten als Kinder keine Computer, keine Handies. Das höchste der Gefühle war ein Gameboy oder ein Atari 2.600.
    Und trotzdem kann meine Generation sehr wohl kompetent mit dem Computer umgehen, wohl oftmals kompetenter als die meisten, die danach geboren wurden. Kinder gehören nicht vor den Computer. Ende.
    Kinder sollen erst einmal lernen, was es heisst, Mensch zu sein, sich selbst zu erfahren und erleben, auf Bäume klettern, von Bäumen fallen, das Knie aufschlagen. Grenzen austesten und erleben. Das sind GRUNDLAGEN. Die erlernt man durch Spaß und Spiel mit Freunden und Bekannten. Und ja, in gaaanz seltenen Fällen ging das auch mal schief. Wenn diese Grundlagen beherrscht werden, kann man sich darüber Gedanken machen, ob man auch andere Dinge näher bringt.
    Heute lernen Kids die Verrenkungen am Smartfon eher als Lesen und Schreiben, eine grundsätzlich falsche Entwicklung. Und man sieht es auch sehr gut daran, wie häufig gerade Kids in „Fallen“ tappen (vor allem Abzockfallen), weil sie einfach den Zusammenhang nicht verstehen und wild durch die Gegend klicken. Wozu lesen, die Symbole beherrschen reicht doch aus?
    Wenn ich die Kids heute auf der Straße sehe, alle ausgestattet mit dem neuesten Smartfon, da kommt mir das Ko****. Aber viele Erwachsene sind auch kaum besser, rennen mit dem Überwachungstool vor der Nase durch die Gegend und interessieren sich nur noch einen Feuchten für die direkte Umwelt. Wenn man nicht rechtzeitig auf die Seite springt, wird man dagegen noch aggressiv und blöd angemacht, weil man nicht aufgepasst hat… diese Leute haben eine derart verzerrte Wahrnehmung, das ist nicht mehr erträglich. Medienkompetent? Wohl kaum. Wie sollen diese Menschen ihren Kindern etwas beibringen, von dem sie selbst keine Ahnung haben (wollen)? Es ist ja nicht so, dass sie zu doof dazu wären, sie interessiert es nur nicht. Internet benutzen wollen alle, Internet verstehen? Pfff….. aber dann bei jeder Kleinigkeit nach dem Gesetzgeber plärren und sich pampern lassen.
    Wir hatten sowas als Kinder jedenfalls nicht und uns gings gut. Den Kindern heute geht es schlecht, sie sind überlastet, überfordert, gestresst und permanent unter Druck – mit sogar sichtbaren medizinischen Auswirkungen (und damit ist nicht nur eine motorische Unterentwicklung oder Fettleibigkeit gemeint, sondern auch gesundheitliche Auswirkungen wie Kopfschmerzen, Migräne, Übelkeit und Schwindel).
    Man musste uns jedenfalls nicht permanent hinterher telefonieren und wir hätten das auch strikt abgelehnt, weil es unsere Freiheit eingeschränkt hätte. Heute werden Kinder von Eltern mit paranoiden Wahnvorstellungen permanent überwacht und kontrolliert, die zahllosen Kinderschutzvereine, die damit saftig Kohle machen, forcieren das ganze und treiben es immer mehr auf die Spitze, bis hin in die Absurdität. Selbst die Schulen klären Kinder permanent vor „Gefahren“ auf, alles ist Gefahr… außer Mutti. Obwohl, die vielleicht sogar auch. Vertraue niemandem. Das macht uns alle kaputt!
    Hat es irgendwelche Verbesserungen gebracht zu den 20 Jahren davor? Nein! Im Gegenteil. Kinder sind eingeschränkter als je zuvor.
    Damals hatten wir ab der 7. Klasse Informatikunterricht. Wir haben gelernt, wie man mit Word und Excel Tabellen verfasst und Briefe schreibt, wir lernten Grundkenntnisse in Programmierung, damals mit Turbo Pascal und Basic, wie man Binärzahlen, Oktalzahlen und Hexadezimalzahlen rechnet… auch, wie so ein Computer aufgebaut ist, was da alles drin sein muss… Internet gabs noch gar nicht.
    Als ich meinen ersten Internetanschluß bekam, dachte ich BTX wäre „das Internet“ und ich fand es furchtbar langweilig. Bis mir jemand beibrachte, dass es auch Browser gibt. Von da an gab es keinen Lehrer, der mir irgendwas beigebracht hätte.
    Ich war auf Pornoseiten, Naziseiten und was es sonst noch so alles gab. Ich habe damals ein paar Lieder von Lan**** gehört und ähnlichen Gruppen, aber mich niemals mit dem Inhalt identifiziert. Das Gegenteil war der Fall: Anfangs war es eher lustig, irgendwann aber abstossend, weil es zum Denken anregte, was das, was die da in den Liedern besungen haben, für reale Auswirkungen hatte. Ich bin weder zum Sexmonster geworden, noch zum Nazi, das Gegenteil war der Fall. Und ich stehe den Medien heute kritischer und misstrauischer Gegenüber als jemals zuvor. Während die breite Masse, die angeblich „medienkompetent“ ist, alles glaubt, was irgendwo publiziert wird. Da läuft doch etwas falsch?
    Und ja, wir haben damals als Kids auch Spiele kopiert, als die ersten Computer hatten. C64, Amiga 500, die ersten erschwinglichen 386er waren das damals… Aber uns hat keine Copyrightindustrie gejagt und verfolgt deswegen. Die ersten mp3, die man so gehört hat… damals hatte wohl jeder Napster, emule & Co. benutzt. Die Medienindustrie ging trotzdem in keinster Weise pleite. Aber heute wird überwacht, kontrolliert und abgemahnt bis zur Besinnungslosigkeit. Alles zu unserem Wohle. Anwaltskanzleien finanzieren sich damit ihre Ferraris und Luxusvillen. Das ist doch nicht richtig, das kann nicht richtig sein, weil es am eigentlichen Zweck vorbeigeht. Bei mir führte das dazu, dass ich seit über 10 Jahren exakt 3 CDs gekauft habe. Ich will diese Mafia nicht unterstützen und die Künstler selbst haben sowieso am Allerwenigsten davon.
    Und was macht unsere Regierung? Immer fleissig weitere Überwachungs- und Kontrollgesetze, während unsere Kinder in den Schulen zu Versuchskaninchen mutiert sind, an denen permanent etwas „Neues“ ausprobiert wird.
    Medienkompetenz vermitteln heisste heute verunsichern und verängstigen: Der böse Mann, die bösen Webseiten, die bösen Islamisten, die bösen [hier beliebige Feindgruppe einfügen].
    Dass da am Ende nichts bei herauskommt, kann jedern nachvollziehen, der mit ein wenig logischem Verstand herangeht. Aber Logik und Verstand sind Dinge, die mit unserer geldgeilen Regierung sowieso niemals zusammenpassen werden. Denn da gehts nur um eines: Dem Gott Mammon huldigen, koste es, was es wolle.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.