Überwachungsmaßnahmen sind Ausdruck politischer Fantasie- und Hilflosigkeit

Der Soziologe, Sicherheitsforscher und Leiter des Wiener Zentrum für Sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung (VICESSE) Reinhard Kreissl forscht und publiziert zu Fragen der öffentlichen Sicherheit und Überwachung. Bei futurezone.at äußert er sich zu politischen Forderungen, die in Folge der Terroranschläge in Paris erhoben wurden. Seiner Ansicht nach führe mehr Überwachung in Form einer pauschalen Überwachungsmaßnahme, wie die Vorratsdatenspeicherung, in eine Sackgasse.

Statt die Nadel im Heuhaufen zu suchen, sollte man sich stattdessen darauf konzentrieren, zu erkunden, wie die Nadel beschaffen sei, meint der Sicherheitsforscher. „Es ist eine völlig andere Herangehensweise, wenn man sich überlegt, welche Art von Personen gefährlich ist, als wenn man pauschal die Daten von allen sammelt. Da sieht man ja, dass es nicht funktioniert.“ Eine Erweiterung der Kontrollbefugnisse sei daher „nicht zielführend“.

Terroranschläge können ihm nach nicht durch Überwachungsmaßnahmen verhindert werden. Es sei daher notwendig Menschen durch Bildung davon abzuhalten, sich radikalen Theorien und Extremismus zuzuwenden. Hinter den politischen Forderungen des Ausbaus von Überwachungsmaßnahmen sieht er vor allem wirtschaftliche Interessen der Sicherheitsindustrie.

„Politiker sind arme Schweine. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Die Forderung ist zwar grausig, aber sie ist ein Ausdruck politischer Fantasielosigkeit und Hilflosigkeit. In Großbritannien gibt es schon so viele Überwachungsmaßnahmen, da hat Cameron nicht mehr viele Möglichkeiten, als das Ende der Verschlüsselung zu fordern“,

Der zitierte Artikel ist bereits am 13.01 bei futurezone.at erschienen

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4 Ergänzungen

  1. Ich finde es ziemlich naiv anzunehmen, dass die Politiker nicht wissen was sie da tun. Es geht nicht um Terroristen sondern um die eigenen Bevölkerung und gegen die sind diese Überwachungsmaßnahmen ja auch durchaus wirkungsvoll. Genau aus diesem Grund werden auch niemals tatsächlich wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Terrorismus ergriffen, denn wenn es plötzlich keine Anschläge mehr gibt, kann man auch keine „Sicherheits“maßnahmen mehr rechtfertigen.

    Letztendlich sehe ich hier zwei Möglichkeiten: Entweder die Verantwortlichen wissen was sie tun, dann sind sie Feinde des Volkes und der Demokratie. Oder sie wissen es nicht, in dem Fall wären sie „nur“ inkompetent.

    In beiden Fällen haben sie in Machtpositionen nichts verloren.

    Was die echten Maßnahmen gegen den Terrorismus angeht hat der gute Herr natürlich Recht.

  2. Ich bin ja gegen Überwachungsmaßnahmen aller Art, doch ich kann Kreissl nicht so einfach folgen.

    Die Überwachung ist doch gerade der Ausdruck davon, dass man sich recht pauschal überlegt, welche Art von Personen gefährlich sind. „Alle Männer mit Bärten sind Piraten“, so ähnlich heißt es in einem Kinderlied. Gut, im Kinderlied ist es umgekehrt, doch das nutzt dem „verdächtigem“ Moslem mit Bart am Bahnhof gar nichts.

    Das ist der Level des Gedankens der „Art von Personen“: der Level eines Kinderliedes.

    Dabei existiert etwas wie „Art von Person“ nicht, wenn man nicht danach katalogisiert, was man selbst (und nicht die Art Person) denkt. Das sagt i.d.R mehr über den Katalogisierer als über die Person aus – genau wie Überwachung weit mehr über den Staat als über die Überwachten verrät.

    Auch beim Punkt „Politiker sind arme Schweine“ kann ich nicht zustimmen. Sie wissen, was sie tun, wenn sie der gesamten Bevölkerung militärisches Denken, nichts anderem entspringt Überwachung, und letztlich genormtes Verhalten, aufzwingen. Zugegeben, von Algorithmen, Beweisen, KI, Korrelation, soziale Konsequenzen verstehen diese militärisch denkenden Politiker nichts. Schlimmer noch, sie verstehen nicht einmal etwas von den wirtschaftlichen Konsequenzen (z.B. eines Verschlüsselungsverbots).

    Das macht sie aber nicht arm sondern inkompetent.

    Ich dagegen denke: militärisches Denken auf die ganze Bevölkerung auszudehnen fordert eine Hierarchie, die nur wenig kompatibel zum Demokratiegedanken ist…

  3. @…
    „In beiden Fällen haben sie in Machtpositionen nichts verloren.“

    Unsere Verantwortlichen sind weder Feinde des Volkes und der Demokratie, noch sind sie inkompetent, die haben nur mit Politik nichts am Hut.
    Das einzige, was sie wollen ist Machterhalt. Politik und Gestaltungswille sind dabei halt hinderlich.

    Anders kann ich mir das einfach nicht mehr erklären, was unserer westlichen Gesellschaft immer stärker widerfährt. Wir verlieren mit Höchstgeschwindigkeit unsere Freiheit und unsere Rechte, und kaum jemanden interessiert es. Zum Kotzen.

  4. > Das einzige, was sie wollen ist Machterhalt.

    Ganz genau. Und das macht sie eben zu Feinden der Bevölkerung.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.