Über Pressefreiheit und staatliche Ermittlungen: Das schreckt uns nicht ab.

Seit mit einem Beitrag im Deutschlandfunk ruchbar wurde, dass der Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen nicht nur eine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats erstattet, sondern damit auch Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen mutmaßliche Informanten angestoßen hat, ist die Pressefreiheit wieder zum Thema geworden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz war schon häufiger Ziel unserer Berichterstattung. Wir schrieben über den Personalplan und das Konzept für eine neue Einheit des Amtes, dessen Aufgabe eine erweiterte Telekommunikations- und Internet-Auswertung sein soll.

pressefreiheit weltweit

Pressefreiheit weltweit, Mai 2015, CC BY-NC-ND 2.0, via Freedom of the Press report (pdf)

Wir haben auch Kritik dafür bekommen, dass wir Maaßens Aussagen zur Strafanzeige und zu Ermittlungen skandalisiert und als Versuch der Einschüchterung dargestellt haben und auch einen Angriff auf die Pressefreiheit und -vielfalt darin sehen. Uns drängten sich im Zusammenhang mit der Strafanzeige nämlich auch einige Fragen auf.

Warum wir uns als Redaktion durch Maaßens Äußerungen und die Strafanzeigen direkt betroffen sehen, hat mit dem Ziel solcher Ermittlungen zu tun. Im Kern besteht das Ziel darin, herauszufinden, wer Journalisten über vertrauliche Vorgänge informiert. Damit geraten aber nicht nur diejenigen, die versuchen, Licht in schattige Bereiche zu bringen, selbst in Gefahr, zur Zielscheibe staatlicher Überwachungsmaßmahnen zu werden, sondern eben auch deren Kontakte in den Redaktionen.

In diesem Zusammenhang werden nun häufiger die Verfassungsbeschwerden gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme in den Redaktionsräumen von Cicero und das entsprechende Urteil des Bundesverfassunsgerichts vom 27. Februar 2007 genannt. Und ein Blick zurück auf die Cicero-Affäre und das Urteil erinnert an die Grundsätze der Pressefreiheit, die von den Richtern hervorgehoben wurden.

Betroffen war damals insbesondere der Journalist Bruno Schirra, ein nicht unumstrittener, aber weithin beachteter und selbstbewusster Fachmann für Enthüllungen. Es ging um einen geheimen Bericht des BKA über Abu Musab Al-Zarqawi, der 2006 von der US-amerikanischen „Delta Force“ mit einer gezielten Bombardierung in der Nähe von Bagdad ermordet wurde, und um den mutmaßlichen Verrat von Dienstgeheimnissen. Wer sich für mehr Details der Falls interessiert und sich einen Eindruck von dem Journalisten machen möchte, dem sei das Küchenradio-Gespräch mit Schirra empfohlen.

Die Gemeinsamkeit zu dem Cicero-Fall besteht natürlich nicht in der Durchsuchung der Redaktion, sondern in der Tatsache, dass Schirra in einem im Cicero veröffentlichten Artikel aus diesem BKA-Bericht zitiert und daraufhin Ziel von Ermittlungen wurde. Die Ermittlungen und Durchsuchungen dienten in erster Linie dem Zweck, Informanten aufzudecken. Zum Runterladen für den Leser gab es den BKA-Bericht allerdings nicht.

Grundsätzlich gilt: Schirra und allen Journalisten in Deutschland steht das Recht zu, ihre Informanten, ihre Quellen und ihre Methoden im Regelfall nicht offenbaren zu müssen. Denn wenn der Druck auf kritische Medienvertreter steigt, wird langfristig der Selbstzensur Vorschub geleistet. Wurden in der Vergangenheit Durchsuchungen von Redaktionen angeordnet, war das stets ein sehr seltener Einzelfall. Immer wurden solche Versuche von der Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt und kritisiert. So auch in Schirras Fall. Selbst die damals oppositionelle CDU/CSU war empört und verurteilte das Vorgehen:

Die komplette Durchsuchung der Redaktion der Zeitschrift „Cicero“ und der Privaträume eines Journalisten sind dabei ein völlig unverhältnismäßiges Mittel und müssen als ein ernst zu nehmender Eingriff in die Pressefreiheit verurteilt werden.

Juristisch betrachtet war die Anordnung der Durchsuchung der Redaktion des Cicero sowie die Beschlagnahme der Unterlagen im Ergebnis ein „verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Pressefreiheit“. Das Recht der Journalisten auf Informantenschutz war verletzt worden, stellte das Bundesverfassungsgericht später fest. Es führte aber auch aus:

Die Pressefreiheit umfasst auch den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit sowie in die Vertrauenssphäre zwischen den Medien und ihren Informanten.

Dieses Eindringen in die Vertrauenssphäre geschieht aber nicht erst mit der Durchsuchung einer Redaktion.

Nur weil es sich mehr und mehr einbürgert, dass es als normal angesehen wird, dass das Handeln der Geheimdienste undurchschaubar ist und viel zu viele Aspekte von deren Arbeit „geheim“ gestempelt wird, heißt das für die Arbeit von Journalisten mit Informanten noch lange kein devotes Duckmäusertum, jedenfalls nicht bei uns. Dass wir Informationen oder uns möglicherweise anvertraute Dokumente über das Bundesamt für Verfassungsschutz oder andere intransparente Behörden auf netzpolitik.org bringen, wird auch in Zukunft so bleiben.

Wir lassen uns natürlich nicht einschüchtern.

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18 Ergänzungen

  1. > viel zu viele Aspekte von deren Arbeit „geheim“ gestempelt wird

    Darüber sollte mal eine breitere Diskussion stattfinden. Welche „Stempelregeln“ gelten eigentlich?

    Illegales Verwaltungs- und Regierungshandeln sollte jede Einstufung automatisch verlieren.

  2. Wehret den Anfängen!

    „Over six years, filmmaker Laura Poitras was searched, interrogated, and detained more than 50 times at U.S. and foreign airports. When she asked why, U.S. agencies wouldn’t say. Now, after receiving no response to her Freedom of Information Act requests for documents pertaining to her systemic targeting, Poitras is suing the U.S. government.“

    https://firstlook.org/theintercept/2015/07/13/laura-poitras-sues-u-s-government-find-repeatedly-stopped-border/

  3. Andererseits kann man doch aber auch nicht erwarten, dass eine Behörde nicht gegen Geheimnisverrat vorgeht, sobald die Informationen bei den Medien landen.

    Allerdings würde ich durchaus zugestehen, dass das Durchsickern dieser Information an den Deutschlandfunk ein bisschen wie eine bewusst inszenierte Drohung wirkt. Es sei denn der DLF hat seinerseits eine gut platzierte Quelle, die die Information von sich aus ohne (glaubwürdig abstreitbare) Sanktionierung durch Vorgesetzte weitergegeben hat.

  4. Ich deute die Aufnahme von Ermittlungen mal als Ansage das man sich nicht kampflos geschlagen geben wird, die Ermittlungen scheinen nun aber nicht so intensiv zu sein das es zu tatsächlichen Beeinträchtigungen der Pressefreiheit kommt. Im Gegenteil mag das Durchsickern einer solchen Information geradezu hilfreich sein die Thematik insgesamt in der Öffentlichkeit zu halten. Soweit das über Nacht Kritiker & störende Elemente verschwinden sind wir zum Glück noch lange nicht, bzw. nicht mehr.

    1. Natürlich wird kein Kritiker oder Journalist über Nacht verschwunden werden. Die „tatsächliche Beeinträchtigung der Pressefreiheit“ besteht in dem nun vorhandenen Chilling Effect.

      Wäre ich Autor auf netzpolitik.org, auch ich würde wie bisher weitermachen wollen – allerdings würde ich ab nun ernsthaft darüber nachdenken, zukünftige Artikel nur mehr unter einem Pseudonym zu posten, und auch mit meinen Kollegen die Frage diskutieren, wieviel Schutz eine in Deutschland registrierte Domain uns denn noch bieten kann.

      Es ist inakzeptabel, diese Gedankengänge überhaupt aufnehmen zu müssen.

    2. Irgendwie fühle ich mich inzwischen ein wenig an das Ende der 60er Jahre erinnert. Eine muntere und vornehmlich junge Truppe,… gestützt durch ein paar alte Hasen die die Zeichen der Zeit erkannt haben,… versucht einen gesellschaftlichen Umbruch zu einer freieren Gesellschaft zu initialisieren während die Kaste der Alteingesessenen vor den drohenden Gefahren warnt und lieber alles beim alten lassen möchte. Auch wenn dies bedeutet nicht aus der Geschichte zu lernen und in falschen Pfaden weiter zu wandeln. Der Protest ist friedlich und doch engagiert. Was mir noch fehlt ist eine breitere Öffentlichkeit, was mir nicht fehlt sind die gewalttätigen Auswüchse.

      Es ist auf jeden Fall eine spannende Zeit und wie werden sehen was daraus wird. Man kann sich nur engagieren und den Regierenden nur zurufen das Ihnen dieses Land nicht gehört sondern dass sie es nur bis zum nächsten Generationswechsel verwalten dürfen. Die Geschichtsbücher schreiben andere nach Ihnen. Und diejenigen können dann auch beurteilen ob man das Feuer gelöscht oder doch nur Oel hineingegossen hat.

  5. Wahrscheinlich wird sowieso eure gesamte Kommunikation bereits abgehört. ;-)

    Herr Maaßen….*winke winke*

    1. Herr Maaßen weiß davon natürlich rein gar nichts, das macht so ein Unterabteilungsleiter im Alleingang ohne irgendeinen Vorgesetzten zu informieren, vermutlich….

  6. Stimmt garnicht, ich hör nur Frankreich ab! Für netzpolitik.org ist die Putzfrau zuständig.

    1. Die Putzfrau, die die Koksreste vom Bundestagsklo mit Abflussfrei streckt und Dir zum Freundschaftspreis vertickt?

  7. Solange man als „Whistleblower“ noch den linksliberalen Mainstream für sich reklamieren kann, geht es ja noch. Wehe, man weicht ein Fußbreit davon ab… dann kracht es, aber gewaltig.
    X Staatsanwaltschaften am Hals, ständige Observation wie im schlechten Film und saubere wirtschaftliche Bedrängnis.
    Solidarität gibt es nur für die Guten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.