Großbritannien: Rückzieher bei Plänen zur Vorratsdatenspeicherung?

CC BY 2.0 by UK Department for International Development

Im Juli dieses Jahres ist die Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien gerichtlich gekippt und als unvereinbar mit europäischem Grundrecht bezeichnet worden. Dabei kritisierte das Gericht unter anderem das Fehlen einer richterlichen Genehmigung für den Zugriff auf Kommunikationsdaten. Der Telegraph berichtete vergangene Woche, dass die britische Innenministerin Theresa May am Mittwoch im Parlament Pläne bekanntgeben werde, die eine umfangreiche Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten, aber auch besuchten Webseiten sowie Mail- oder Chat-Kommunikationen vorsehen – und das für zwölf Monate.

Wie Frances Perraudin gestern bei The Guardian berichtete, seien nun aber Kernelemente des Original-Vorschlags von 2012 „komplett gestrichen“ worden. Statt einer Erweiterung der Überwachung solle es Polizei und Sicherheitsdiensten unter anderem verboten sein, auf Informationen über besuchte Webseiten zuzugreifen, weiterhin solle „jeder Zugang zu Internet-Verbindungsdaten streng limitiert und gezielt sein“.

Von einer Regierungsquelle heißt es:

We’re absolutely clear that key parts of the original plans from 2012 will be dropped from the new bill. We have consulted widely … we are coming forward with a new approach. […] We know these powers are needed as technology changes and terrorists and criminals use ever more sophisticated ways to communicate. But we need to give people the reassurance that not only are they needed, but that they are only ever used in a necessary, proportionate and accountable way. That is what this bill is all about.

Theresa May bestätigte dies am Sonntagmorgen gegenüber der BBC:

What I am clear about is that there will be in this bill strong oversight and authorisation arrangements. What the bill will do on Wednesday is, it sets a modern legal framework but, crucially, it has very strong oversight arrangements within it.

Shami Chakrabarti, Direktorin der Bürgerrechtsgruppierung Liberty, wirft der Regierung vor, den wichtigsten Schutz zu ignorieren – sie fordert, dass jegliche Telekommunikationsüberwachung erst nach richterlicher Bewilligung stattfinden darf.

It’s a traditional Home Office dance first to ask for the most outrageous, even impractical, powers, so that the smallest so-called ‚concessions‘ seem more reasonable. […] The frantic spinning distracts from the sleight of hand. Where is the judicial sign-off before our private communications can be collected, hacked and tapped? Where is the move back to targeted surveillance and away from the blanket collection of our private data?

Ob die Regierung ihre umfangreichen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung tatsächlich entschärft, wird sich am Mittwoch zeigen, wenn das neue Überwachungsgesetz vorgestellt wird.

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10 Ergänzungen

    1. Der Mann (Mielke) bekommt keinen Dauerorgasmus, der Mann dreht sich im Grabe um, vor Ärger!
      Wenn er sieht, wie leicht er die Massen via Indernet mittels Fratzebuch hätte Überwachen und leiten können, dann wäre die DDR schon Mitte der 80’er vollumfänglich Socialmedial vernetzt gewesen!

  1. Ist euch eigentlich aufgefallen, mit welchen Worten Gabriel sich gegen Transitzonen für Flüchtlinge entschieden hat? „Unsinnung, vermutlich rechtswidrig und auch noch unnötig.“ Nicht, dass ich für Transitzonen wäre, aber es irritiert schon, wenn solche Maßstäbe wie der Sinn oder Unsinn einer Sache das eine mal berücksichtigt, das andere Mal mit viel Aufwand ignoriert werden.

      1. Okay, aber wie Gabriel bei VDS argumentiert oder eben auch nicht, hat ja jetzt erstmal wenig mit der britischen Regierung und ihrem Entwurf für ein Überwachungsgesetz zu tun. Aber klar, May ist bei diesem Entwurf nicht gerade dadurch aufgefallen, die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen zu erwägen, sondern eher mit Maximalforderungen vorgeprescht.

    1. Ja. Und nicht nur Gabriel. Auch Maas, Merkel und andere. Plötzlich reden sie von Grundrechten, Menschenwürde, Werte … irre! Beim Thema VDS klang das noch ganz anders: wenn es um den Machterhalt geht, dürfen Grundrechte keine Rolle spielen (Fahimi, SPD); Flüchtlinge bewachen, Deutsche überwachen (Maas, SPD).

      1. Das nennt sich heute „Pragmatismus“, früher nannte man es „die Fahne nach dem Wind drehen“!
        Gesetze formulieren, so wie man sie gerade benötigt, freie „Fahrt“ für freie Politiker!
        Um das zu erreichen, habe unsere Politiker z.B. die Polizei ( http://www.focus.de/politik/deutschland/fluechtlingskrise-polizei-macht-500-000-ueberstunden-wegen-grenzkontrollen_id_5064420.html ) kaputt gespart, damit diese die Bundeswehr im Inneren einsetzen darf, als „Hilfspolizisten“ mit Waffen, versteht sich!
        Warum wohl hat Frau Merkel sonst alle Eingeladen? http://m.welt.de/politik/ausland/article148342236/Junger-Afghane-total-enttaeuscht-von-Europa.html
        Tja, die Partner werden langsam ungeduldig, die Bundeswehr darf auf dem Gebiet der SBZonen nicht eingesetzt werden, tja … das leidige Problem unserer Freien Politiker (Volks-Vertreter) ist hier das Grundgesetz, das die Siegermächte mit „wenig Weitsicht“ (so Argumentieren unsere Vertreter) erstellt haben und an das sich unsere Vertreter zu halten haben!
        Aber unsere Vertreter möchten gerne eine europäische Armee ( http://m.welt.de/politik/deutschland/article138223059/Kanzlerin-Merkel-sagt-Ja-zu-europaeischer-Armee.html ), nur darf die Bundeswehr im Inneren nicht eingesetzt werden, nicht schön … für die Vertreter!
        … also was machen unsere Haustür-Vertreter?
        Sie Lügen und betrügen ihre Kunden … für ein gutes Geschäft!
        Grundgesetz und Grundrechte stehen hier explizit dem „guten Geschäft“ der Vertreter im Wege!
        Doch die Vertreter brauchen „gute Abschlüsse“, sonst gibt es nach dem Mandat keine Rendite!
        … zum Thema Mafia Strukturen … https://netzpolitik.org/2015/merkel-verspricht-verlegern-weniger-datenschutz-und-mehr-urheberrecht/#comment-1973939

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