Remixer #50 David Wessel: „Ich erhalte täglich zwischen drei und fünf Strikes“ [Update]

David Wessel aka Mashup Germany

In der Serie “Remixer/in” geht es um Menschen und ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Remix und Remix-Kultur. Anlässlich des 50. Beitrags in der Serie haben wir ein zweites Interview mit unserem allersten Interviewpartner geführt: David Wessel aka Mashup-Germany.

David Wessel ist gebürtiger Kölner mit amerkanischem Reisepass und wohnt in Frankfurt. Unter dem Namen Mashup Germany produziert er seit einigen Jahren sehr erfolgreich Audiomashups und veröffentlicht diese kostenlos im Internet. Er unterstützt die Initiative für ein Recht auf Remix seit Beginn und war im Mai 2013 auch der erste Interviewpartner in dieser Serie, sprach dabei vom „größten Generationenkonflikt seit der 68er-Bewegung“. Wie rechtlich prekär sein Schaffen ist, wurde aber gerade kürzlich erst wieder deutlich, als Soundcloud seinen Account wegen multipler Urheberrechtsverletzung gesperrt hat.

Lieber David, Du kämpfst gerade mit Soundcloud – was ist passiert…

Mein Soundcloud Account „MashupGermany“ wurde gesperrt, nachdem er seinen dritten sogenannten „Strike“ wegen Verstöße gegen das Urheberrecht erhalten hat. Überlichweise wird ein solcher Account nach sieben Tagen gelöscht. Mein Account ist immer noch online, allerdings kann ich ihn nicht mehr aktiv verwenden und erhalte täglich zwischen drei und fünf weiterer Strikes. In den Jahren zuvor wurde ich in Ruhe gelassen.

…und was ist das Problem?

Wie man der Presse entnehmen kann, ist Soundcloud derzeit erheblichen Druck seitens der Major Labels ausgesetzt, und die Verschärfung ihrer Take-Down-Policy, bzw. dessen strikte Anwendung, könnte das Result dessen sein. Vielleicht wurde aber auch nur der Content-Erkennungsalgorithmus verbessert oder die Umstellung meines Accounts auf das hypeddit-System, bei dem der User einen Kommentar zum Track hinterlassen muss, bevor er diesen herunterladen kann, könnte schlafende Geister geweckt haben. Das sind aber alles nur Spekulationen.

Hast Du versucht, mit den Labels Kontakt aufzunehmen? Wie war deren Reaktion?

Ich habe mit der Copyrightabteilung der Sony gesprochen. Diese haben sehr verständnisvoll reagiert, leider sind aber auch ihnen die Hände gebunden. Die Strikes kamen von der IFPI, die die Sony weltweit bei der Durchsetzung ihres Urheber- und Leistungsschutzanrechts vertritt.

Einer der Strikes war wegen „Wadde Funk Da“, eine Produktion, die ich für Brainpool und meinen Besuch bei TV Total produziert hatte. Leider galten die erworbenen Rechte nur im Rahmen der Sendung und nicht etwa für den Stream auf Soundcloud. Ein weiterer Strike galt meinem „REBOOT:SUMMER“ DJ Mix, der über 90 Minuten lang ist. Leider konnte mir weder Soundcloud noch Sony den beanstandeten Content nennen, so dass ich gar keine Möglichkeit habe, diesen und den dritten Strike von der Universal Music Group auf den „UPPERS & DOWNERS“ Mashup Mix, clearen zu können.

Wenn Dein Account geschlossen werden sollte, hast Du dann schon Pläne und Ideen für eine Alternative?

Aktuell verfolge ich verschiedene Ansätze, wie ich meine Mashups künftig präsentieren werde. Dies beinhaltet allerdings auch eine Variante, die vollständig auf Downloads verzichtet. Das fände ich sehr schade, aber die aktuelle Situation lässt bald nichts anderes mehr zu.

Du hast mittlerweile über 250.000 Facebook-Fans, das sind eigentlich Popstar-Dimensionen. Im Radio werden Deine Mashups aber kaum gespielt – gibt es da eigentlich Anfragen von Radiosendern?

Meine Mashups laufen regelmäßig bei fast allen deutschen Sendern. Bei 1Live begleite ich das Programm beispielsweise seit ca. einem Jahr regelmäßig mit neuen Mixen und Mashups beispielsweise für Rock am Ring oder die 1Live Krone. In die Tagesrotation schaffen es Mashups allerdings äußerst selten, was primär an der ungeklärten rechtlichen Situation liegt.

Deswegen haben wir auch vor ca. zwei Jahren den online Mashup Radiokanal bei Iloveradio.de gestartet, den ich musikalisch gestalte und auf dem die besten Mashups aus aller Welt 24/7 laufen. Vor gut einem Jahr haben wir zudem die deutschen Mashup-Charts gestartet, um insbesondere Newcomer der Szene zu fördern.

Schon vor langer Zeit hast Du Dich wie viele andere Mashup-Künstler für ein „Recht auf Remix“ ausgesprochen. Es gibt aber kaum Mainstream-Künstler, die sich auch dazu äußern (wollen) – woran liegt das?

Weil der Leidensdruck nicht hoch genug ist und aus Angst vor Repression. Wer sich erhebt, um zu sprechen macht sich sich sichtbar und vergrößert seine potentielle Angriffsfläche. Davor schrecken viele, insbesondere bekanntere Künstler, zurück. Zudem wechseln viele der Besagten früher oder später in das Segment der monetisierbaren Eigenproduktion.

Wie geht es allgemein bei Dir weiter?

Gerade konnte ich mich in Schweden eine Woche lang von den vergangenen Festivalwochen erholen. Ich saß viel im Flieger und wurde häufig mit Farbe oder Wasser beworfen. Jetzt stehen noch einige Festivals an und dann möchte ich mich, bevor im Herbst die nächste Clubtour startet, wieder auf die Produktion konzentrieren. In den nächsten Monaten stehen dann auch die „Deep Exception – Vol.3“, ein DeepHouse-Mashup-Set, sowie das Mashup zur „1Live Krone 2015“ an. Es bleibt also spannend.

[Update, 30.07., 23:20]
Inzwischen wurde der Soundcloud-Account von Mashup Germany mit über 150.000 Followern gesperrt.
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Das ist ein Crosspost vom Blog der Initiative ‘Recht auf Remix‘, die in einer Petition um Unterstützung samt Link zum persönlichen Lieblingsremix bittet und zum Schlenderin im online Remix-Museum einlädt.

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6 Ergänzungen

  1. „In den letzten 20 Jahren hat es einen beispiellosen Konzentrationsprozess in den Medien gegeben. Nie zuvor in der Geschichte gab es eine Zeit, in der mehr von unserer „Kultur“ in „Eigentum“ stand als heute. Und dazu war niemals zuvor die Machtkonzentration bei der Kontrolle der Nutzung der Kultur so unangezweifelt akzeptiert wie heute.

    Während Copyright in den USA einst auf 14 Jahre begrenzt war und nur direkte Reproduktionen verbot, wurde das Recht zeitlich immer weiter ausgedehnt (heute 95 Jahre) und umfasst mittlerweile zahlreiche Arten der Kopie, Bearbeitung und Transformation.

    Es ist nachgewiesen, dass jede Industrie, die heute zugunsten stärkerer Urheberrechte eintritt, in ihrer Entstehung vom eingeschränkten Rechtsschutz der damaligen Zeit profitierte. Zurückgehend auf die Verlage, die Filmindustrie, die Fotoindustrie, das Radio sowie die Kabelgesellschaften nutzten sie teilweise Werke, die unter den damaligen Bedingungen noch frei waren, oder sie gingen zu Recht von einer mangelnden Rechtsdurchsetzung aus.

    Die Interessen der Medienwirtschaft besteht vor allem in der Anhäufung von Kapital und weniger im freien Austausch von Ideen. Die Produkte, die diese Wirtschaft produziert, sind steril, sicher und homogen. Gleichzeitig nutzten sie beeinträchtigte Gesetzgebungsverfahren zu einer Art der Korruption, um Gesetze in ihrem Sinne durchzusetzen. Fern davon, das eigentliche Werk zu schützen, deckt Copyright mittlerweile auch einzelne Ideen oder Aspekte ab. Zwar ist es unter bestimmten Umständen möglich, die Erlaubnis der Rechteinhaber einzuholen, jedoch ist dies meist sehr umständlich und kostspielig.

    Eine „Erlaubniskultur“ ist das Gegenteil einer „freien Kultur.“ Für die Gesundheit eines demokratischen Systems ist es unerlässlich, auf bestehende Kultur zurückgreifen zu können, sie zu verbreitern, zu kommentieren, sie zu verändern und Neues aus ihr zu schaffen.“

    (Text nach Lawrence Lessig)

  2. Was ich mich immer frage… Was soll das mit dem geremixe denn eigentlich sein? Also, ich bin ja gegen viele Dinge des Urheberrechtes, aber das?! Warum macht denn einer, der „Künstler“ ist bzw. sein will, nicht einfach seine Musik SELBER. Ich mache viel mit Fotografie, und habe einfach aufgehört, fremdes Material zu verwenden. Einfach selbst ist der Mann. Und alle Probleme sind weg. Und wenn einer mein Foto „klaut“ dann freu ich mich, weil ICH habe es aufgenommen, und einem ANDEREN gefällt das wohl. Ich finde die ganze Coverei ehrlich gesagt witzlos und sinnlos. Künstler sollen einfach selbst was schaffen, oder sich einen ordentlichen Job suchen, und die Kunst als Hobby machen. Und was du dir selber auf deinem PC zusammen mischst, und auf deinem eigenen Gerät im Wohnzimmer hörst, weiß keiner, und merkt auch keiner. Außer! man muß sich ins Rampenlicht stellen und Selbstdarstellung betreiben. Weil man ja unbedingt auf youtube „seine“ tollen Sachen mit Werbung anbieten muss.

    1. Ein Mashup oder Remix ist „selbst was schaffen“, niemand schöpft aus dem Nichts. Der Unterschied bei Remix ist nur, dass das Alte im Neuen erhalten bleibt und gerade daraus Spannung schöpft. Natürlich gibt es – wie bei jedem Genre – gute und weniger gute Remixes, aber Remixkunst ist sicher keinesfalls a priori weniger „originell“ als Nicht-Remixkunst. Genau um das zu belegen haben wir auch das online Remix-Museum eröffnet.

  3. Ich bin zufällig auf dieser Seite gelandet und hab dann auch gleich mal das Remix Museum besucht. Bin da beim Grey Album gelandet. Da wird der Beatles-Song While My Guitar Gently Weeps remixt.
    @Leonhard: Du schreibst ja, dass das Alte im Neuen erhalten bleibt und gerade daraus Spannung schöpft. An welcher Stelle von diesem Remix Spannung entsteht, ist mir aber leider verborgen geblieben oder bin ich nicht fähig diese zu entdecken, weil ich Musik mit der Gitarre entstehen lasse und nicht am PC? Wenn ich die Beatles hören will, lege ich mir eine Platte von denen auf, will ich Hiphop, Rap oder Techno hören, dann lege ich halt ne CD aus diesem Genre auf. Die Beatles haben sich beim Songschreiben schon was gedacht und Sprechgesang kannten die auch schon – ist also nichts Neues. Ich finde nicht, das was Neues geschaffen wird, wenn – wie am Beispiel – eine Akkordfolge eines Beatlessongs als Loop genommen, der Text abgeschnitten wird und dann darauf ein neuer Text gesprochen bzw. gesungen wird. Das es auch anders geht beweisen Fanta Vier und die Söhne Mannheims, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber die Welt ist natürlich für alles offen und heutzutage kann ja jeder tun und lassen was er will. Es stellt sich zum Schluß die Frage, ob denn die Hörer der Remixe sich auch mal an die Originale heranwagen oder da nur der Kopf geschüttelt wird.

    1. Ich höre relativ viele elektronische Mixsets und Remixes. Immer wieder mal kommt es vor, dass ich dort Songs höre, die geremixt sind, von denen ich das nicht gedacht hätte. Dann recherchiere ich dem Originalsong hinterher, und finde nicht selten noch andere Remixes aus komplett anderen Musikrichtungen. Ich finde es extrem interessant, der Quelle nachzuforschen (die sich ja häufig auch schon anderswo bedient), und auch zu sehen, was andere daraus machen.
      Klar schwankt die Qualität dabei in einem weiten Bereich, aber den Remixern jegliche Eigenleistung abzuerkennen, halte ich für durchaus sehr gewagt. Oft kommen da ja auch Elemente dazu, die der Originalinterpret gar nicht so vorhergesehen hätte, die aber trotzdem sehr gut passen.
      Sehr häufig entsteht auch richtig interessantes durch Kombination zweier Stücke. Lasagne schmeckt ja auch anders, als wenn ich gekochte Lasagneblätter, Bolognesesauße und Käse miteinander in einen Teller schmeiße, ist also mehr als nur die Summe seiner Teile. Ähnlich sehe ich das auch bei Mixes und Mashups.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.