Politik der Mikroentscheidungen: Wie Netzneutralität und NSA-Überwachung zusammenhängen

Router und andere Knotenpunkte im Internet treffen jeden Moment eine Reihe an Entscheidungen, wie sie mit den ständig eintreffenden Datenpaketen umgehen. Welcher Pfad zum Ziel ist der Beste, wie schnell kann ich ein Paket verarbeiten, welche Priorität gestehe ich ihm zu? Der Medienwissenschaftler Florian Sprenger nennt in seinem neuen Buch dieses Phänomen „Mikroentscheidungen“, das in den Debatten rund um Netzneutralität und die Internet-Massenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA eine bloß marginale Rolle spielt. Diese für Menschen kaum wahrnehmbaren, kurzen Unterbrechungen des Datenflusses üben jedoch mehr Macht aus, als auf den ersten Blick erkennbar ist:

Diese Mikroentscheidungen unterbrechen den Strom der Daten, um ihre Verteilung zu kontrollieren. Sie sind nicht an individuelle Entscheider gebunden, sondern so wirksam, weil sie automatisiert in unüberschaubarer Anzahl und kürzester Zeit nach einem festen Regelwerk vonstattengehen. Sie verschränken soziale und technische Ebenen: Ihr protokollarisches Regelwerk ist in Aushandlungsprozessen zwischen verschiedenen Interessengruppen festgelegt worden und sie erzeugen Verbindungen oder Trennungen zwischen den Menschen an den Endpunkten des Netzes, aber sie sind technisch durch verbindliche Protokolle für den Ablauf von Prozessen implementiert.

Mikroentscheidungen würden „die kleinste Einheit wie die technische Voraussetzung einer gegenwärtigen Politik der Netzwerke“ darstellen. An diesem Punkt treffen Überwachungspraxis und die mögliche Aufhebung der Netzneutralität aufeinander: Beide würden „zu wesentlichen Teilen auf den gleichen medientechnischen Möglichkeiten von Mikroentscheidungen“ basieren und zwei Seiten einer Medaille verkörpern.

Das Buch „Politik der Mikroentscheidungen“ ist bei meson press erschienen, unter CC-BY-SA 4.0 lizensiert und lässt sich in deutscher sowie englischer Sprache kostenlos herunterladen. Mehr zum Thema gibt’s in einem Interview mit der FAZ.

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