Netzsperren: EU-Kommission ist „bemüht“

Die EU-Justizkommissarin Věra Jourová hat sich auf eine Nachfrage der Europa-Piratin Julia Reda zur Sperrung der Webseiten des Chaos Computer Clubs (CCC) durch britische Provider Ende letzten Jahres in einem Brief (pdf) geäußert, den wir hier veröffentlichen. Reda hatte gefragt, ob und wie die Kommission auf die begründungslose Blockierung der CCC-Seiten für britische Kunden reagieren würde.

Die Antwort bleibt vage und eher grundsätzlicher Natur. Man „bemüht“ sich aber.

Die Kommission ist der Auffassung, dass die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft ein Grundrecht darstellen. Sie ist bemüht, die Wahrung dieses Rechts mit allen ihr im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Verfügung stehenden Instrumenten sicherzustellen.

Man habe immerhin die

Vision des Internets als einheitliches, offenes, neutrales, freies und unfragmentiertes Netzwerk, das denselben Gesetzen unterliegt, die im Offline-Bereich gelten, in dem jeder Einzelne seine Rechte genießt und Rechtsmittel einlegen kann, wenn diese Rechte verletzt werden.

Die britischen Opt-Out-Sperren sollen angeblich gegen pornographische Inhalte und Terror-Propaganda helfen. Der CCC hatte die Zensur seiner Inhalte in Großbritannien kritisiert. Im Dezember konnte ein Teil der britischen Netznutzer, etwa die Kunden von Vodafone UK, nicht mehr auf ccc.de zugreifen. Betroffen waren auch die Ticket-Vorverkaufsseiten des Chaos Communication Congress.

Das „Overblocking“ in Großbritannien und auch in Frankreich wird von vielen Seiten kritisiert und im britischen Fall wegen der vielen betroffenen Seiten schon „The Great Firewall of Britain“ genannt. Jourová kündigt nun an, dass

die Kommission die Notwendigkeit einer spezifischen Initiative zu Melde- und Abhilfeverfahren, die Rechtssicherheit und Transparenz in Bezug auf die Art und Weise, wie Online-Vermittler vermeintlich illegale Inhalte vom Netz nehmen,

erstmal analysieren wolle.

Auch Jennifer Baker berichtet für The Register von einer geplanten „EU-wide complaint procedure“, die es für fälschlicherweise blockierte Webseiten geben soll.

Der im Europarat für Menschenrechte zuständige Nils Muižnieks hatte die Sperrpraktiken in Europa kritisiert, speziell für den Fall Frankreich:

The blocking of internet sites without prior judicial authorisation which recently started in France is a clear example of the risks that such measures represent for human rights, and particularly for freedom of expression and the right to receive and communicate information.

Man könnte es auch rechtsfreier Raum nennen.

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5 Ergänzungen

  1. Ist es ketzerisch eine Parallele zur jüngsten Unerreichbarkeit der TV5-Seite zu ziehen, bei der andere Stakeholder das dumpfe Gefühl im Bauch hatten, TV5 solle mal etwas schlechter erreichbar sein?

    Das eine mal sind es Verantwortliche bei einem „terroristischen Verein“, das andere mal ein staatlich organisierter Zensor, der die Zensurliste vielleicht mit seine politische Überzeugung angereichert hat. Gemeinsam ist beiden, dass Willkür herrscht, dass man es eine Weile lang über sich ergehen lassen muss und der Angreifer irgendwann aufgibt – und der Schaden angerichtet ist.

    In der Realität scheint das Internet doch noch ein ziemlich rechtsfreier Raum zu sein – insbesondere für staatliche Autoritäten und andere Gesetzlose ;-)

    1. Also das ist ja eine Frechheit!
      Das Internet ist natürlich kein rechtsfreier Raum. Der Unterschied zum Altland ist nur, dass Staaten natürlich nicht dafür zuständig sind, dort Menschenrechte zu schützen, sondern es einen Multistakeholder-Approach für die Wahrung geben muss. Und wenn Firmen das nicht wollen, dann können Staaten dort natürlich auch keine Menschenrechte schützen – das wäre ja eine Missachtung des Multistakeholderismus.

      Das ist natürlich anders bei Terror und Copyrightverletzungen. Insbesondere Copyrightverletzungen finden primär analog statt, daher ist das da anders.

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