Netzpolitischer Wochenrückblick KW 4

rabbitHallo und herzlich willkommen zum unserem netzpolitischen Wochenrückblick für die vierte Kalenderwoche!

Die Lage scheint sich in dieser Woche zunehmend zu verschärfen und eine breite Front macht noch immer Stimmung für den Ausbau anlassloser Massenüberwachung und für die weitere Einschränkung von Grundrechten: Nachdem sich David Cameron in der vergangenen Woche für ein Verbot von verschlüsselter Kommunikation eingesetzt hat, sprang ihm Barack Obama bei. Der EU-Anti-Terror-Koordinator Gilles de Kerchove verfolgt ganz ähnliche Pläne: Als Antwort auf die zunehmende Verschlüsselung von Kommunikation will er IT-Anbieter verpflichten, Hintertüren in deren Produkte einzubauen, um das Abhören durch staatliche Behörden zu ermöglichen. Und selbstverständlich erklärt unser Bundesinnenminister Thomas de Maiziere diesen Ideen seine uneingeschränkte Solidarität. Dafür fordert der Chaos Computer Club das Ende unverschlüsselter Kommunikation.

Auch Flugreisende werden mehr und mehr drangsaliert: Sollte es auf europäischer Ebene nicht zu einer gemeinsamen Richtlinie zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten kommen, streben einige Mitgliedsstaaten der EU eine eigene, länderübergreifende Speicherung von Fluggastdaten an.

In Deutschland scheinen die Regierungsparteien zurückzurudern: Auf der Bundespressekonferenz gab die Bundesregierung diese Woche an, dass es keine offiziellen Bestrebungen gebe, die Verschlüsselung von Kommunikation zu umgehen oder die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Wir haben andere Informationen, messen daher diesen Beteuerungen keine allzu große Wirkung bei und bleiben wachsam.

Noch einmal zurück nach Amerika: Barack Obama thematisierte in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation auch die Themen Netzneutralität und die allgemeine Sicherheit im Netz. Etwas überraschend: Der NSA-Skandal sei für ihn „noch nicht beendet“. Lasst das mal unsere Bundesregierung hören! In der Tat ist diese Suppe noch lange nicht ausgelöffelt – neue Snowden-Dokumente zeigen einmal mehr, wie sehr sich die NSA von den eigentlichen Aufgabe einer Sicherheits- oder Aufklärbehörde entfernt hat. Dafür baut sich unser Bundesnachrichtendienst einen rechtsfreien Raum.

In die Urheberrechtsdebatte ist auf der EU-Ebene neuer Wind gekommen: Die Piratenabgeordnete, Julia Reda, hat im Europaparlament einen umfassenden Report für eine Urheberrechtsreform vorgelegt. Dazu gab es von vielen Seiten anerkennende und hoffnungsvolle Worte.

Leider gibt es über unser Kernthema Netzneutralität weniger erfreuliches zu berichten: Ein neues EU-Ratspapier ist voller Lücken, die eine echte Netzneutralität aushebeln könnten. Auch unser allseits beliebter EU-Digitalkommissar Günther Oettinger hat beim Thema Netzneutralität wohl noch einige Wissenslücken und benutzt munter Autovergleiche, um diese zu untermauern. Auch britische Internetprovider sprachen sich scheinbar für eine Netzneutralität aus – leider entpuppen sich deren Forderungen aber als heiße Luft. Zum Glück regt sich aber auch der Widerstand: Eine Großzahl europäischer Verbraucher-, Bürgerrechts und Industrieorganisationen hat einen offenen Brief an alle EU-Repräsentanten formuliert, um eine echte Netzneutralität durchzusetzen.

An anderer Front engagiert sich der Chaos Computer Club und klagte diese Woche in Hamburg auf die Durchsetzung des Transzparenzgesetzes gegen die dortige Handelskammer. In den USA wurde der Journalist und Anonymous-Aktivist Barrett Brown zu 63 Monaten Haft verurteilt – für das Posten eines Weblinks, der auf geleakte Dokumente führte. Über das Schicksal eines anderen Whistleblower wurde ebenfalls in einem empfehlenswerten Talk auf dem 31c3 gesprochen. Auch fand am Donnerstag die Verleihung des Whistleblowerpreises der Sam Adams Associates statt, über die wir noch gesondert berichten werden.

Zum Abschluss unserer Zusammenfassung gibt es noch einige Linktipps, die wir in dieser Woche verbloggt haben: Was beim BND unter Routineverkehr zu verstehen ist, wurde auf neusprech.org erklärt. Auf wired.de kann man mithilfe von „Datenblumen“ einsehen, welche Tracking-Daten Websites so von einem sammeln. Der Online-Salon Edge.org veröffentlichte 186 Antworten von verschiedenen AutorenInnen auf die Frage „What do you think about machines that think?“. Auf The Verge gibt es eine spannende Reportage über die Überwachung bahrainischer Aktivisten und die Firma Deixis hat eine interaktive Überwachungskarte von Deutschland erstellt.

Wir wünschen wie immer ein erfreuliches Wochenende und halten für euch solange die Stellung. Bis Montag!

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Eine Ergänzung

  1. Programmhinweis:

    heute-show vom 23.01.2015. Sehenswert.
    Themen u.a. Terror, Überwachung, Vorratsdatenspeicherung.

    Sinngemäßes Zitat Oliver Welke:
    „Die Antwort auf Terrorismus ist nicht mehr Überwachung, sondern mehr Integration. Den jungen Männern Perspektiven bieten, damit sie nicht zu Terroristen werden.“

    Manchmal bin ich froh über all die Menschen, die ihre persönlichen Möglichkeiten nutzen, für das Gute zu kämpfen. Oliver Welke gehört zu diesen Menschen. Danke.

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