Netzpolitischer Wochenrückblick – KW 18 – BND-Skandal, Vorratsdatenspeicherung und der digitale Binnenmarkt

Ein schwarzer Peter sucht ein neues Zuhause – CC BY 2.0, via flickr

Herzlich Willkommen zu unserem 18. netzpolitischen Wochenrückblick des Jahres.

Nach dem Bekanntwerden des letzten BND-Skandals begann diese Woche der Eiertanz darum, wer denn eigentlich die Verantwortung dafür trägt. Das Bundeskanzleramt identifizierte „technische und organisatorische Defizite beim BND“ und erteilte Weisung, diese unverzüglich zu beheben, hatte aber sonst nicht viel hinzuzufügen. Kein Wunder, dass sich die Behörde eher still verhält, denn als übergeordnetes Kontrollorgan wusste es schon seit mindestens 2008 über die illegalen Vorgänge Bescheid, ohne in irgendeiner Form dagegen tätig zu werden.

Der damalige Kanzleramtschef und derzeitige Innenminister Thomas de Maizière würde ja liebend gerne ein wenig Licht in die Sache bringen und die „Unterstellungen“ aufklären, kann das aber mit Verweis auf „geheime“ und „streng geheime“ Unterlagen leider nicht öffentlich machen. Stattdessen möchte er „möglichst schnell“ dem NSA-Untersuchungsausschuss und dem Parlamentarischen Kontrollgremium Rede und Antwort stehen. Ob er auf diese Art seine eigene Verantwortung und die des Kanzleramtes wegschieben kann darf man jedoch getrost bezweifeln, denn „die aktuellen Ereignissen bestätigen doch letztlich nur das, was lange zu ahnen war: Das devote Katzbuckeln der deutschen Regierung vor den Freunden auf der anderen Seite des Atlantik“, wie Anna kommentiert. Markus wiederum war in der Phoenix-Runde zu Gast und vertrat dort gegenüber drei Geheimdienstverstehern unsere Meinung zum Skandal.

Und damit der Überblick nicht verloren geht, dokumentieren wir relevante Stellungnahmen zur Affäre und fassen zusammen, um was es eigentlich geht. Ebenfalls hilfreich ist eine Infografik von Zeit Online, die einen Überblick über die Ereignisse der vergangenen 14 Jahre verschafft.

Auch im Geheimen spielt eine Nebenabrede zur Vorratsdatenspeicherung – nein, Moment, im „Nicht-Öffentlichen“. Darin wird festgeschrieben, dass Behörden über die Bestandsdatenauskunft auch ohne Richtervorbehalt auf Vorratsdaten zugreifen dürfen. Trotz aller linguistischen Bemühungen ist es der Bundesregierung jedoch nicht gelungen, den Deckel auf dieser Information draufzuhalten. Wir haben gerne dabei geholfen, aus der nicht-öffentlichen Nebenabrede eine öffentliche zu machen und stellen auch weiterhin gerne unseren Serverplatz für solche Dokumente bereit. Zumindest indirekt hat sie jetzt eingestanden, dass es eine solche Nebenabrede sehr wohl in die Vereinbarung zwischen Justiz- und Innenministerium geschafft hat. Zum Rest der neuen Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung äußerte sich die Regierung mit ein paar Tagen Verspätung und zeigt sich zuversichtlich, dass die Regelungen zur Speicherung der Verkehrs- und Standortdaten sowohl den Vorgaben aus Karlsruhe als auch dem Urteil des EuGH gerecht werden. Dass das nicht einfach wird, zeigt zuletzt die Slowakei, dessen Verfassungsgerichtshof die nationale Vorratsdatenspeicherung gekippt hat. Zudem stellt sich die Frage, warum die deutsche Regierung bei der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung soviel lügen müss, wenn doch alles so lupenrein sein soll.

Ganz offen plaudert unser Digital-Kommissar Günther Oettinger über alle möglichen netzpolitischen Themen in einem Interview, bei dem das Lachen im Hals stecken bleibt. Darin behauptet er etwa, dass die EU-Kommission 2016 einen neuen Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung starten werde, was diese jedoch energisch dementiert.

Komplett still verhält sich die Regierung wiederum beim Thema der Massenüberwachung des britischen Geheimdienstes GCHQ, gegen den seit 2013 eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorliegt. Obwohl unsere eigene Constanze Kurz als deutsche Staatsbürgerin eine der Beschwerdeführerinnen ist, verzichtete die Regierung auf eine Stellungnahme vor dem Gerichtshof, weil kein „besonders gelagerter Ausnahmefall“ vorliege. Anders gesagt: Es ist alles normal, bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes wurde bekannt, dass das Bundeskriminalamt Daten über linke Aktivisten rechtswidrig gespeichert hat. Man habe aber aus dem Vorfall gelernt und die zuständigen Mitarbeiter „entsprechend sensibilisiert“ sowie neue „Fachunterlagen“ erstellt. Wie beruhigend. Weniger Glück hatte einer unserer Leser, der eine abschlägige Antwort auf seine Anfrage nach der Errichtungsanordnung der Datei „Sportgewalt Berlin“ inklusive Beschreibung der darin vorhandenen Datenkategorien und Datenmodelle erhielt. Offenbar gefährdet das Bekanntwerden der Dateistruktur von „Sportgewalt Berlin“ die innere Sicherheit und muss somit geheim bleiben. Öffentlich wurde hingegen, dass der Staatstrojaner für Quellen-TKÜ ab Herbst zum Einsatz kommen soll.

Während die EU-Kommission ihre Probleme mit Verschlüsselung hat und Gespräche mit Twitter, Google, Microsoft sowie Facebook plant, wohl, um sie zum Einbau von Hintertüren für verschlüsselte Kommunikation zu zwingen, ringt das EU-Parlament mit seiner eigenen IT-Sicherheit. Weil es keine passenden „Out-of-the-Box“-Verschlüsselungssoftware geben soll, möge man sich bis auf Weiteres mit der „internen Verschlüsselung“ von Office, 7zip und PDF begnügen.

Kirsten Fiedler hat die geleakte Strategie für den digitalen Binnenmarkt der EU-Kommission analysiert und kommt zum Schluss, dass der Wille für eine wahre Reform des Urheberrechts nicht vorhanden sei. Stattdessen konnte sich die Rechteinhaber-Lobby durchsetzen, die versucht, eine privatisierte, repressive Durchsetzung à la SOPA/PIPA zu erwirken. In einem Gastbeitrag spricht sich Cory Doctorow gegen das Geoblocking in der EU aus, das dem digitalen Binnenmarkt im Wege stehen würde.

Um Terrorismus besser bekämpfen zu können, schlägt die EU-Kommission ein „European Counter Terrorism Centre“ vor, was allerdings auf Widerstand zahlreicher Mitgliedsstaaten stößt, Deutschland inklusive.

Google will den digitalen Journalismus fördern und geht eine Kooperation mit acht angesehenen Publikationen ein, darunter die Zeit und FAZ aus Deutschland. Lorenz Matzat stuft das als „150 Millionen Euro-Freundschaftsgeschenk an Teile des Verlagswesens in Europa“ ein und sieht eine Menge problematischer Punkte bei der Vereinbarung.

Nächste Woche beginnt die re:publica-Konferenz mit zahllosen Vorträgen und Veranstaltungen. Wer da langsam den Überblick verliert, seien unsere ersten Programmempfehlungen ans Herz gelegt. Weitere kommen noch. Nicht fehlen darf die Netzpolitik-Redaktion, die an zahlreichen Vorträgen und Debatten teilnimmt.

Wir wünschen ein schönes Wochenende und freuen uns schon auf die re:publica’15!

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2 Ergänzungen

  1. Peter Altmaier (CDU) alias „schwarzer Peter“ reagierte auf steigende Stromkosten mit der Veröffentlichung einer Broschüre, in der er Energiespartips gab und zu einem Stromanbieterwechsel aufrief. Das war für die Katz!
    Schreibt der schwarze Peter bereits an einer neuen Broschüre für’s Kanzleramt? Du welchem Wechsel wird er aufrufen?

  2. „Zudem stellt sich die Frage, warum die deutsche Regierung bei der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung soviel lügen müss, wenn doch alles so lupenrein sein soll.“

    Eine Lügner-Regierung muss einfach so viel lügen, um den ganzen Unrat, den sie täglich anrichtet, nicht als Unrat oder kriminelle Handlungen erscheinen zu lassen.

    Fragt sich insgesamt für wen diese Überflüssigen eigentlich da sind.

    Ich habe eine plausible Antwort: Diese Überflüssigen sind allein dazu da, um sich täglich damit zu beschäftigen, wie sie den Weltfrieden, die eigene Bevölkerung sowie die Völker Europas maximal beschädigen können.

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