Netzneutralität: Das Abstimmungsverhalten der deutschen EU-Abgeordneten

Abstimmung gelaufen: keine klaren Regeln für ein offenes Internet in Europa

In der vergangenen Woche hat das EU-Parlament über Netzneutralität und Roaming im „Europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation“ abgestimmt. Da auf Antrag namentlich votiert wurde, können wir das Abstimmungsverhalten (PDF) der deutschen Abgeordneten näher aufschlüsseln.

Zum Hintergrund

Nachdem der zuständige Ausschuss des Parlaments den Standpunkt des Rates zuvor schon mit 51 zu 10 Stimmen gebilligt hatte, wiesen auch die EU-Abgeordneten in zweiter Lesung alle Änderungsanträge zurück. Die schrittweise Teil-Abschaffung der Roaming-Aufschläge und unklare Regeln im Bereich der Netzneutralität werden damit europäisches Recht. Der Kampf für ein offenes Netz und klare Regeln zur Netzneutralität ist nicht vorbei – er wird nur schwieriger.

Einige Abgeordneten hatten versucht, ein solches Ergebnis noch mit Änderungsanträgen/Amendments (Am) zu verhindern. Der Vorschlag zur kompletten Ablehnung des Standpunkts des Rates (Am1) scheiterte jedoch klar mit 163 Stimmen bei 500 Gegenstimmen und 27 Enthaltungen. Dieser Änderungsantrag ist hier aber nicht Thema.

Wir konzentrieren uns auf die weiteren Änderungsanträge, über die bei gleichem Wortlaut gleichzeitig abgestimmt wurde – wie über Am8 und Am19 (Am8=19). Alle Anträge mit den Nummern 2–24 hätten für klarere rechtliche Verhältnisse gesorgt bei:

  • Definition der Netzneutralität: Am2, Am8=19 sowie Am9=20,
  • Zero-Rating: Am3=14, Am10=21,
  • Spezialdiensten: Am6=17, Am7rev=18 sowie Am13=24,
  • Netzüberlastungen: Am5=16, Am12=23,
  • kategorienbasiertem Verkehrsmanagement: Am4=15, Am11=22.

Hinweis: Wenn Abgeordnete bei einzelnen Änderungsanträgen kein Votum abgegeben haben, wird dies hier – anders als eine explizite Enthaltung – zunächst nicht explizit aufgeführt. Der Vollständigkeit werden diese jedoch am Ende dieses Beitrags aufgeführt. Dort stellen wir nun auch die Rohdaten bereit.

CDU/CSU gegen Netzneutralität, ein Abweichler

Die 34 Abgeordneten der CDU/CSU sind in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) organisiert.
30 von ihnen stimmten gegen die Änderungsanträge 2–24, die für klarere Verhältnisse gesorgt hätten. Für Änderungen sprach sich allein Joachim Zeller (trotz Votum gegen Am2) aus. Die Abgeordneten Hohlmeier, McAllister und Winkler waren nicht anwesend.

SPD für Änderungen – außer beim Zero-Rating

Die 27 SPD-Abgeordneten sind Teil der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D).
Martin Schulz stimmte nicht mit ab. Hier sieht das Bild differenzierter aus: Mehrheitlich sprachen sich die SPD-Abgeordneten für Änderungen aus.

  • Jo Leinen und Constanze Krehl fallen aus dem Bild, sie stimmten dagegen: Leinen gegen alle Änderungen, Krehl enthielt sich bei Am8=19 und Am11=22.
  • Sechs SPD-Abgeordnete sprachen sich für alle Änderungsanträge 2–24 aus: Udo Bullman, Ismail Ertug, Knut Fleckenstein, Iris Hoffmann, Dietmar Köster und Joachim Schuster.
  • Die verbleibenden 18 Abgeordneten votierten für alle Anträge bis auf Am10=21, das das Zero-Rating klarer geregelt hätte. Zwölf von ihnen enthielten sich bei diesem Änderungsantrag (Geier, Kammerevert, Kaufmann, Lietz, Noichl, Neuser, Simon, Sippel, Steinruck, von Weizsäcker, Werner, Westphal), sechs Abgeordnete (Gebhard, Groote, Lange, Melior, Preuss, Rodust) stimmten dagegen. Bernd Lange sprach sich außerdem noch gegen Am2 und Am3=14 aus.

B90/Grüne, ÖDP, Piraten, LINKE: klares Votum für Änderungsanträge

  • Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA): Zehn Abgeordnete der Partei B90/Grüne, Julia Reda (Piratenpartei) und Klaus Buchner (ÖDP) stimmten für die Anträge 2–24. Die Grünen-Abgeordnete Helga Trüpel war nicht anwesend.
  • Konföderale Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL): Alle sieben Abgeordneten der Partei DIE LINKE sowie der parteilose Stefan Eck votierten ebenfalls für die Änderungsanträge 2–24.

AfD und ALFA: weiter gespalten

Die Abgeordneten der AfD und ihrer Splitterpartei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (ALFA) sind in der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) organisiert.

  • AfD: Markus Pretzell und Beatrix von Storch stimmten für die Änderungsanträge 2–24.
  • ALFA: Hans-Olaf Henkel, Bernd Kölmel, Bernd Lucke, Joachim Starbatty und Ulrike Trebesius sowie Arne Gericke (Familien-Partei) votierten dagegen.

FDP für Netzneutralität, Freie Wähler dagegen

Die drei FDP-Abgeordneten sind in der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) versammelt. Michael Theurer, Alexander Graf von Lambsdorff und Gesine Meißner (mit Gegenstimme bei Am2) stimmten für die Anträge 2–24, Ulrike Müller von den Freien Wählern – auch in der ALDE-Fraktion – gegen diese.

NPD: kannste trotzdem vergessen

Der (mindestens) fraktions-lose Udo Voigt (NPD) stimmte für die Änderungsanträge 2–24.

Die Partei (ergänzt)

Martin Sonneborn, Abgeordneter der Partei „Die Partei“ und fraktionslos, hat nicht abgestimmt.

[Berichtigung]
Frau Maria Noichl (SPD, S&D-Fraktion) wurde in einer früheren Version fälschlicherweise der CDU/EVP zugeordnet. Dies ist nun (04/11/2015 11:00) korrigiert. Wir bitten darum, den Fehler zu entschuldigen.
[Berichtigung]

[Ergänzung] Folgende Abgeordnete haben zu einzelnen Änderungsanträgen keine Stimme abgegeben:

  • Am2: Manfred Weber (CSU)
  • Am4=15: Daniel Caspary (CDU)
  • Am6=17: Wener Langen (CDU)
  • Am7rev=18rev: Thomas Händel (LINKE), Maria Heubuch (B90/Grüne), Bernd Kölmel (ALFA), Norbert Lins (CDU), Julia Reda (Piraten), Helmut Scholz (LINKE)
  • Am8=19: Jens Geier (SPD), Bernd Lange (SPD), Martina Werner (SPD)
  • Am11=22: Godelieve Quisthoudt-Rowohl (CDU)

Die Rohdaten, wie sie sich u.a. aus dem Protokoll des Europäischen Parlaments befreien lassen, sind
hier (ODF)
zu finden.
[Ergänzung]

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11 Ergänzungen

  1. Komplexität hat einen Namen: Europa.
    Gibts noch ne Tabelle (farbig) oder Infografik?
    Ich kapiers nicht. Die Variablen und Gleichungen sind nett, aber machen keinen Sinn.
    Als Manager in einem DAX-Konzern brauch ich ein Executive-Summary. Als Anreiz stelle ich eine nicht unerhebliche Spende in Aussicht.

    1. Eine nicht unerhebliche Spende für die Gegner der Netzneutralität, I reckon.

      Oder welches Interesse könnte ein DAX Manager an der Netzneutralität haben?

    1. Martin Sonneborn hat nicht abgestimmt, wurde vergessen und ergänzt.
      Außerdem stehen jetzt auch die zugrunde liegenden Daten in Tabellenform bereit.

    2. Herr Sonneborn nimmt konsequenter Weise und prinzipiell nicht an Abstimmungen teil. Er hat schon immer gesagt, dass ihn einzig die Abgeordnetenbezüge interessieren.

      1. Jau. Wo kann ich mich auf Sonneborns Posten bewerben? So nen Scheissjob kann ich auch machen. Lebenslange Spiesserrente beziehen für einen kleinen Frohndienst am Volke.

  2. Die Lobbyisten von Verschiedenen Konzernen waren es die die Abstimmung manipuliert haben.
    Aber ich Denke das ist hier jeden klar.

    1. > Die Lobbyisten von Verschiedenen(!) Konzernen waren es die die Abstimmung manipuliert haben.

      Nee, is nicht klar. Abgeordnete können von Lobbyisten manipuliert werden, und damit ihr Abstimmungsverhalten.
      Würde die Abstimmung manipuliert worden sein, dann handelte es sich um Betrug im Parlament, z.B durch Manipulation an der elektronischen Abstimmungstechnik.

      Was lieber einbürger haste nun gemeint?

  3. Das Protokoll ist mir ein wenig zu sperrig, aber rein aus Neugierde habe ich mal nach dem Grünen-Abgeordneten Sven Schulze gesucht, der angeblich nicht da gewesen sein soll und ihn hier nicht gefunden.

    http://www.europarl.europa.eu/meps/de/newgsasearch.html

    Ist das ein Flüchtigkeitsfehler? Es gibt nur ihn hier

    http://www.europarl.europa.eu/meps/de/124809/SVEN_SCHULZE_home.html

    und der ist alles andere als grün, außer hinter den Ohren vielleicht, sonst würde er auf seiner Facebookseite nicht so einen Unsinn zum Thema Netzneutralität schreiben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.