Mitschnitt PressekonferenzStrafanzeige gegen BND und Telekom wegen „Ausspähen unter Freunden“ eingereicht

In Österreich und Luxemburg wurden heute Strafanzeigen gegen BND, Deutsche Telekom und bisher unbekannte Mittäter eingereicht. Auf Basis interner Dokumente wird ihnen vorgeworfen, im Rahmen der Operation Eikonal bis zu 31 Staaten in Europa ausgespäht zu haben. Grüne Politiker aus ganz Europa wollen eine „Joint Investigation Activity“ gründen.

Verklagen BND und Telekom: Grüne Politiker Özdemir, Pilz und Kmiotek.

Wie bereits angekündigt, hat Peter Pilz, Nationalratsabgeordneter und Sicherheitssprecher der Grünen in Österreich, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien eingereicht. Namentlich verdächtigt werden die drei Telekom-Mitarbeiter Harald Helfrich, Wolfgang Alster und N. Knau sowie der BND-Mitarbeiter N. Siegert – alle aus der am Freitag veröffentlichten Mail. Die eigentlich Verantwortlichen sind derzeit noch unbekannt, sollen aber im Laufe der Ermittlungen bekannt werden.

Bei der heutigen Pressekonferenz waren auch Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen in Deutschland, sowie Christian Kmiotek, Vorsitzender der Grünen in Luxemburg, anwesend. Wir waren vor Ort und haben einen Audio-Mitschnitt der knapp einstündigen Pressekonferenz erstellt, den wir derzeit transkribieren: MP3, OGG. Die Eingangsstatements werden wortgetreu wiedergegeben, die Frage-Antwort-Runden sind zum Teil leicht gekürzt.

Neben der Strafanzeige veröffentlichen wir auch den Sprechzettel „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“ der Pressekonferenz. Darin befinden sich je elf Leitungen zu Österreich oder Luxemburg, die der BND 2005 auf seiner „Prioritätenliste“ hatte und somit abschnorcheln wollte:

Die „Zuschaltungen“ fanden auf Basis der Prioritätenlisten der NSA statt.

Auf einer dieser Listen finden sich neben Hunderten anderen Zielen auch weitere wichtige österreichische und luxemburgische Leitungen:

Österreich

LSZ Endstelle A Carrier Endstelle B Carrier
750 Rotterdam KPN Netherlands Wien Telekom Austria
750 Luxemburg P & T Luxemburg Wien Telekom Austria
750 Sydney Reach GNL Wien Telekom Austria
750 Tokyo KDDI Wien Telekom Austria
750 Manila PLDT Wien Telekom Austria
750 Amsterdam KPN Netherlands Salzburg Telekom Austria
750 Moscow Rostelekom Wien Telekom Austria
750 Amsterdam KPN Netherlands Wien Telekom Austria
750 Jakarta Indosat Wien Telekom Austria
750 Dublin Telecom Eireann Wien Telekom Austria
750 Stockholm Telia Sweden Wien Telekom Austria

Luxemburg

LSZ Endstelle A Carrier Endstelle B Carrier
750 Stockholm/Kista Tele2Sweden Luxemburg P & T Luxemburg
750 Luxemburg P & T Luxemburg Wien Telekom Austria
750 Luxemburg P & T Luxemburg Prag Czech Telekom
750 Helsinki Sonera Finland Luxemburg P & T Luxemburg
750 Ankara Turk Telecom Luxemburg P & T Luxemburg
750 Amsterdam KPN Netherlands Luxemburg P & T Luxemburg
750 Luxemburg P & T Luxemburg Zürich Swisscom
750 Luxemburg P & T Luxemburg Roma Telecom Italia
750 Luxemburg P & T Luxemburg Milan Telecom Italia
750 Luxemburg P & T Luxemburg Moscow Rostelekom
750 Copenhagen Tele Danmark Luxemburg P & T Luxemburg

Update: Jetzt hat die Österreichische Botschaft Berlin auf unsere Anfrage von Freitag geantwortet – mit einer Meldung der Austria Presse Agentur:

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Montag eine „lückenlose“ Aufklärung der BND-NSA-Affäre gefordert. Am Rande des Außenministerrates in Brüssel habe Kurz mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier über den Vorwurf der Spionage des deutschen Geheimdienstes BND in Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA in Österreich gesprochen, teilte das Außenministerium der APA mit.

Kurz habe sich demnach dafür ausgesprochen, dass die österreichischen und deutschen Sicherheitsbehörden für Aufklärung sorgen sollten. Man sei schon seit Tagen auf Botschafterebene bzw. „mit allen Beteiligten“ in Kontakt. Die Behörden würden bereits gemeinsam an der Aufkärung arbeiten, hieß es weiter.


Transkript Pressekonferenz

  • Cem Özdemir – Bundesvorstand Grüne Deutschland
  • Peter Pilz – sicherheitspolitischer Sprecher Nationalrat Grüne Österreich
  • Christian Kmiotek – Vorsitzender Grüne Luxemburg

Cem Özdemir

Wir haben uns heute hier versammelt, weil wir als gemeinsame überzeugte Europäer uns klar positionieren wollen, dass eine Relativierung europäischer Werte, zu denen auch das Recht gehört, dass man sich unter Freunden vertraut und nicht gegenseitig ausspioniert, dass wir das nicht akzeptieren und wollen uns da entsprechend klar positionieren. In der Öffentlichkeit geht es um eine mutmaßliche Industriespionage – das ist schon schlimm genug, wenn sich das erhärten sollte, dass geheimdienstliche Methoden verwendet werden, um Forschungserkenntnisse, Erkenntnisse aus der Wirtschaft, abgeschöpft zu werden. Jetzt gibt es aber noch einen zusätzlichen Vorwurf, nämlich einen Vorwurf in Richtung Ausspähaktionen gegenüber europäischen Freunden und Nachbarn. Das hat nochmal eine andere Dimension und die Vorwürfe stehen im Raum, dass es dabei zu einer Beteiligung des BND gekommen sein könnte. Das würde europäischen Werten diametral widersprechen. „Ausspähen von Freunden geht gar nicht“, hat mal eine prominente bundesdeutsche Politikerin gesagt, das sehen wir ganz genauso. Eine Abhöraktion bei unseren engsten Freunden – und als solche sehen wir die Österreicher und die Luxemburger, nicht nur als Partei, sondern auch, was die Länder angeht – Das wäre ein immenser Vertrauensverlust und politisch geradezu unverantwortlich, übrigens auch für die deutsche Außenpolitik, wir würden damit auch unseren eigenen, ureigensten Interessen massiven Schaden zufügen.

Es stehen hier schwerwiegende Vorwürfe im Raum, die müssen rückhaltlos aufgeklärt werden – Natürlich, um das sehr klar zu sagen: Niemand von uns zweifelt daran, dass berechtigte Sicherheitsinteressen geschützt werden müssen, niemand von uns bezweifelt, dass zur Bewahrung berechtigter Sicherheitsinteressen auch nachrichtendienstliche Methoden gehören, das ist nicht der Punkt. Aber vieles von dem, was hier jetzt gerade im Raum steht, hat nun ganz offensichtlich mit Terrorismus nicht die Bohne zu tun. Und es muss ja auch klar sein, dass die Bewahrung von Sicherheitsinteressen kein Freifahrtschein sein kann, dass die Überwachung aus dem Ruder läuft.

Es ist nicht akzeptabel, dass es einen geheimdienstlichen Staat innerhalb des Staates gibt, das wäre, wie gesagt, nicht akzeptabel. Unsere Verfassung gilt selbstredend auch für die Geheimdienste, deshalb begrüßen wir es, dass es dazu einen Untersuchungsausschuss gibt, und dass kritische Medien, engagierte Bürgerinnen und Bürger, sich entsprechend für Aufklärung einsetzen. Ich will das auch sehr klar sagen, das Parlamentarische Kontrollgremium und der NSU(sic!)-Bundestagsuntersuchungsauschuss benötigen zur Aufklärung endlich die Selektorenlisten. Ich finde, wenn man sich mal vorstellt, ein vergleichbarer Skandal in den USA, wie unsere US-amerikanischen Kollegen reagieren würden, die würden selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, dass sie Einsicht bekommen. Das gleiche Recht, das amerikanische Kollegen und Kolleginnen für sich in Anspruch nehmen, muss auch gelten für europäische Parlamente und für den deutschen Bundestag.

Das Schlimmste an dieser Vogel-Strauß-Politik, dieser Strategie der Bundesregierung, ist: Es wird vordergründig rückhaltlose Aufklärung versprochen, dann werden die Vorgänge, um die es geht, für streng geheim erklärt, und dann wird anschließend der Öffentlichkeit gesagt, dass man leider keine Auskunft geben kann. Und interessanterweise gehört zur Bundesregierung zur Öffentlichkeit auch der Deutsche Bundestag, also frei gewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die bedauerlicherweise diese Erkenntnisse nicht bekommen dürfen. Und um das Ganze dann noch zu krönen, entlasten sich die Verantwortlichen dann gleich noch selbst, wie das Thomas de Maizière kürzlich gemacht hat.

Unser Eindruck, um das zusammenzufassen: Die Bundesregierung will die Sache aussitzen und so weitermachen wie bisher.

Peter Pilz

Ich sag’s gleich am Anfang, damit es keine Missverständnisse gibt: Ich bin in vollkommen freundlicher Absicht nach Berlin gekommen und ich habe auch vor, das weiter so zu halten. [Lachen im Publikum]

Der Satz ihrer Kanzlerin ist bereits zitiert worden: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Als die deutsche Bundeskanzlerin seinerzeit Opfer eines amerikanischen Lauschangriffs geworden ist, hatte sie die volle Sympathie aller Menschen und selbstverständlich auch aller Politiker und Politkerinnen in Österreich. Jetzt hat sich die Situation geändert. Die deutsche Bundeskanzlerin ist heute nicht Opfer, sondern Chefin der Tatverdächtigen. Und als Chefin der Tatverdächtigen in einer Affäre, die auch Luxemburg, Österreich und andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betrifft, erwarten wir uns zumindest Aufklärung.

Jetzt mal kurz zu den Fakten. Durch viele Berichte in den deutschen Medien und insbesondere durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag, der für uns von sehr, sehr großer Bedeutung ist – auch wenn wir nicht alles erfahren, was dort in den Sitzungen herauskommt – ist es klar, und ist es für uns bereits außer Zweifel, dass es einen organisierten Angriff auf Datentransitleitungen der Telekom Austria AG gegeben hat. Die Basis dafür findet sich in diesem Vetrag der Deutschen Telekom AG mit dem Bundesnachrichtendienst vom 01. März 2004, in dem vereinbart wird, dass und wie der Bundesnachrichtendienst auf Leitungen zugreifen kann. Und diese Transitleitungen, und hier geht es ausschließlich um Transitleitungen, ausleiten kann. Das haben nicht wir recherchiert, sondern das haben sie bereits ausführlich beschrieben, wie in der Abfolge von Frankfurt aufgrund dieses Vertrags angemieteten BND-Büro und technischen Einrichtungen des BND in der Deutschen Telekom AG in Frankfurt weiter nach Pullach weiter nach Bad Aibling zur Joint Signal Activity, wo bereits Angehörige des NSA diese Datenströme erwartet haben mit ihren Selektoren. Das wissen wir alles.

Ich habe auch in Wien letzten Freitag ein E-Mail veröffentlicht, das für uns sowas wie einen ersten stichhaltigen Beweis darstellt. In diesem E-Mail des deutschen Telekommitarbeiters Harald Helfrich an Herr Siegert vom Bundesnachrichtendienst heißt es, „Hallo Herr Siegert, Herr Knau hat heute wieder eine STM-1 zugeschaltet“, das ist eine Transitleitung in einer bestimmten hohen Leitungsklasse. „In dieser befindet sich nun kein nationaler Verkehr mehr, aus diesem Grund fand auch die große Umschaltaktion statt.“

So weit wir das heute beurteilen können, ist damals Folgendes passiert: Als klar wurde, dass auch deutsche Personen, physische und juristische, offensichtlich Zielpersonen dieser Abschöpfung waren, ist es zu einer großen Umschaltaktion, die offensichtlich vom BND selbst so bezeichnet wurde, gekommen, und es ist umgeschaltet worden ausschließlich auf Transitleitungen durch Deutschland, wie es in diesem Vertrag steht, mit beiden Endpunkten außerhalb des Bundesgebietes der Bundesrepublik Deutschland. Und hier wird jetzt die große Umschaltaktion praktisch durchgeführt und da meldet der vollziehende Telekom-Mitarbeiter an seinen Empfänger vom Bundesnachrichtendienst: „Vier der darin befindlichen 2-Mbit-Strecken befinden sich auf Ihrer ersten Prioritätenliste, diese sind zu finden auf Kanal 2 Luxemburg-Wien“, und dann folgen weitere Leitungsbezeichnungen, die sehr viel mit Luxemburg zu tun haben und da wirst du [zu Christian Kmiotek] ja noch drauf eingehen.

Das heißt, es gibt eine Prioritätenliste. Diese Prioritätenlisten haben so ausgesehen: Die enthalten hunderte Leitungen, meines Wissens nach, und das ist der derzeitige Stand unserer Recherchen, besteht der Verdacht, dass die NSA diese Listen der Transitleitungen bekommen hat, markiert hat, welche von besonderem Interesse von ihr sind, das an den BND weitergegeben hat, der BND hat über seine Splitter genau dieses Licht in Frankfurt am Knoten ausgeleitet und über Pullach und Bad Aibling der NSA im Rahmen der Joint Signal Activity zugänglich gemacht. Davon gehen wir jetzt aus.

Was wir heute gemeinsam bekannt machen als Vertreter zweier betroffener Staaten, zwei von vielen betroffenen europäischen Staaten, sind zusätzliche Leitungen aus diesen Prioritätenlisten.

Es finden sich in Bezug auf die Telekom Austria AG von der NSA offensichtlich zur Überwachung angeforderte Leitungen zwischen Wien und Rotterdam, zwischen Wien und Luxemburg (das ist bekannt), zwischen Wien und Sydney, Wien und Tokio, Wien und Manila, Salzburg – Amsterdam, Wien – Moskau, Linz – Amsterdam, Wien – Jakarta, Wien – Dublin und Wien – Stockholm. Das sind 11 Stück. Damit sind wir im europäischen BND-NSA-Mittelfeld, im guten Mittelfeld. Ich werde nicht detailliert über andere Staaten berichten, weil ich erst dorthin fahren werde und mich dort mit den Grünen und denjenigen, die untersuchen und Geheimdienste kontrollieren, zuerst verständigen möchte.

Ich möchte heute nicht über Schwerpunktländer wie Niederlande und Frankreich in Abwesenheit niederländischer und französischer Vertreter und Vertreterinnen sprechen. Aber ich kann Ihnen eines sagen: Wir sind durch diese Fakten, wir in Österreich und wir im Wiener Parlament sind durch diese Fakten, die uns jetzt bekannt sind, einigermaßen überrascht. Wir haben am Beginn der Enthüllungen von Snowden angenommen, dass sich die nicht besonders große und nicht besonders erfolgreiche österreichische Spionageabwehr mit ihrer Schwesterorganisation in Berlin verbünden wird, um gemeinsam aufzuklären. So, wie das ja auch im deutschen Parlament passiert. Die Überraschung war für uns groß, dass der BND und damit eine wichtige deutsche Einrichtung offensichtlich auf der anderen Seite steht. Und deswegen habe wir jetzt eine Reihe von Fragen. Und diese Fragen richten sich an die deutsche Bundesregierung und damit auch an die Bundeskanzlerin persönlich. Die Fragen lauten und es sind 9 Fragen an die deutsche Bundesregierung:

  1. Wurden auch die in den Prioritätenlisten aufgeführten Leitungen, insbesondere Österreichs und Luxemburgs, dem BND „zugeschaltet“?
  2. Welche Daten von Personen aus Österreich befanden sich in den abgeleiteten Datensätzen?
  3. Welche NSA-Selektoren wurden zur Auswertung dieser Daten verwendet?
  4. Wie lange unterstützte der BND die NSA beim Zugriff auf die internationale Telekommunikation von Österreich und Luxemburg?
  5. Ist es heute noch möglich, dass der BND die NSA bei derartigen gegen Österreich und Luxemburg gerichteten Tätigkeiten unterstützt?
  6. Bezeichnet der Selektor „Bundesamt“ das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Wien?
  7. Von wem und mit weichem Ergebnis wurde geprüft, ob der Geschäftsbesorgungsvertrag „Transit“ zwischen der Deutschen Telekom AG und dem BND vom 01.03.2004, mit dem das Fernrneldegeheimnis flächendeckend außer Kraft gesetzt wurde, gesetzwidrig ist?
  8. War das deutsche Bundeskanzleramt über die Aktion „Transit“ gegen Staaten wie Österreich und Luxemburg informiert?
  9. Sind österreichische Stellen über die Aktion informiert worden?

Ich habe persönlich und im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem österreichischen Parlament noch eine zehnte Frage. Diese zehnte Frage richtet sich an die Frau Bundeskanzlerin Merkel:
Wird die deutsche Bundeskanzlerin als Verantwortliche auch gegenüber Österreich, der österreichischen Bundesregierung und dem österreichischen Parlament, ihr Bedauern über diesen Spähangriff unter Freunden zum Ausdruck bringen? Und ich hoffe, dass es möglichst bald darauf eine positive Antwort gibt, weil unter Freunden – und ich betrachte uns nach wie vor als Freunde – nichts so schädlich ist wie Beschädigung eines sehr tief verwurzelten und gut begründeten Vertrauens. Und wir sind genau in dieser Situation.

Ich kann Ihnen das aus dem österreichischen Parlament sagen. Wir waren das erste Parlament der Welt, das einen einstimmigen Beschluss gefasst hat, alle NSA-Aktivitäten zu verfolgen, die Bundesregierung zu allen möglichen diplomatischen Protesten aufzufordern und alle strafrechtlichen Schritte gegen die mutmaßlichen Täter und Täterinnen anzuregen. Das ist ein einstimmiger Beschluss des Parlaments. Es gibt keine einzige Partei, die hier auf der anderen Seite steht.

Und deshalb, damit komme ich auch zum Schluss, wird jetzt gerade in Wien in meinem Namen eine Strafanzeige gegen bekannte Täter – im Unterschied zu unserer Innenministerin gehe ich davon aus, dass uns die Täter bekannt sind – wegen geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs (das ist §256 unseres Strafgesetzbuchs) eingebracht. Die Verdächtigen sind, und ich nenne sie bewusst in aller Öffentlichkeit:

  • Diplom-Ingenieur Harald Helfrich, Deutsche Telekom AG
  • Wolfang Alster, sein Dienstvorgesetzter in dieser Aktion „Deutsche Telekom AG“
  • Herr Knau, offensichtlich ein Techniker, Deutsche Telekom AG
  • Herr Siegert, Bundesnachrichtendienst Deutschland

Das sind die Angezeigten. Die Liste ist mit Sicherheit unvollständig. Wir werden die Liste sicherlich in den nächsten Wochen um die Dienstvorgesetzten, insbesondere im Bundesnachrichtendienst, ergänzen und auch diese Personen der Staatsanwaltschaft Wien zur Anzeige bringen. Ich habe mich selbst erkundigt, in der Staatsanwaltschaft Wien wird diese Anzeige, die erste der Innenministerin und, ich nehme auch an, das kann ich noch nicht sagen, die zweite von uns, äußerst ernst genommen und es wird sicherlich intensive Ermittlungen geben. Und ich kann nur hoffen, dass die deutschen Behörden diese nicht nur für uns sehr wichtigen Ermittlungen unterstützen. Das wollte ich Ihnen mitteilen und hoffe, dass es etwas nützt. Danke für die Aufmerksamkeit.

Christian Kmiotek

Guten Morgen. Ich komme immer wieder gerne nach Berlin, man besucht ja gern Freunde. Dieses Mal bin ich nach Berlin geeilt, geschockt, empört, enttäuscht wegen dieses Anzapfens und Ausleitens am Internetknoten Frankfurt. Wissen Sie, mein Vater war 40 Jahre lang Briefträger. 40 Jahre lange hat er Briefe ausgetragen, er hat sie aber nicht geöffnet. Und genau das scheint ja hier geschehen zu sein. Aber nicht einfach nur diese Informationen angezapft, nein, es war, wie schon gesagt wurde, ein Ausspähen unter Partnern und das geht gar nicht. Das geht nicht zwischen Luxemburg und den USA, das geht nicht zwischen Luxemburg und Deutschland und das geziemt sich auch nicht unter EU-Partnern oder, sagen wir mal, EU-Freunden.

Warum wurde angezapft? Da kann man nur spekulieren. Auf der Liste steht ja die Leitung Luxemburg via Frankfurt nach Ankara. Vorstellbar ist natürlich hier, dass es etwa um die Kontrolle des Wirtschaftsembargos gegen Iran ging, in dem Sinne hätten wir auch kein Problem, Cem Özdemir hat das angesprochen, selbstverständlich muss es nachrichtendienstliche Tätigkeiten geben. Es ging aber auch um die Leitung Luxemburg – Moskau und hier kann es sich ja wohl nur um politische und wirtschaftliche Spionage handeln. Man muss das in den Kontext setzen von 2005: In dieser Zeitspanne hat die damalige Luxemburger Regierung verstärkt Wirtschaftsbeziehungen gesucht und aufgebaut zwischen Luxemburg und Russland. Das galt insbesondere natürlich für den Finanzplatz Luxemburg. Und in dem Sinne denken wir, dass es sich ganz klar sowohl um politische wie auch um Wirtschaftsspionage handeln könnte.

Dann wollte ich herausnehmen die Leitung Luxemburg – Wien, da geht es wohl kaum um Terrorismus, eher wiederum um Wirtschaftsspionage und um politische Spionage. Man darf ja nicht vergessen, dass gerade Luxemburg und Österreich lange Zeit und bis zuletzt Verfechter des Bankgeheimnisses waren und in dem Sinne muss man sich fragen, wurde dieses Ausspähen nicht wiederum gegen den Luxemburger Finanzplatz, aber auch gegen die Diplomatie Luxemburgs und Österreichs gerichtet.

Eine andere Frage, die mich beschäftigt, ist der Zeitpunkt, 2005. Laut der veröffentlichten E-Mail wurde ja Anfang 2005 dieses Paket geschaltet; Im ersten Halbjahr 2005 hatte Luxemburg die EU-Ratspräsidentschaft. Also hier auch die Frage, wurde hier auch politisch, diplomatisch spioniert? Luxemburg wird in der zweiten Hälfte 2015 wieder die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und da stellt sich natürlich für uns und unsere Minister die Frage, können unsere Minister, unsere Diplomaten, unsere Hohen Beamten, können die ihre Arbeit machen im Sinne der EU-Ratspräsidentschaft? Oder müssen die darauf gefasst sein, dass sie ausgespäht werden? Insbesondere denke ich da an den Klimagipfel Ende des Jahres in Paris, dass die Amerikaner eventuell die europäische Position schon kennen, bevor die Europäer sich überhaupt festgelegt haben.

Es gibt da noch andere Fragen: Was lief noch? Es geht ja hier um ein Verfahren, das als „prioritär“ bezeichnet wurde, das heißt, das war dann 2005 prioritär, man kann ja dann davon ausgehen, dass in den folgenden Monaten und Jahren noch andere Leitungen ausgespäht wurden. Also: Was lief noch? Die Frage: War das legal nach deutschem Recht? Die Frage: Was läuft heute? Und dann, eine ganz entscheidende Frage in meinen Augen: Was hat man erreicht, welche Erfolge hatte man gegen den Terrorismus? Im Rückblick, nach zehn Jahren, dürfte es doch jetzt möglich sein, zu zeigen, ja, das machte Sinn, weil wir hatten diese und jene Erfolge in der Terrorismusbekämpfung.

Dann die sogenannten Selektoren, die Suchbegriffe: Welche wurden verwendet? Denn daraus ergibt sich eine nächste Frage: Welche Betriebe, welche Wirtschaftszweige wurden ausgespäht?

Wie geht’s jetzt weiter? Wie hat Luxemburg reagiert? Ich denke, in Luxemburg ist das klar, das geflügelte Wort gilt: Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht. In diesem Sinne hat Jean Asselborn, der Luxemburger Außenminister, gestern Morgen den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier kontaktiert und ihm eben das mitgeteilt. Der Luxemburger Botschafter in Washington wird vorstellig werden und auch dieselbe Botschaft vermitteln. Und schlussendlich, und das reiht sich ein in das, was Peter Pilz sagte, er hat ja Strafanzeige heute morgen erstattet – Gestern Abend hat die Luxemburger Regierung bei der Staatsanwaltschaft Luxemburg Strafanzeige erhoben, weil: Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.

Peter Pilz

Ich wollte kurz noch zwei Fakten ergänzen: Wir sind ihnen noch schuldig die 11 Leitungen, die Luxemburg betreffen. Das sind:

  • Luxemburg – Stockholm
  • Luxemburg – Wien
  • Luxemburg – Prag
  • Luxemburg – Helsinki
  • Luxemburg – Ankara
  • Luxemburg – Amsterdam
  • Luxemburg – Zürich
  • Luxemburg – Rom
  • Luxemburg – Mailand
  • Luxemburg – Moskau
  • Luxemburg – Kopenhagen

Das Zweite ist, aufgrund der Prioritätenliste, die wir der NSA zuordnen, stellen wir fest, dass in Europa 31 Staaten zu Zielen dieser Angriffe geworden sind, davon unserer Rechnung nach 26 Mitglieder der Europäischen Union. Oder, Entschuldigung, die Schweiz gehört auch noch weg, 25.

Fragen und Antworten

Die Presse (AT)

Wenn es keine Reaktion aus Berlin geben sollte: Welche Konsequenzen kann sich das österreichische Parlament vorstellen?

Peter Pilz

Laut Protokollen des Auswärtigen Ausschusses vom Deutschen Bundestag dürfte es auch der österreichische Außenminister nicht übermäßig eilig gehabt haben. Staatssekretär Ederer hatte sich erkundigt, dass bisher nichts passiert ist. Und da hat er sicherlich Recht, dass es nicht Aufgabe der deutschen Bundesregierung ist, angegriffene Staaten auf die notwendigen diplomatischen Proteste hinzuweisen. Ich glaube, dass das inzwischen in Wien angekommen ist, wir kennen ja auch die Anzeige der Innenministerin, die meiner Meinung nach zum richtigen Zeitpunkt und in der damaligen Substanz sehr gut begründet war.
Was soll jetzt passieren? Alles andere wäre für mich persönlich undenkbar: Erstens, dass die deutsche Bundeskanzlerin eine umfassende Aufklärung anordnen wird. Zweitens wird der Wiener Staatsanwalt ohnehin die notwendigen Schritte setzen und im Amtshilfeverfahren (Auslieferungen stehen hier nicht zur Diskussion) Etliches anfordern. Drittens werden wir in Wien um einen Untersuchungsausschuss nicht herum kommen. Im Gegensatz zum Deutschen Bundestag wird es aber kein NSA-Untersuchungsausschuss sein, sondern er wird BND-Untersuchungsausschuss heißen. Und das möchte ich schon einmal sehr klar machen. Ich hoffe, wir werden bald mit der Arbeit beginnen können, ich habe das bereits mit den Regierungsparteien besprochen und möchte ein Ergebnis nicht vorweg nehmen, aber der Unterschied zwischen Österreich und Deutschland ist ganz offensichtlich in der parlamentarischen Abwicklung und Untersuchung des Ganzen, dass wir hier nicht auf verschiedenen Seiten stehen. Und das ist ein großer Vorteil.

Deutschlandfunk (DE)

Wer hat die neun Fragen formuliert, wessen Fragen sind das? Was wussten österreichische Geheimdienste?

Peter Pilz

Die Fragen sind meine, die ich in der Pressekonferenz an die zuständigen Organe richte. Das werden aber schon bald Fragen des österreichischen Parlaments sein. Und diese werden sich nicht groß von Fragen der österreichischen Regierung unterscheiden. In dieser Frage gibt es auch keine Unterschiede zwischen SPÖ, FPÖ und uns Grünen. Das machen wir, so gut es geht, gemeinsam. Die andere Geschichte ist unser Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Ich schildere ihnen ganz offen ein österrichisches Problem, über das ich nicht sehr glücklich bin. In unserem Verfassungsschutz sind zwei unvereinbare Kompetenzen vereint, nämlich die nachrichtendienstliche Kompetenz und die Kompetenz zur Spionageabwehr. Nun ist unser Bundesamt für Verfassungsschutz gebunden durch Verträge, etwa an die CIA oder den BND. Unser Heeresnachrichtenamt ist vertraglich gebunden an NSA und GCHQ, an andere militärische Dienste. Die arbeiten eng zusammen und wenn Sie die Hierarchien der Nachrichtendienste sehen, dann haben Sie den großen Bruder in Washington, den kleinen Bruder in Berlin und den ganz, ganz kleinen Bruder Wien. Und wenn nun der auch noch für die Spionageabwehr zuständig ist, können Sie sich ungefähr vorstellen, was daherauskommt. Das versuchen wir jetzt gerade zu ändern. Was eine derzeitige Kollaboration der Affäre betrifft, dazu gibt es momentan keine Hinweise. Wir werden das sehr genau untersuchen, weil wir, nachdem wir jetzt wissen, auf welcher Seite der Bundesnachrichtendienst steht, jetzt sehr genau wissen wollen, auf welcher Seite unsere Dienste stehen. Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, dass wir da keine ähnlich bösen Überraschungen erleben.

ZDF (DE)

Wahrscheinlich ist dann auch Herr Juncker in seiner damaligen Eigenschaft angezapft worden. Wie sieht das aus in seiner momentanen Position als Kommissionspräsident? Reaktion? Was macht Sie, Herr Pilz, zuversichtlich, dass auf die österreichischen Parlamentarier mehr gehört wird als auf die deutschen? Und was werden die Grünen tun, wenn’s die Selektorenliste nicht gibt?

Christian Kmiotek

Herr Juncker ist ja 2013 über den Luxemburger Geheimdienst gestolpert, weil er den nicht im Griff hatte. Demnach kann man bei uns davon ausgehen, dass die Spionageabwehr auch nicht funktioniert hat. Die Luxemburger Regierung meinte gestern, wir erfahren das alles aus der Presse, das ist uns neu. Vielleicht könnte man ja mal auf europäischer Ebene, anstatt ein Heer zu schaffen, vielleicht mal die Geheimdienste koordinieren.

Peter Pilz

Warum bin ich so optimistisch, dass die Innenministerin das verfolgt? Weil wir sie ernsthaft verfolgen. Das wird auch klappen. Das gesamte Parlament unterstützt sie, wenn sie mit allen Konsequenzen und mit allen polizeilichen und gerichtlichen Mitteln aufklärt. In dieser Affäre mangelt es sich nicht am guten Willen der Innenminister. Wie kommen wir an die Selektoren? Wir probieren es jetzt mal auf dem ordentlichen Weg: Indem wir einfach mal verlangen, dass wir sie kriegen. Vollkommen unklare Rechtsfragen. Haben wir die Möglichkeit, Deutschland-Behörden zur Herausgabe zu zwingen? Das kann ich jetzt nicht beurteilen, aber das werden wir klären. Warum ich jetzt außerdem optimistisch bin: Wir haben in Österreich in den letzten 15 Jahren alle möglichen Skandale ermittelt. Beispiel Eurofighter, da habe ich bereits 180 Millionen Euro Schmiergeld nachgewiesen und wir wissen wahrscheinlich, wer der Schweizer Geldbote war. Wir schaffen das schon. Das ist viel Arbeit, aber wir haben keine andere Möglichkeit. Wir müssen ja auch davon ausgehen, es geht nicht nur um eine Leitung, sondern um die Verbindung vom HUMINT- und SIGINT-Aktivitäten.
Ich lasse gerade beobachten, wie die NSA in Wien umgebaut wird, darüber werde ich am Donnerstag berichten. Die NSA in Wien wird derzeit neu ausgestattet und richtet vom Turm gegenüber der UNO-City Antennen genau auf das Büro des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Das sind 100 Meter Luftlinie. Und da gibt es einen HUMINT-Befehl von 2007, den haben wir schriftlich, vom State Department an die sogenannten „Country Teams“ an den amerikanischen Botschaften, insbesondere in Wien. Die Country Teams bestehen laut diesem HUMINT-Befehl aus „State Reporting Officers“ und „Non-State Officers“. Die State Reporting Officers sind Spione von NSA und CIA mit Diplomatenpass an den Botschaften der USA in Berlin und auch in Wien. Die Non-State Members sind meistens Angehörige des Managements großer amerikanischer Firmen. Und die beschaffen die Selektoren.
Und in diesem HUMINT-Befehl, der von einer gewissen Außenministerin Clinton unterschrieben ist, steht genau drin, welche Selektoren hier in Wien abgeschöpft und gewonnen werden sollen. Namen, Telefonnummern, Sozialversicherungsnummern, Vielfliegernummern, Kreditkartennummern, Telefonverzeichnisse in den Handys, E-Mail-Accounts und vieles andere mehr. Das sind Selektoren. Im Schnitt werden 5 Selektoren benötigt, um eine Zielperson eindeutig zu bestimmen. Bei den 8,7 Millionen Selektoren, über die in Deutschland öffentlich gesprochen wird, können Sie sich ausrechnen, um welche Größenordnung es da etwa geht. Und wir arbeiten von Wien aus die gesamte Kette auf.

Ich habe mir den HUMINT-Befehl besorgt, habe mir angeschaut, wie kriegen die die Selektoren, wir untersuchen gerade, wie die OSZE abgeschöpft wird, das ist keine Kleinigkeit, und wir sind jetzt beim vierten Special Service Collection-Punkt in Wien angelangt. Und die amerikanischen Kollegen aus dem Kongress, die ich letztes Jahr mit den beiden Fraktionschefs von SPÖ und FPÖ besucht habe, bestätigten, aus Sicht von CIA und NSA gibt es zwei Spionage-Hauptstädte: New York und Wien. Und deswegen haben wir Annex und deswegen geht’s bei uns so stark um HUMINT. Es werden in Wien extrem viele Selektoren gewonnen. Bei all den internationalen Organisationen glauben Sie doch nicht, dass es um den österreichischen Bundeskanzler geht. Es geht um OSZE, UNO, IAEA, OPEC, das ist ja alles konzentriert in Wien und da werden die Selektoren abgesaugt. Und die Selektoren kommen dann nach Bad Aibling. Und mit diesen Selektoren geht man dann rein in die Datenströme. Und dann müssen wir schauen, welchen Auffällligkeiten gibt es bei der Leitungskonstellation, dafür werden wir 14 Tage brauchen, um zu analysieren, welches Bild ergibt es, welche Subknoten gibt es. Zwei europäische Subknoten zeichnen sich bereits ab, die noch nicht exakt beschreibbar, aber extrem wichtig sind. Und dann müssen wir die zugehörige HUMINT-Aktion suchen und die werden wir auch finden. Und wir werden das Stück für Stück hinkriegen, ob mit oder ohne Staatsanwaltschaft, mit oder ohne die deutschen Behörden.

Cem Özdemir

Zu der Frage mit den Selektoren und was wir machen in Deutschland, wenn wir sie nicht bekommen – Bei der Nachrichtenlage von heute früh: Geheimdienst-Beauftragte gibt es schon. Das sind die gewählten Mitglieder des Bundestags in den Ausschüssen. Dafür sind die ja da. Ich sehe keinen Grund, das zu verändern. Ein Ersatz ist nicht zielführend, dafür gibt es Leute. Das ist ein Verfassungsorgan. Es gibt keinen Grund, den genau dafür ausgewählten Leuten diese Listen vorzuenthalten.

NOS (NL)

War die Niederlande auch Spionageziel? Wer ist wie stark betroffen?

Peter Pilz

Das werde ich, sobald ich mit den niederländischen Kollegen besprochen habe, veröffentlichen. Ich kann Ihnen nur eins sagen. Von allen Spionagezielen, die wir aufgrund der Prioritätenliste kennen, sind die Niederlande mit Abstand die Nummer Eins. (!) Das heißt, dass das ein Vielfaches der österreichischen Leitungen betrifft. (!)

NOS (NL)

Haben Sie Beweise für die Weiterleitung nach Bad Aibling?

Peter Pilz

Der Sachbeweis, mit dem wir bis jetzt am weitesten gekommen sind, ist das von mir zitierte E-Mail, mit der Umschaltaktion usw. Das beweist das E-Mail selbst, das vom Büro der Deutschen Telekom in den BND geht. Vom NSAUA und diversen Medien wissen wir, wie die Kette weitergeht. Das sind nicht unsere eigenen Recherchen und Dokumente. Das ist nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft in Wien, hier mal auf ganz normalem Ermittlungsweg Sachbeweise zu beschaffen. Was aus dem Deutschen Bundestag und dem österreichischen Parlament kommt, weiß ich noch nicht.
Das, was ich hier gesagt habe, begründet eine ausreichende Verdachtslage für eine gerichtliche und parlamentarische Untersuchung und auch für eine politische Klärung seitens der deutschen Bundesregierung.

Frage (NL II)

Sie sprachen z.B. von den Leitungen Wien-Rotterdam, Linz-Amsterdam etc. Was genau bedeutet das, was haben die Prioritätenlisten damit zu tun, was sollte da abgehört werden? Was würden sie der niederländischen Regierung raten?

Peter Pilz

Ich habe versucht, ein System zu beschreiben. Diese Prioritätenliste ist sehr umfangreich, mit hunderten Transitleistungen. Sie beschreibt, einen von der NSA vorgetragenen Wunsch an den BND, diese Leitungen in Frankfurt abzuschöpfen. Das wäre nun von den niederländischen Behörden zu prüfen, inwieweit da nach ihrem Recht ein Straftatbestand vorliegt. Und ich werde gar nichts empfehlen, ich gehe davon aus, dass die niederländischen Strafebehörden und Regierung und Parlament wissen, was zu tun ist. Ich glaube nicht, dass da irgendwer in den Niederlanden meinen Rat braucht.

Frage (NL)

Bedeutet das, wenn eine Leitung verzeichnet ist, dass die ab 2005 aktiv abgeschöpft worden ist?

Peter Pilz

Nein, das ist nicht der Beweis für Abschöpfung, da müssen wir sehr genau sein. Das ist der Beweis, dass die NSA, so wie in den Leitungen, bei denen wir es belegen können, diese Prioritätenliste, und auf die wird in der E-Mail Bezug benommen, angefragt haben. Zweiter Schritt, der BND muss die Prioritätenliste auch nehmen und abschöpfen. Dritter Schritt, diese abgeleiteten Datenströme (Telefon, E-Mails, Internet, alles, was sie sich in dem Zusammenhang vorstellen können, also flächendeckend Kommunikation) geht nach Pullach und dann nach Bad Aibling zur Joint Security Agency, dort gehen dann auch die Selektoren drauf. Das ist das Ergebnis aus öffentlichen deutschen Quellen. Das ist nicht das Ergebnis unserer Recherche von Wien aus. Wir können sagen, ja, es gibt Prioritätenliste, sie umfasst eine sehr große Zahl an Leitungen und bei einigen wenigen Leitungen haben wir den Beweis für Abschöpfungen. Eine davon betrifft Österreich. Und schließlich besteht der sehr gut begründete und schwerwiegende Verdacht für die Abschöpfung aller Leitungen.
Am Anfang eines Strafverfahrens und eines parlamentarischen Untersuchungsverfahrens möchte ich das Ergebnis nicht vorweg nehmen. Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, es ist sehr gut begründet, sonst würden weder ein Staatsanwalt noch wir Abgeordnete sagen, das muss untersucht werden.

Der Standard (AT)

Kanzlerin und Seibert versprechen auch Aufklärung. Was erwarten Sie konkreter? Wie Entschuldigung?

Peter Pilz

grundsätzliche Erklärung, dass Merkel verstanden hat, was gegenüber Österreich, Luxemburg und EU geschehen ist
Geste: Beginn der Wiederherstellung des beschädigten Vertrauens
Gerichtliches Verfahren anders als Parlamentarisches Verfahren. Strafgerichte haben Zwangsmittel, auch international.
Werde nicht über Erfolg spekulieren. Wird auch Widerstand geben. Nicht außergewöhnlich. Frage ist, ob es politische Unterstützung gibt.
würde mich überraschen, wenn Deutschland-Spitzen Aufklärung nicht unterstützen, sondern verhindern
betrifft Mehrheit der EU-Staaten
heute Luxemburg und Österreich, morgen Frankreich, Niederlande, Schweden, Polen, Slowenien, Italien, Spanien, Irland, Norwegen und vielen andere.
BRD: Aufklärung!

Frage

Andere Leitungen. größerer EU-Aufklärungspool statt national? Bisher nur BND, was mit Deutsche Telekom?

Peter Pilz

Ja, sind dabei, das europaweit zu koordinieren. Nächste Woche in Brüssel, Treffen der Parlamentary Oversight Comittees. Die Gelegenheit werden wir nutzen.
über Fraktionen hinweg koordinieren
bin dabei, in einzelnen Staaten Verbindungen mit Abgeordneten (nicht nur grünen) zusammenzuarbeiten
Joint Investigation Activity, auf guten Weg, bin optimistisch
Deutsche Telekom: ich hätte mir erwartet, dass es sofort öffentliche Wahrnehmbare Aktivitäten der TK-Anbieter gäbe. habe ich noch nicht gesehen
Deutsche Telekom-Verhalten zu prüfen:
1. Transit-Vertrag rechts- und gesetzwidrig? Haben Deutsche Telekom In-House-Juristen vor Vertrag gewarnt?
2. Deutsche Telekom und Mitarbeiter in Strafverfahren in Wien
3. Telekom Austria hat zu prüfen, ob es strafrechtliche Ansprüche gibt

Frage

Beweis E-Mail. Leitung in Österreich auch Österreich-Verkehr? Transit-Vertrag 2005: auch Vorgänger-Regierungen statt Merkel in Verantwortung?

Peter Pilz

zweite Frage: ja, selbstverständlich
von denen, die Aufklärung nicht übermäßig gesinnt sind, wird erklärt: ist ja gar nicht klar, ob Österreich-Daten über Leitung gingen.
bin dafür dankbar. dann könnte BND nicht wissen, ob nicht massenhaft Daten Deutscher drin sind
(danke an bestimmte politische Adresse)
habe mich in Wien kundig gemacht: selbstverständlich gingen Österreich-Daten darüber
„alle Daten der Welt nur nicht Österreich“ ist Fiktion und wirklichkeitsfremd
selbstverständlich werden wir das von Telekom Austria beschreiben lassen, was sie weiß

Beatrice Hansen

Vorwurf Antiamerikanismus?

Cem Özdemir

Sind wir Grüne ziemlich unverdächtig
in bester amerikanischer Freiheitstradition und US-Verfassung
enge Zusammenarbeit mit Kollegen in beiden Kammern des Kongresses
stellen Notwendigkeit der Terrorbekämpfung nicht in Frage, auch nicht geheimdienstliche Methoden
Vorwürfe: alles grenzen überschritten. Industriespionage und EU-Institutionen und befreundete Länder
das sind Freunde, keine Terroristen

6 Ergänzungen

  1. Man reiche mir das Popcorn. Wo kann ich die Folgestaffel kaufen? Ich fülle gerade genüsslich eine Spendenüberweisung an netzpolitik.org aus

  2. Von dem „Young Leader“ Cem Özdemir sollte man sich außer warmer Luft nicht zu viel erwarten. Ansonsten bleibt mal dran an der Sache. Wenn die Österreicher und die Luxemburger hinrechend sauer sind, könnte endlich mal etwas Bewegung in die „Aufklärung“ kommen.

  3. Warum geht die Frage der Grünen bezüglich Aktivitäten von 2004/2005 an den aktuellen Außenminister Steinmeiner und nicht an den damaligen Außenminister Joschka Fischer?

    Oh, wait..

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