Leak: Wie der ecuadorianische Geheimdienst SENAIN Politiker und Aktivisten systematisch überwachte (Update: Stellungnahme)

Der ecuadorianische Geheimdienst hat Finanzflüsse von Umweltinitiativen untersucht – auch das katholische Hilfswerk Misereor war unter den Unterstützern

SENAIN, ein ecuadorianische Geheimdienst, hat von 2012 bis 2014 Aktivisten und Politiker ausgespäht – auf Anweisung der Regierung. Das enthüllte am heutigen Dienstag die Plattform EcuadorTransparente, die sich zum Ziel gesetzt hat, Missstände im Land – wie Korruption und Überwachung – aufzuklären. Zwar gab es auch zuvor Berichte über die Überwachungsmaßnahmen, EcuadorTransparente veröffentlicht jedoch in journalistischer Zusammenarbeit mit netzpolitik.org im Gegensatz dazu erstmals die zugehörigen Dokumente.

In insgesamt 31 Dokumenten befinden sich Überwachungsprotokolle und Präsentationen über jene, die im Fokus der Überwachung stehen. Die Präsentationen über Profile von Personen betreffen primär Mitglieder und Unterstützer der politischen Oppositionspartei CREO [Creating Opportunities] und Aktivisten, die sich in der Organisation Yasunidos gegen die Ausbeutung von Ölfeldern im Yasuni Nationalpark und die damit verbundene Zerstörung von Natur und Lebensräumen einsetzen.

In einigen der Fälle, beispielsweise in dem des Bürgermeisters von Quito, Mauricio Rodas, wurden Telefone und Mailverkehr abgehört sowie Observationen durchgeführt, wie die Fotos in den Präsentationen zeigen. Außerdem finden sich ausführliche Berichte über Aktivitäten der Überwachten hinsichtlich ihrer Aktivitäten in Sozialen Medien wie Facebook und Twitter und über ihren Umgang mit der Presse.

Bezüglich der Oppositionspartei CREO wurden während der Wahlen in Ecuador außerdem ausführlich soziale Netzwerke und finanzielle Transaktionen analysiert – Unterschriftensammlungen für den Yasuni-Nationalpark sollten sabotiert werden

Das Telefonprofil, das SENAIN über Sigmund Thies angelegt hat
Das Telefonprofil, das SENAIN über Sigmund Thies angelegt hat

Doch auch andere standen im Fokus des Geheimdienstes, darunter Geschäftsleute und Journalisten. Nicht nur ecuadorianische Staatsangehörige befinden sich darunter, auch US-Amerikaner und Europäer waren für SENAIN interessant. Darunter der Deutsche Sigmund Thies. Thies lebte mehrere Jahre in Ecuador, ist in Umweltorganisationen aktiv und hat den Film „Yasuní- Alles für das Leben“ produziert, der sich für den Erhalt des Nationalparks ausspricht.

Der ecuadorianische Geheimdienst rüstet auf, das ist klar. 2013 berichtete BuzzFeed exklusiv über den Ankauf eines GSM-Überwachungssystems und auch in den Kundenlisten der kürzlich geleakten Hacking-Team-Dokumente taucht der Name SENAIN auf.

Das Ausspähen von politischen Opponenten ist in Ecuador rechtswidrig, derartige Überwachungsmaßnahmen dürfen nur in Fällen von Ermittlungen aufgrund von Straftaten durchgeführt werden. Der Anwalt Ramiro Avila fasst zusammen:

We have the right to privacy under the constitution. The only way that government can know about the private affairs of a citizen is under the orders of a judge or if they are searching for a crime. That is not the situation here. No authorisation appears to have been given.

Und wieder einmal sehen wir, dass Überwachungskapazitäten genutzt werden, wenn sie einmal vorhanden sind – unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit. Geheimdienste sind Fremdkörper in Demokratien und ihre Kontrolle nahezu unmöglich. Egal wie sehr ein Land sich rühmt, die Grundrechte seiner Bürger zu bewahren.

Update: Der Botschafter Ecuadors in Deutschland hat uns Leserpost geschickt, in der er um Richtigstellung bittet. Wir überlassen euch den Brief einfach im Volltext, dann könnt ihr euch gern selbst eine Meinung bilden.

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4 Ergänzungen

  1. Liebes Team von netzpolitik.org

    Diesen Artikel finde ich aus mehreren Gründen nicht gut. Zum einen, weil er keine Hintergrundinformationen bietet, bspw. wer die aktuelle Regierung stellt, wer der Präsident ist, usw. Ich glaube kaum, dass dem Durchschnittbürger diese Fakten bekannt sind.

    Wenn es denn stimmt, dass die Regierung Correa einige politische Gegner illegalerweise ausspioniert, so wäre das natürlich bedauerlich. Ob die aufgeführten Beweise wirklich stichhaltig sind, vermag ich nicht zu beurteilen wie wohl die meisten LeserInnen, aber wenn ich mir die Kommentare unter dem verlinkten Bericht von Buzz Feed anschaue, so scheinen Zweifel doch sehr angebracht.

    Ich will nicht behaupten, dass die gegenwärtige ekuadorianische Regierung alles richtig macht, denn das tut wohl keine Regierung. Aber sie hat offenbar viele Verbesserungen besonders für die ärmeren Schichten durchgesetzt und internationalen Konzernen und Regierungen auf die Füße getreten, und somit wirken Ihr Artikel und besonders der von Buzz Feed eher wie eine Hetzpropaganda.

    1. Dem Kommentare von HAUKE habe ich kaum etwas hinzuzufügen, nur dieses:.
      Ein mir bekannter Amerikaner lebt seit Jahren als Rentner in Ecuador und hält Correa für den besten Präsidenten, den das Land je hatte. Es sei denn, netzpolitik hält Evo Morales ebenfalls für eine Diktator. Die heutige Opposition will den Neokonservatismus in Ecuador mit amerikanischer Hilfe wieder einführen und in Eurem Artikel wird das als gut bezeichnet.
      Ich habe den Eindruck, Ihr seid da auf die amerikanische Trolle reingefallen.

      1. Wir haben aus den Snowden Dokumenten auch die Bestätigung für die Subversionspraktiken amerikanischer Unternehmen und insbesondere Sozialer Netzwerke vorgeführt bekommen. Man hat schon sehr viele Länder Süd Amerikas durch den Dreck gezogen, drangsaliert und marktwirtschaftlich auch stark isoliert. Wären da nicht die Interessen der Geldhaie größer wären viele dieser Länder auch noch heute auf dem vorletzten Stand der Entwicklung.

        Ich gebe zu man muss hier im Auge behalten warum der Geheimdienst solch ein Spiel mit dem Feuer gewagt hat. Könnte es sein, dass die vielen NGOs im Auftrag einer fremden Macht agieren? Vielleicht mag man es einfach nicht, dass der Wikileaks Assange noch immer durch Ecuador gedeckt wird? Woher haben die Leute bei der NGO diese Unterlagen i- st wohl ein Doppelagent in dem Geheimdienst beschäftigt?
        Und eine Oppositionspartei mit dem Namen Creating Opportunities? Kein Wunder, wenn die auf der Watchlist landen.

        Fragen über Fragen. Die gleiche Lage kann man auch in den Supermächten USA und Russland nachweisen. Sehe da keinen Grund Netzpolitik Einseitigkeit vorzuwerfen. Was sollen die Geheimdienste denn sonst tun wenn nicht unbescholtene observieren, den Rest macen doch schon die Staatsanwälte? Vielleicht bestand die Straftat der Betroffenen ja im #Landesverrat :D (scnr). So wie das einige transatlantische Marionetten hierzulande tun.
        Egal. Ich kenne das Land und die Leute nicht. Ich habe den Film von Theis nicht gesehen und ich kenne die NGOs nicht. Ich weiss nur, dass Ecuador schon öfter mit den USA aneinander geraten ist und das ist schon mal ein positives Zeichen. Kein Persil Schein aber dennoch nix schlechtes.

        Das einzige was man als Hetze deuten könnte ist der Schlussabsatz mit dem Fremdkörpervergleich. Ich seh das seit ein paar Jahren nämlich genau so. Wozu brauchen wir solche Geheimdeppen in einer Demokratie?
        Hetzt ruhig weiter gegen diesen überflüssigen Apparat.

  2. Ich will gar nicht unterstellen, dass Anna (die Verfasserin dieses Artikels) bewusst gegen die ecuadorianische Regierung hetzen wollte. Wahrscheinlich ist es eher so, wie der Horst Schumm nahelegt, dass sie zumindest teilweise auf amerikanische Trolle hereingefallen ist. Außerdem hat es natürlich gerade Konjunktur, Geheimdienste und ihre Machenschaften auf’s Korn zu nehmen, wogegen ja im Prinzip überhaupt nichts zu sagen ist. Wenn Anna den Vorwurf hätte vermeiden wollen, dass sie sich vor den Karren der Opposition oder US-amerikanischer Agitatoren spannen lässt, dann hätte sie einfach ein paar anerkennende Worte über die bisherige Leistung der Regierung Correa einfließen lassen sollen, das hätte die ganze Sache komplett relativiert und entschärft.

    Wie schon gesagt halte ich es für möglich, dass der ecuadorianische Geheimdienst da irgendwelche illegalen Aktivitäten ausgeübt hat, nur leider kann zumindest ich persönlich mit den geleakten Dokumenten nicht viel anfangen. Genauso verhält es sich mit denen, die auf der verlinkten Seite von Buzz Feed präsentiert werden. Dass die Regierung Ecuadors versucht herauszufinden, ob sich hinter der erst von zwei Jahren gegründeten und inzwischen größten Oppositionspartei eventuell auch ausländische Kräfte verbergen, kann ich vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen aggressiven US-amerikanischen Einmischung in Mittel- und Südamerika nur allzu gut verstehen. Ob damit mögliche illegale Abhörmethoden moralisch gerechtfertigt werden können, will ich nicht beurteilen. Kritischer würde ich da schon die Überwachung von Umweltschützern sehen, aber hier ist mir die Faktenlage eben zu dürftig.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.