Klausurheberrecht: Alte Abituraufgaben dürfen nicht veröffentlicht werden

PrüfungVor einem Monat erzielte eine IFG-Anfrage auf vorzeitige Einsicht von Abiklausuren europaweit einigen Buzz.

Das führte zu einer Welle von Nachahmern, die über FragDenStaat Prüfungsaufgaben zum Richteramt, für Masseurausbildungen oder zur Jägerprüfung haben wollten. Eine Anfrage für die Abituraufgaben 2011 in NRW war jetzt erfolgreich – zumindest für den Antragssteller.

Der bekam nämlich die Aufgaben zugeschickt, darf sie allerdings nicht veröffentlichen. Das liegt am Klausurheberrecht: In NRW (anders als z.B. in Sachsen-Anhalt) liegen die Lizenzen für die Veröffentlichung von Abituraufgaben bei einem privaten Anbieter: Dem Verband Bildungsmedien und seinen angeschlossenen Verlagen. Das Land NRW behält die Rechte, die Aufgaben den Schulen zur Verfügung zu stellen, dies allerdings nur auf „gesicherten Servern“. Nach Aussage des Ministeriums dient dies „dem Zweck, die Aufgaben unverändert zu lassen und zum anderen einer, wenn auch sehr geringen, Refinanzierung.“
Wie viel Geld das Land aber für das Überlassen der Abdruckrechte für die Abituraufgaben bekommt, ist unklar. In der Lizenzvereinbarung des Landes mit dem VBM sind diese Stellen geschwärzt. Wir haken da aber nochmal nach.

Wer die NRW-Abituraufgaben von 2011 selbst einsehen will, kann das per Copy&Paste-Anfrage tun.

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14 Ergänzungen

  1. Schon ein dolles Ding, mit der Privatisierung von staatlichen Aufgaben.
    Ich kann mich daran erinnern, dass wir damals ein Jahr vor der Abschlussprüfung diese roten Bücher im A5-Format gekauft haben, in denen alle Prüfungsaufgaben mit Lösungen der vorangegangenen Jahre drinstanden. Und das haben wir zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen teilweise auch im Unterricht genutzt.
    Wie ich sehe, gibt es diese Bücher immer noch – aber wohl scheinbar nicht mehr für jedes Bundesland. Und da Inhalte in Deutschland ja in jedem Bundesland anders sind (wir schaffen ja bis heute kein einheitliches bundesweites Abitur), scheinen einige wohl „Pech“ zu haben, wenn sie an die Prüfungsaufgaben nicht herankommen.
    *
    Irgendwann gibts halt dann Schulbücher, die keiner mehr lesen darf, weil die AGB das nicht zulassen. Selbst da bin ich zuversichtlich, dass wir das noch hinbekommen ^^

    1. In den vernünftigen Ländern, also ohne Zentralabitur, dürfte es sowas damals kaum gegeben haben. Also nicht „jetzt nicht mehr“, sondern eher „damals sowieso nicht, weil jede Schule eigene Aufgaben stellt, und heute immer noch nicht, weil in jenen Ländern dies niemand eingeführt hat“.
      Und als reine Übungsaufgaben taugen ja auch die Bücher anderer Länder.

    2. Solange man dafür bezahlt bekommt man die Aufgaben natürlich! Es ging ja darum, die Aufgaben im Internet zu veröffentlichen. Ohne Geldfluss…

  2. In Rheinland-Pfalz will man selbst nach 30 (!) Jahren nur die Schülerwerke rausrücken, nicht aber die Aufgabenstellung, ebenfalls mit Verweis auf Urheberrechte.

  3. Spendiere dem Wort „Klausurheberrecht“ doch noch ein „ur“, denn es heißt Klausur-Urheberrecht oder eben Klausururheberrecht, so sch… es aussieht.

    1. Ich schätze, das war bewusst gewählt und spielt auf die „Zensurheberrecht“-Phasen an.

  4. Zum Teil sind auch die Lehrpläne privatisiert. An meiner letzten Schule in Baden-Württemberg hatte man auf eine Anschaffung verzichtet und operierte quasi vollständig mit den frei zugänglichen „letzten Entwürfen“ zu den Lehrplänen. Offizielle Fassungen habe dort ich nie zu Gesicht bekommen.

  5. Mich irritiert der Aufruf des Urheberrechts in diesem Fall. Ich denke es ist ausreichend Zweifel angebracht, dass dies hier zum Zuge kommen kann. Die Schöpfungshöhe dürfte in dem Fall als eher gering anzusehen sein, da sowohl Inhalt als auch formelle Darstellung äußerst engen Grenzen unterliegen. Dass die alleinige Urheberschaft bei dem Verband liegt und/oder dieser nicht selbst ggf., wenn überhaupt anwendbar, die Urheberrechte anderer verletzt, vor allem in dem er genau die behauptet, glaube ich nicht.

  6. Dieses Werk gilt gemäß dem deutschen Urheberrecht als gemeinfrei, weil es Teil der Statute, Verordnung oder ein gesetzlicher Erlass (Amtliches Werk) ist, das durch eine deutsche Reichs-, Bundes- oder Landesbehörde bzw. durch ein deutsches Reichs-, Bundes- oder Landesgericht veröffentlicht wurde (§ 5 Abs.1 UrhG). Daher ist es Public Domain (Gemeinfrei).

  7. Darauf sollte man das Sprüchlein anwenden können:
    Dieses Werk gilt gemäß dem deutschen Urheberrecht als gemeinfrei, weil es Teil der Statute, Verordnung oder ein gesetzlicher Erlass (Amtliches Werk) ist, das durch eine deutsche Reichs-, Bundes- oder Landesbehörde bzw. durch ein deutsches Reichs-, Bundes- oder Landesgericht veröffentlicht wurde (§ 5 Abs.1 UrhG).

  8. Wie viele Individual-Anträge für diese Aufgaben müssen jetzt gestellt werden, bis die geringe Refinanzierung weniger abgeworfen hat, als die Kosten für das bearbeiten der Anfragen?

  9. Bei dem Thema ist es ganz gut begrifflich genau zu bleiben. Die Abituraufgaben werden von Lehrern im Auftrag des Kultusministeriums erstellt. Diese sind rechtlich die Urheber. Die Urhebereigenschaft kann nach deutschen Recht nicht übertragen werden. Da es sich um eine Auftragsarbeit innerhalb eines Dienstverhältnisses (angestellt/verbeamtet) handelt, wird es wohl an den Beauftrager übertragen (Arbeits- und Dienstvertragsrecht) . Dieser hat vermutlich das alleinige Nutzungsrecht: urheberrechtlich Verwertungsrecht. Das Kultusministerium kann dieses nun einem Verlag übertragen.
    Eine Abituraufgabe ist juristisch kein Erlass. Dennoch ist die Frage, ob sie dem Charakter nach ein amtliches Werk ist, da sie Bestandteil einer öffentlich-rechtlichen Prüfung ist. Leider haben sich mit dem Thema Gerichte nur in wenigen Situationen (bes. Kartenwerke und DIN-Normen) befasst.
    Wenn nun mal jemand die Klausuren veröffentlicht, wäre interessant, ob ein Urheber (Lehrer), der Erstverwerter (Ministerium) oder der Zweitverwerter (Verlag) klagt. Ich vermute, es wird der Verlag tun, weil er Alleinverwertungsrechte vereinbart haben wird.
    Der Verband der Bildungsmedien ist ein eingetragener Verein. Das wirft die Frage auf, ob der Erwerb von Verwertungsrechten zum wirtschaftlichen Nutzen seiner Mitglieder mit der Vereinseigenschaft übereinzubringen ist oder eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Der Verband wirbt damit für seine Mitglieder ‚attraktive Sonderkonditionen bei der Einholung von Urheberrechten‘ anzubieten. Juristisch ist das falsch, es kann ja nur um Verwertungsrechte gehen, aber was solls.
    Politisch ist die Frage, ob es politisch – parlamentarisch – gewollt ist, dass ein Ministerium Prüfungsaufgaben wirtschaftlichen Interessen unterwirft. Es gab vor ein paar Jahren parlamentarische Anfragen über das Einnahmevolumen aus solchen Verträgen auf Bundesebene und in mehreren Bundesländern. Das war marginal.

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