Kein „hypersensibler“ Datenschützer: Oettinger sieht laxen Umgang mit Daten als Wettbewerbsvorteil

CC-BY-SA Felix König

Am Vorabend des EuGH-Urteils zu Safe Harbor hat Günther Oettinger in München erneut für Erheiterung gesorgt. Bei einem Gesprächsabend mit CSU-Generalsekretär Dr. Andreas Scheuer forderte er einen Wandel im europäischen Datenschutz-, Urheber- und Leistungsschutzrecht, natürlich in Absprache mit den USA.

Denn sonst sei die Zukunft der deutschen Medienlandschaft in Gefahr. Die Gewinne aus dem Medienkonsum ließen zu wünschen übrig: Die Wertschöpfung sei „gleich null“, so Oettinger. Nur wer über die Nutzungsdaten verfüge, habe die Macht. Doch die Daten aus dem deutschen Medienkonsum gehen gerade an asiatische und US-amerikanische Unternehmen, so Oettinger.

Deren Vorteil liege darin, dass sie die Daten nutzen, statt sie (nur) zu schützen. Schließlich liefere Big Data den Rohstoff der Zukunft. Damit ist Oettinger voll auf der Merkel-Linie, nach der Big Data als digitales Humankapital ganz im Sinne der Wirtschaft zu fördern seien. So lässt der EU-Kommissar verlauten:

„Die Daten sind der entscheidende Faktor. […] Während bei uns mitunter hypersensibel der Datenschutz im Vordergrund steht, steht in den USA die Nutzung der Daten an erster Stelle.“

Dass Oettinger kein ‚hypersensibler‘ Datenschützer ist, dürfte für die talibaneske Netzgemeinde keine Neuigkeit darstellen. Aber für die macht er ja gar keine Politik, denn:

„Wir können nicht immer nur Verbraucherschutzpolitik machen, wir müssen auch ein bisschen Industriepolitik machen.“

Ein bisschen Industriepolitik also. Damit etwa ‚segenhafte’ industrielle Entwicklungen wie Wearables im Gesundheitsbereich auch in Europa erfolgreich sind, fordert Oettinger neue Regelungen im Datenschutz-, Urheber- und Leistungsschutzrecht. Dass diese in Absprache mit den USA zu erfolgen haben, sei klar. Dafür gebe es ja die TTIP-Verhandlungen.

Zum EuGH-Urteil selbst äußerte sich der Kommissar für Digitale Wirtschaft (und Gesellschaft) noch immer nicht. Obwohl inzwischen auch eine deutsche Übersetzung des Urteils vorliegt.

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26 Ergänzungen

  1. Dann kann die CDU ja gleich mal damit anfangen und mit gutem Beispiel vorangehen.
    1. Veröffentlichung sämtlicher Nebeneinkünfte der Abgeordneten in Bund, Ländern und Kommunen mit Ross, Reiter (nicht nur Auftrag-, sondern auch Namensgeber, analog zum Agenturmodell) und centgenauem Betrag.
    2. Veröffentlichung sämtlicher Parteispender auf Heller und Pfennig, einschließlich der Spender für die schwarzen Unionskassen unter Kohl.
    3. Ungeschwärzte Veröffentlichung sämtlicher Verträge der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen, die in der einen Kammer des Bundestags versteckt sind, die die Abgeordneten zwar betreten dürfen, um sich zu informieren, über deren Inhalt sie aber nicht mal sprechen dürfen.

    1. Das muss einfach mal geleakt werden und anschließend mit dem Argument „Datennutzung“ verteidigt. Am Besten alle „Big Data“-Lobbynachplapperer persönlich treffen, private Daten veröffentlichen. Wenn die Hunde erst getroffen sind, fangen sie auch an zu jaulen und überdenken ihre unmenschliche kriminelle Energie vielleicht noch mal.

  2. Der ironische Schreibstil gefällt mir. Talibanesk – wunderbare Wortschöpfung.
    Auch der subtile Seitenhieb im letzten Satz ist wunderbar gelungen.

  3. Genau: wann wird endlich diesen mafiös organsisierten Datenschützern endlich das Handwerk gelegt, sorgen diese mit Ihren Anliegen doch nur für Wachstumshemmnisse und Profitbremsen. Wann endlich schaffen wir einen Straftatbestand für den völlig überbewerteten und überflüssigen Datenschutz?

    so nun aber mal ernsthaft: das liegt doch nicht nur am Bier, was nimmt der verantwortunglose Trottel denn noch für Drogen?

    PS: vermutlich hat er eh nur den Spickzettel der Lobbyisten auswendig gelernt: aber hey das sind die Werte für die wir uns abmühen: die Profite einiger Weniger. Der Aufschreib wird ausbleiben, vertritt er doch auch nur Frau Dr. Merkels/CDU/CSU/SPD Standpunkte.

    Kbs

  4. Wie konnten wir uns den Öttinger bloß als Digitalkommissar eintreten? Können wir die EU-Kommissare in Zukunft bitte direkt wählen?

  5. „Während bei uns mitunter hypersensibel der Datenschutz im Vordergrund steht, steht in den USA die Nutzung der Daten an erster Stelle.“

    Während bei uns mitunter hypersensibel die Menschenrechte im Vordergrund stehen, steht in den USA die Industrie an erster Stelle.

    1. Nicht die Industrie steht im Vordergrund, die wurde und wird weitgehend outgesourced (mit den damit verbundenen teuren Arbeitsplätzen). Bleiben soll nur die Essenz des Kapitals, der Profit!
      „Alles andere ist primär“ (Toni Polster).

  6. US Verhältnisse in D einführen, also: Politiker müssen ihre Einkommensteuererklärung veröffentlichen, Abschaffung der Ausweispflicht, Abschaffung der Meldeämter, Abschaffung der Impressumspflicht, Schutz von bei Unternehmen gespeicherten Kundendaten vor Beschlagnahmung durch die Polizei.

      1. „The Federal Bureau of Investigation (FBI) is the domestic intelligence and security service of the United States“ wikipedia

      2. Weiß nicht genau wem das letzte gilt, aber sicherheitshalber: Der Absatz im Wikipedia-Artikel geht noch weiter:

        A leading U.S. counterterrorism, counterintelligence, and criminal investigative organization, FBI has jurisdiction over violations of more than 200 categories of Federal crimes.

        Wie gesagt, das FBI ist auch eine Polizeibehörde und erfüllt Funktionen, die bei uns etwas das BKA wahrnimmt. Nicht umsonst hat die Kombination von geheimdienstlichen und polizeilichen Funktionen, dem FBI schon oft den Vorwurf eingebracht effektiv eine Geheimpolizei zu sein.

  7. DER Günther Oettinger, der auch sehr gerne mal ne LOBREDE auf NAZI-RICHTER FILBINGER hielt , als man IHN noch MINISTER-PRÄSIDENT spielen ließ, gehört, nach zunehmend gehäuften SCHWACHSINNIGEN REDEN auf der EU-BÜHNE , < errinnert sei an seine ERSTE versuchte ENGLISCHE PRESSE-KONFERENZ, rauf aufs SCHAFOTT, KOPF ab und weg. PUNKT ….. Silence. … und da fallen mir auf ANHIEB noch 9 weitere SCHWACHMATEN aus der CDU/CSU ein. mfg JS

    1. Ho-ly shit, eine Lobrede auf einen Nazirichter!!? Das katapultiert die ohnehin schon monumentale Peinlichkeit dieses Kerls ja glatt von der Skala.

      Das war zwar 2007, aber gebessert hat er sich offenkundig nicht.

  8. Deswegen entsenden wir die Besten der Besten der Besten nach Brüssel. Den an dem deutschen Wesen soll Europa genesen. Herr Oettinger weiter so, dadurch halten uns alle Europäer für doof und verstehen die Strategie dahinter gar nicht. ;-) Sie sind schon ein alter Fuchs, wie gut sie sich verstellen können.

  9. Ab wann ist ein Mensch der die Realität komplett ausblendet und Dinge sagt die eine geistige umnachtung belegen eigentlich reif für die Nervenklinik?

  10. Big Data kann vorallem eines: Investoren Geld aus der Tasche ziehen, die den geistigen Horizont eines Günther Oettingers haben.

  11. Da hat er doch Recht. Fehlender Datenschutz ,und maßloses Daten und content Raubtittertum ist die Grundlage der Millardengewinne unsere Kalifornischen Freunde. Das Geschäft geht an Europa vorbei, weil sich hier UNternehmen nicht ( wie vom US Staat gedeckelt) so absurd rechtsfeindlich benehmen dürfen. Da spielt auch der DMCA eine Rolle, der nichts anderes ist, ein ein Blankoschek, dass Daten und content rechtsverstößliches verhalten nicht verfolgt wird Die Alternative heisst also,(A) die Thiels, Googles, facebooks etc. dieser Welt strafrechtlich in Europa zu belangen, oder (B) in Europa das Datenund content Raubrittertum auch zu fördern. Ich hoffe es geht in Richtung (A) .

  12. So sehr ich diesen Mann verabscheue, er hat wenigstens offen gesagt wer ihm diesen Müll diktiert hat:
    „wir müssen [..] Industriepolitik machen.“

  13. Das hat man nun von der Höflichkeit , anstatt dem Mann damals schon zu sagen , er hat die Wahl verloren, da er nicht gut genug war, lobt man ihn weiter weg und vergisst, das man in Brüssel auch Schaden anrichten kann.
    Nach dem Spruch – dir Geister die ich rief – macht er dort mit der Zuarbeit für die Wirtschaft weiter.
    Die Industrie (nicht nur aus dem Ländle) hat somit über die CDU in Brüssel einen Kuckuck eingesetzt, der genau weiß für wen er zu Rufen hat.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.