Kein Anschluss unter diesem Flüchtling – Markierung von Rufnummern

(CC BY-NC 2.0) Rasande Tyskar via flickr

Flüchtlinge, die derzeit in Deutschland ankommen, sind auf einen mobilen Internetzugang mit dem Handy angewiesen. Es ist oft die einzige Kontaktmöglichkeit zu Familienmitgliedern und wichtigste Informationsquelle, um sich in dem fremden Land zurechtzufinden. Dabei müssen Flüchtlinge auf Prepaid-Karten zurückgreifen, denn einen Mobilfunkvertrag zu bekommen, ist für sie äußerst schwierig. Deutsche Behörden nutzen die Gelegenheit, um hinterrücks ihre Überwachung zu intensivieren.

Auch bei Prepaid-Karten sind die Provider nach dem Telekommunikationsgesetz verpflichtet, unter anderem den Namen und die Anschrift des Anschlussinhabers zu speichern. Überprüfen müssen sie diese Daten zwar nicht. Doch wie die taz feststellte, ist den Strafverfolgungsbehörden diese fehlende Pflicht zur Adressprüfung ein Dorn im Auge. Flüchtlinge, die beim Kauf einer Prepaid-Karte die Adresse ihrer Erstaufnahmestelle angeben, erfahren deshalb eine Sonderbehandlung. Ihre Anschlüsse werden von den Mobilfunkbetreibern ausgesondert und markiert. Wenn sie nicht rechtzeitig eine gültige Folgeadresse angeben, droht ihnen sogar die Sperrung der Rufnummer.

Das Problem heißt Kontrolle

Anhand der Markierungen werden die Handynummern von Flüchtlingen identifizierbar; die Mobilfunkanbieter können ihnen also die Anschlüsse zuordnen. Hier wird vorauseilend ein die Flüchtlinge diskriminierendes Verfahren geschaffen, damit die Strafverfolgungsbehörden über penibel genaue und aktuelle Daten zu deren Wohnorten verfügen. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat dafür eine Leitlinie gemeinsam mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) und dem Wirtschaftsministerium (BMWi) entwickelt.

1. Bei dem Verkauf der Prepaid-Karten an Asylsuchende werden zunächst einmal die bei der Registrierung in der Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommenen Angaben erhoben und gespeichert. Neben dem Namen und Geburtsdatum des Asylsuchenden sollte die Adresse der Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen werden.

2. Nach spätestens drei Monaten werden die Nutzer der Prepaid-Karten per SMS (in englischer und arabischer Sprache) aufgefordert, sich mittels einer aktuellen „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“ (BüMA) oder einer Aufenthaltsgestattung im Zusammenhang mit der Asylantragstellung neu registrieren zu lassen.

3. Sollte diese Neuregistrierung nicht innerhalb von 14 Tagen erfolgen, werden die jeweiligen Prepaid-Karten abgeschaltet.

Den Schwarzen Peter weitergeben

Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur, verteidigte dieses Verfahren folgendermaßen: „Keineswegs soll damit eine dauerhafte Kennzeichnung der Kunden verbunden sein.“ Bezeichnend ist darin natürlich das Wort „dauerhaft“, denn eine spezifische Kennzeichnung der Flüchtlinge findet in jedem Fall statt. Zwar bestreitet die BNetzA, dass die Provider zur Speicherung eines Merkmals wie „Migrant“ verpflichtet seien, doch gibt sie den Schwarzen Peter an die Mobilfunkanbieter weiter. Sie spricht explizit von einer Kennzeichnung der entsprechenden Anschlüsse, doch für die Umsetzung der spezifischen Kennzeichnung sind die Provider zuständig:

Wie die Kennzeichnung der Anschlüsse erfolgt, zu denen eine aktuelle Adresse nacherhoben werden soll, bleibt den Unternehmen überlassen.

Einige der Mobilfunkanbieter hatten bei der Bundesnetzagentur erfragt, ob es ein besonderes Verfahren mit den Anschlüssen von Flüchtlingen gebe, und bekamen die Leitlinie als Antwort. Vodafone Deutschland versucht, die diskriminierende Vorgabe der BNetzA einfach zu umschiffen. Der Konzern bietet beispielsweise ein spezielles Prepaid-Produkt für Asylsuchende, das eine eigene Artikelnummer besitzt und darüber die entsprechenden SIM-Karten identifizieren kann.

Wer nicht antwortet, wird gelöscht

Drei Monate nach einer ersten Registrierung wird auch hier per SMS zu einer Aktualisierung der Daten aufgefordert. Wer nicht folgt, dem droht die Sperrung des Anschlusses. Wulff von der BNetzA begründet das Verfahren damit, dass „bereits bei Erwerb der SIM-Karte klar ist, dass die Adressdaten der Erstaufnahmeeinrichtung nur übergangsweise gültig sind“.

Diese Argumentation scheint in mehrfacher Hinsicht absurd. Einerseits verlangt zwar der § 111 TKG, hinter dem sich die BNetzA verschanzt, eine Korrektur der Adressdaten, sobald eine Änderung dem Dienstanbieter bekannt wird. Allerdings verfährt man mit anderen Menschen, deren Adresse volatil ist, nicht so. Beispielsweise müssen Personen, die als Wohnort ein Studentenwohnheim beim Prepaid-Kartenkauf angeben, nicht mit einer gesperrten Rufnummer am Ende des Semesters rechnen. Zwar ist hier ebenfalls beim Erwerb der SIM-Karte klar, dass die KundInnen dort nicht für immer und ewig wohnen werden. Gleiches gilt für Jugendliche, die noch bei den Eltern wohnen, oder für Zeitarbeiter. Aber da die Mobilfunkanbieter nicht verpflichtet sind, die Angaben der KundInnen zu überprüfen, geschweige denn sie zu sanktionieren, behandelt man solche Menschen nicht wie die Flüchtlinge. Der Unterschied ist wohl weniger der erwartbar veränderliche Wohnort, sondern die Tatsache, dass von den Flüchtlingen weniger Widerstand gegen die diskriminierende Behandlung zu erwarten ist.

Die Bundesnetzagentur sieht das naturgemäß anders und legt eine sehr eigenwillige Interpretation des § 111 TKG an den Tag:

Erlangt ein Diensteanbieter Kenntnis davon, dass sich Daten eines Anschlussinhabers geändert haben, ist er gefordert nachzuerheben und zu korrigieren (§ 111 Absatz 1 Satz 4 Telekommunikationsgesetz). In der Regel erfolgt eine Nacherhebung via SMS an die betroffene Rufnummer mit der Bitte um erneute Verifizierung der hinterlegten Anschlussinhaberdaten. Erfolgt dies nicht innerhalb der vorgegeben (sic!) Frist, wird die jeweilige SIM-Karte gesperrt. […] Ein Diensteanbieter darf eine Erstaufnahmeeinrichtung als Anschrift des Anschlussinhabers nicht im Datenbestand belassen, sofern bekannt ist, dass diese zunächst angegebene Anschrift in naher Zukunft unrichtig wird.

Einige Mobilfunkanbieter bestätigten auf Nachfrage, dass diese Regelung in anderen Fällen äußerst selten angewendet werde. Es drängt sich der Verdacht auf, dass bei der Erarbeitung der Verfahrensleitlinie BMI, BMWi und Bundesnetzagentur neben einer „praxisorientierten Lösung für Flüchtlinge“ die Überwachbarkeit sämtlicher Anschlüsse von Flüchtlingen im Hinterkopf hatten. Der „angepasste Zeitrahmen“ zur Neuregistrierung und die drohende Abschaltung des Anschlusses sind wahrlich kein Entgegenkommen gegenüber den Flüchtlingen. Während man ansonsten gern die Willkommenskultur zelebriert, halten die deutschen Behörden hinter dem Rücken schon die Migranten-Markierung und den Off-Button bereit.

Hier telefoniert der Friedhof

Der Skandal bietet eigentlich Anlass dazu, grundlegend darüber zu diskutieren, warum es in Deutschland nicht erlaubt sein soll, Handys ohne Angabe von persönlichen Informationen zu nutzen. Vielfach finden wir uns damit ab, dass Mobilfunkanschlüsse uns zuzuordnen sind. Die Behörden versuchen nun, wegen der vorhersehbaren kurzen Aufenthaltsdauer an einem Ort, das Kontrollnetz engmaschiger zu spinnen. Es ist längst klar, dass sich Personen durch eine Registrierung nicht abhalten lassen, wenn sie anonym telefonieren möchten. Einige Möglichkeiten wurden bei netzpolitik.org bereits vorgestellt.

Stattdessen wird von der BNetzA vorgeschoben, dass die Kartenregistrierung auf eine fiktive Adresse unzulässig sei. Die Mobilfunkbetreiber überprüfen bei der Registrierung von Prepaid-Karten in aller Regel nicht, ob es sich die Adresse eines Friedhofs oder um das Wahlkreisbüro eines Abgeordneten handelt. Die beteiligten Behörden wissen das. Trotzdem sind Menschen, die in einer Erstaufnahmeunterkunft leben, die Einzigen, deren Anschlüsse angezählt werden.

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18 Ergänzungen

  1. Dieser Generalverdacht ist eine Schweinerei, wollen wahrscheinlich wieder nur ein paar von den Talibans schnappen die tatsächlich so doof sind und Ihre terroristischen Aktivitäten von „zuhause“ aus, sprich mit Ihren alltäglichen Geräten planen. Wenn ich jedoch an die ganzen vorregistrierten Nummern aus den LateShops und Internetcafes denke glaube ich wiederum nicht, dass das nun bei den Flüchtlingen was ganz neues ist.
    Zum Schmunzeln: Hier klingelte vor einiger Zeit das Telefon und eine Dame teilte mit sie wäre von einem Mobilfunkanbieter angeschrieben worden, die Karte würde demnächst deaktiviert werden wenn keine weitere Aufladung erfolgen würde.

  2. Ganz einfache Lösung: Registrierungszwang von Prepaid-SIM-Karten abschaffen!

    Win-Win! Warum?

    A) Unbescholtene Bürger werden vor Datenmissbrauch ausgehend von Mobilfunkunternehmen und anderen Kriminellen geschützt.

    B) Polizei & Co. können auch eine „anonyme“ SIM-Karte bei konkreten Verdachtsmomenten ohne größere Probleme überwachen. Anhand des Bewegungsmusters (z.B. Wohnort vs. Arbeitsort) oder des Kontaktprofils (z.B. Kontakt zu Lebenspartner und Freunden) lässt sich der Verdächtige identifizieren, orten und verfolgen, obwohl die SIM-Karte namenlos betrieben wird. Etwas mehr Aufwand, aber kein echtes Hindernis.

    FAZIT:
    Anonyme SIM-Karte schützen unbescholtene Bürger vor Datenmissbrauch und Identitätsdiebstahl. Polizei & Co. können bei konkretem Verdacht weiterhin ermitteln. Der etwas erhöhte Ermittlungsaufwand ist gerechtfertigt, um Fehlanreize für missbräuchliche Ermittlungen „ins Blaue hinein“ zu reduzieren (gezielte Ermittlung vs. Massenüberwachung).

    Sicherheit und Freiheit sind kein Widerspruch.
    THINK TWICE — wir denken Rechtsstaat neu.

    1. Vollste Zustimmung. Die alberne Verknüpfung von Prepaidkarten mit Wohnadressen muss endlich weg. Den Identifizerungswahn – hier in Verbindung mit Meldewahn, institutionalisiertem Misstrauen und Ausgrenzung – finde ich eine obrigkeitsstaatliche Gartenzwergspinnerei, die absolut unzeitgemäß ist – natürlich auch in Anbetracht des galoppierenden Datenmissbrauchs durch Industrie und Behörden.

      Es ist schlicht ermüdend, für jede Karte immer eine Adresse heraussuchen zu müssen. Zum Glück prüfen viele Anbieter wirklich sehr lax und konfirmieren die Angabe nicht per Brief. Warum sollten sie auch, solange sie nicht von den Kontrollfreaks aus dem Apparat dazu gezwungen werden.

      Ich finde, wir müssen den Staat generell vor die Wahl stellen: entweder Massenüberwachung mit Profilbildung oder Registrierung, oder am besten keines von beiden. Beides zusammen ist schlicht unfair und schreit in dieser Kombination selbstverständlich nach zivilem Ungehorsam.

    2. Da hast du die Rechnung ohne die SPD gemacht. Die SPD fordert bereits den Ausbau des Polizeistaats wegen den Flüchtlingen.

  3. Hallo zusammen,

    wir (utransto) beschäftigen uns im Hauptgeschäft mit der Aufladung von Prepaid-Handys. Nicht nur in Deutschland, sondern eben für Anschlüsse aus der ganzen Welt. Aber auch ohne diese berufliche Verwicklung, ist jedem bekannt, dass man in jedem Internet-Kaffee eine neue (bereits aktive) SIM-Karte bekommt wenn man explizit danach fragt. Auch bezweifle ich, dass es mit den Vorgaben der Registrierung so ernst genommen wird.

    Vor einigen Tagen war in in einem Media-Markt in München, welcher sehr Nahe an einem Flüchtingsheim gelegen ist. Neben zahlreichen Asylsuchenden, welche dort Schlange standen und jeden Tag Schlange stehen, hat man aber schnell bemerkt, dass auch einige Einzelhändler die aktuelle Situation für Ihren Vorteil nutzen. Genau gesagt, habe ich innerhalb von nur 10 Minuten über 20 „Neukunden“ gesehen, welchen eine Media-Markt SIM-Karte verkauft wurde. Das geschieht dort jedoch nicht nur 10 Minuten, sondern eben den Ganzen Tag.

    Wenn man nun weiß, dass diese virtuellen Netzbetreiber (wie Media-Markt einer ist) auch Geld mit jeder verkauften Minute Gesprächsguthaben verdienen, müssten diese sich ja durch strenges Einhalten der Vorgaben quasi nach drei Monaten selbst das Geschäft abschneiden. Ob das Realität ist und oft praktiziert wird, wage ich zu bezweifeln.

    1. Dann werden sie feststellen müssen, dass auch sie längst markiert sind.
      Das Feature ist nicht neu und wurde zum Gebrauch geschaffen.

  4. Wie geht man eigentlich mit ausländischen Urlaubern um, die eine Prepaidkarte erwerben wenn in den Herkunftsländern keine Meldepflicht besteht und im Ausweis keine Adresse steht? Die Angabe ihres Hotels ist auch keine dauerhafte Adresse.

  5. Es kann durchaus sein, dass die Überprüfung der Marktadresse des Orts des Erwerbs dem stand hält. Nur mal so. Wurde mir so bestätigt.

  6. Trotz der Frage, inwiefern tatsächlich eine „böse Absicht“ hinter dieser Praxis steht: Danke für den Beitrag als Hinweis!

    Den Begriff „Sonderbehandlung“ finde ich aber etwas fehl am Platz. Sollte man m.E. nur sehr sensibel handhaben …

  7. Was ich persönlich an diesem ganzen Thema nie verstehe:

    Wenn ich hier in Neukölln zu Crazy Ahmed (oder einen seine Mitbewerber) gehe und mir z.B. 3 GB Daten für nebenbei besorge, dann wird mir eine aktivierte SIM überreicht. Da hat mich noch irgendjemand nach meinem Namen oder sonstigen Angaben gefragt. Die einzige Autorisierung, die ich je benötigte, war ein 10-Euro-Schein sowie (optional) ein weiterer 5-Euro-Schein.

    Ich wär doch auch so gern überwacht. Was mache ich falsch?

    1. So sieht es aus. Hier nebenan im Wedding verkaufen fliegende Händler an der Lageso den Menschen in der Schlange bereits aktivierte Lebara-Karten. Ich habe für Heise vor ein paar Wochen von der Regelung geschrieben, die praktisch jeder ignoriert:

      http://heise.de/-2826395

  8. Wie war das noch? Geld verdirbt nicht! Solange noch Restguthaben auf der Karte ist darf sie nicht deaktiviert werden…
    Wenn auf einer Karte noch 50€ drauf sind und das Ding einfach abgeschalten wird ist das IMO Diebstahl.
    Dann müssen wohl demnächst Vertreter der Anbieter alle Nas‘ lang in die Erstaufnahmestelle um Guthaben zurückzuerstatten.

  9. Aus meiner sicht völlig in Ordnung. Die Leute sind unbeschriebene Blätter. Wer von denen Gauner ist und wer nicht weiß niemand. (Zalando mittlerweile schon :)) Da werden naturgmäß einige Gauener bei sein. Zum Teil ist „Schlitzohrigkeit“ in einigen Herkunftsländern kultureller Hintergrund zum anderen ist Flucht für Leute die regelmäßig was ausfressen eine ganz wichtige Option.
    Also absolut i.O. dort als Anbieter vorsichtig sein zu dürfen. Auch Kennzeichnung und Überwachung der „Merkelschen Neuankömmlinge“ (keine Flüchtlinge – die Fassbomben fallen ja nicht in Österreich) ist immens wichtig. Zum einen ist das die einzige Quelle herauszubekommen wer die Leute wirklich sind. z.B. Behauptet aus Sierra Leone zu kommen, telefoniert aber nur nach Ghana! Oder ruft ständig Nummern an hinter denen Unterstützer der jeweiligen Regimes stehen. Zum anderen Ortung: Die Kumpels büchsen aus und begehen Straftaten. Keine Sau weiß wo die sind!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.