Wir brauchen besser funktionierende Kontrollgremien und gesetzliche Rahmenbedingungen

Now with a new internet surveillance department: Federal Office for the Protection of the Constitution. Image: Stefan Kühn. License: Creative Commons BY-SA 3.0.

Im Rahmen der Tagung des Netzwerkes Recherche fand eine Talkrunde mit dem Thema der Recherche zu Geheimdiensten, wie zum Beispiel NSA oder BND statt. Hierzu fanden sich der Präsident des BND, Gerhard Schindler, und die Journalisten Oliver Schröm, Georg Mascolo und Elmar Theveßen zusammen, moderiert wurde die Veranstaltung von Gudula Geuther.

Das Gespräch begann mit einem Eingangsstatement des BND-Präsidenten Schindler. Darin führte er aus, dass er die Zusammenarbeit mit der NSA „okay“ fände und sprach sich für einen milderen Umgang mit seiner Behörde aus. Der BND würde seitens der Journalisten unfair behandelt werden, wenn beispielsweise Fragen per E-Mail an Schindlers Behörde gestellt werden, wären diese Anfragen zeitlich so knapp begrenzt, dass es praktisch unmöglich sei, diese innerhalb der geforderten Zeit zu beantworten. Der BND müsse ja erst selbst intern zum angefragten Thema recherchieren und anschließend müsse dies dann noch vom Kanzleramt abgesegnet werden, bevor die Information veröffentlicht werden könne. Allerdings selbst wenn der BND etwas dementiere, würde dies, so Schindler, dann oft nicht gedruckt. Dies würde die schöne Story kaputt machen. Er wünsche sich einen respektvolleren Umgang miteinander.

Zu einem respektvollen Umgang gehört aber wohl auch, dass die Bundesregierung Journalisten nicht schütze. Mascolo ist der Meinung, dass die Kontrollgremien versagt haben. Der BND könne nicht einfach so Journalisten überwachen. Er glaube nicht, dass es je Zeiten gegeben habe, in denen es so viel Wut innerhalb der Regierung über die Arbeit der Journalisten gegeben hätte. Er mahnte aber auch zur Zurückhaltung, man müsse bei weitem nicht jedes Geheimnis einer Regierung publizieren, es sei wichtig, sich immer die Frage danach zu stellen, ob es ein öffentliches Interesse daran gäbe.

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Theveßen zieht den Bogen zur NSA-Affäre und sieht einen möglichen Grund hierfür darin, dass die Berichterstattung seit dem 11. September zunehmend von Emotionalität dominiert werde. Man habe aufgrund der Schmach, dass einige Täter aus Deutschland kamen bzw. in Deutschland lebten, bereitwillig alle verfügbaren Daten bereitgestellt. Die Bush-Administration habe der damaligen Bundesregierung einen 20-Punkte-Plan vorgelegt, in dem auch der Zugriff auf Behörden gefordert wurde, auch auf regionaler Ebene. Die einzige Gegenleistung wäre gewesen, dass man warnen würde, falls ein Terroranschlag drohe.

Schindler widersprach dem und sagte, dass der BND sehr wohl Journalisten schütze. Er erinnere sich daran, selbst in Redaktionen angerufen zu haben und dazu angeraten habe, Journalisten aus diesen Regionen abzuziehen. Namentlich nannte der BND-Präsident hier Ägypten, den Irak oder Aleppo (Syrien). Er wünsche sich eben mehr Kooperation mit den Journalisten. Schröm ist hier anderer Meinung. Zu viel Nähe sei nicht gut, man kann ja wohl kaum nur die offiziellen Weg gehen, Recherche sei ja etwas anderes.

Auch für Theveßen ist dies von Wichtigkeit. Nur wenn man eine kritische Masse in der Faktenlage erreicht habe, könne man tatsächlich unabhängig über etwas berichten. Wir hätten ein gewisses Mantra in der Politik und Berichterstattung entwickelt, dass Menschenleben immer zu jedem Preis gerettet werden sollen. Wenn man dies lange genug höre, würde man automatisch anfangen, jedes Mittel zu heiligen. Man müsse sich dann nicht mehr wundern, wenn Sicherheitsbehörden aktiv wegschauen oder sich sogar direkt an illegalen Aktionen beteiligen würden.

Eine Publikumsfrage kritisierte Schindlers Aussage, dass Journalisten nicht akzeptieren könnten, dass Geheimdienste im Geheimen arbeiten. Vielmehr sei es so, dass der BND gegen bestehendes Recht verstoße. Beispielsweise sei die Veras-Datenbank eine Vorratsdatenspeicherung ohne gesetzliche Grundlage, der BND betreibe diese trotzdem.

Schindler verteidigte sich und seine Behörde damit, das sie nicht gegen bestehendes Recht verstoßen würden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den BND seien das BND-Gesetz und das G10-Gesetz, Veras verstoße hiergegen nicht. Allenfalls verstoße dies gegen das Datenschutzrecht, und hier sei dann zu prüfen, ob es sich um einen formalen oder ein inhaltlichen Verstoß handle. Die Datenschutzbeauftragte des Bundes habe dies geprüft und sei zu dem Befund gekommen, dass eine Anordnung für Vera fehle. Für Schindler ist dies kein inhaltliches Problem. Es gäbe ja auch in anderen Behörden Probleme, die der Datenschutzbeauftragte festgestellt habe.

Für Mascolo funktioniere vor allem die parlamentarische Kontrolle nicht, ebenfalls vermisst er eine konkrete Gesetzgebung. Dies führe zu einer zunehmend härter werdenden Auseinandersetzung, die zumindest das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Strafanzeigen austrägt. Weiter wiederholte Mascolo die Unabdingbarkeit von klaren gesetzlichen Regelungen und funktionierenden parlamentarischen Kontrollgremien. Schindler schließt sich dieser Forderung an, er wolle aber keine zusätzlichen Befugnisse für seine Behörde, sondern lediglich klare Richtlinien für die bestehenden Befugnisse. Allerdings konnte er sich hier zumindest ein Teilgeständnis abringen, dass sich seine Behörde in der Vergangenheit an der Grenze des Erlaubten bewegt habe. Theveßen wünscht sich außerdem eine Möglichkeit des formalen Protests für den BND gegenüber Anweisungen aus dem Bundeskanzleramt.

Zum Ende der Gesprächsrunde mahnte Mascolo aber auch die Journalisten zur Zurückhaltung, etwa die Hälfte von dem, was über die NSA/BND-Affäre geschrieben worden sei, habe sich im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt. Wenn wir als Journalisten unsere Glaubwürdigkeit verteidigen wollen würden, hätten wir eine Verpflichtung gegenüber dem Publikum, so Mascolo. Man müsse dem Publikum offen sagen, wenn man sich geirrt habe, und diese Information solle von einem selbst bereitgestellt werden und nicht durch Dritte.

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6 Ergänzungen

  1. etwa die Hälfte von dem, was über die NSA/BND-Affäre geschrieben worden sei, habe sich im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt

    Offensichtlicher kann man Zahlen auch nicht erfinden.

    1. Über diese Aussage bin ich auch gestolpert. In Wirklichkeit ist es wahrscheinlich noch schlimmer, als es bisher dargestellt wird.

  2. Was bitte ist die Vera-Datenbank. Der Link führt zu einem Artikel, der nix darüber sagt.
    Was ich auf netzpolitik.org finden konnte:

    Notz: Aber auch ohne Anordnung dürfen die Datenbanken weitergeführt werden?
    F.: Ja.
    Notz: Wie lange gibt es diesen Zustand schon?
    F.: INBE ist Nachfolger von MIRA4, kam 2010. VERA kam 2002.
    Notz: Stimmen sie zu, dass das unverhältnismäßig lange ist, wo diese Anordnungen fehlen?
    F.: Ja.

    Renner: VERA sind Metadaten. Aus Telefonie?
    F.: Insgesamt aus leitungsgebundenen Verkehren.
    Renner: Telefonie, E-Mail, Internet, soziale Netzwerke?
    (Einflüsterung von Regierung.)
    F.: Nicht öffentlich bitte.

      1. Danke für die Korrektur, jedoch ist noch ein tag „Vera“ übrig geblieben. Das wäre auch noch zu ändern.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.