Iran: Netzpolitische Entscheidungen nur noch im Supreme Council of Cyberspace

CC BY 2.0 by thierry ehrmann

Der Supreme Council of Cyberspace (SCC) soll die einzige Behörde im Iran werden, die netzpolitische Entscheidungen trifft. Das kündigte der oberste geistliche Führer des Iran, Ali Khamenei, Anfang September an – er hatte den SCC gegründet, ihm berichtet der Rat und er ernennt zudem die Mehrheit seiner Mitglieder. Eine Zentralisierung netzpolitischer Entscheidungskompetenz im SCC könnte bedeuten, dass die vergleichsweise moderaten Positionen der Regierung von Präsident Hassan Rohani zukünftig schwieriger in die iranische Internet Policy einfließen könnten.

Im März 2012 wurde auf Anordnung des iranischen Staatsoberhauptes Ali Khamenei der Supreme Council of Cyberspace (SCC) gegründet. Bisher wurde in dieser zentralisierten Behörde, gemeinsam mit anderen staatlichen Institutionen, entschieden, welche Online-Inhalte gefiltert und welche Webseiten gesperrt werden. Vor einigen Wochen gab Khamenei jedoch bekannt, dass ähnliche Gremien aufgelöst und netzpolitische Entscheidungen nur noch im SCC getroffen werden sollen.

Khameneis Beschluss fällt, so berichtet die NGO International Campaign for Human Rights in Iran, hinein in die Diskussion zwischen Hardlinern und moderaten Kräften. Erstere wollen den Internetzugang strikt begrenzen, letztere argumentieren dass ein offeneres Internet notwendig sei für das moderne Bildungs- und Geschäftswesen. Die als moderat geltende Regierung des 2013 gewählten Präsidenten Hassan Rohani hatte bereits Erfolge gegen die Hardliner erzielen können: im Mai 2014 erreichte Rohani, dass das Whatsapp-Verbot durch die Behörde für Internetkriminalität wieder aufgehoben wurde, im September kritisierte er im iranischen Staatsfernsehen die Internetzensur im Land. Der Direktor von International Campaign for Human Rights in Iran, Hadi Ghaemi, räumt den Hardlinern unter Khamenei keine großen Chancen ein:

Khamenei believes if he can maintain control over the Internet, he can maintain control over the citizenry. But with more than half of Iran’s 80 million people online, that train has already left the station.

Die Non-Profit-Organisation Small Media weist darauf hin, dass die Stärkung des SCC nicht zwangsläufig eine Verschärfung der Regulierung im Netz bedeuten muss. So wurden durch die Ernennung neuer Mitglieder durch Khamenei zuletzt nicht weniger, sondern sogar mehr eher moderate Mitglieder in den SCC aufgenommen, Rohani hat zudem bereits bewiesen, dass er auch in seiner Position als Vorsitzender des SCC den Zensur-Wünschen der Hardliner etwas entgegensetzen kann.

As for the parallel bodies to be dissolved, Khamenei didn’t offer any specifics, and we may have to wait until the next high profile fight over internet policy to see how any new institutional tensions play out. It is certainly possible that powerful conservatives like Khamenei will attempt to cut the Rouhani government out of the internet policy process in the future. However, we’d argue that Khamenei’s recent statement on the SCC was not targeted to that end.

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3 Ergänzungen

  1. Naja, dass mit der Wahl Rohanis Iran nicht gleich zum Regenbogen pupsenden Einhorn wird, war schon klar. Es wird noch eine ganze Zeit brauchen. Aber: Die „Babyboomer“ – das Durchschnittsalter liegt unter 30 – werden langsam in die Politik hineindrängen, und von innen heraus dürften Hardliner wie Khamenei zunehmend ins Hintertreffen geraten. Rohani weiß das und trägt dem Rechnung, was vermutlich weniger innere Überzeugung (sonst hätte ihn der Wächterrat wohl kaum zugelassen, sondern sich irgendwas aus dem Hintern gezogen, um ihn abzulehnen, so wie die anderen mehreren hundert Bewerber – 2005 wurden 1006 Bewerber abgelehnt und 8 zugelassen!) als vielmehr die Mäßigung der Progressiven. Vielleicht würde eine harte Linie seinerseits noch schneller den Bruch der Jungen mit dem Ayatollah und den Konservativen bewirken. Das wäre für Rohani zumindest eine nachvollziehbare Motivation, sich an die Zukunft des Landes heranzuwanzen und diese neuerliche Revolution zu dämpfen.

    1. Die Jüngeren sind oft flexibler, geschäftstüchtiger, weniger Moral-orientiert, korrupter, Gewalt-bereiter, sprechen eine neue Sprache, sind Zukunft-orientiert, wollen neue Erfahrungen machen.

      Doch die Hoffnung, die Dinge würden sich mit dem Nachrücken der Jüngeren zum Besseren wenden, konnte die Geschichte der letzten 30 Jahre nicht bestätigen. Sie können vieles besser, aber eben auch das Schlechte.

      Da Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, gäbe es da noch jene, dass die Jüngeren möglicherweise noch Erfahrungen und Altersmilde erwerben könnten. Zuspät für viele, aber immerhin …

  2. Dies zeigt die letzte Versuch von gescheiterte Khamenei Politik um die Junge Leute des Landes unter Kontrolle zu halten. Ich frage mich oft, kann er nicht sehen, was in der Welt gerade passiert. Wissen sie nicht, dass die Zeit von Diktaturen vorüber ist. Wissen sie nicht, was mit Saddam, khaddafi und allen anderen Herrscher passiert ist.
    Die Zeit von Kamenei kommt bald zu Ende. Hoffe, bis dahin haben die domokratische Kräfte in diesem Land Fuss gefasst. Sonst besteht die Gefahr, daß das Land in Chaos fällt. Eine neue Herausforderung für junge Iraner diese Taktik zurück zu schlagen.

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