Internet-Meldestelle bei Europol verschont Inhalte und Accounts, die für geheimdienstliche Aufklärung gebraucht werden

Die EU-Polizeiagentur Europol hat Details zu ihrer neuen „EU-Meldestelle für Internetinhalte“ skizziert. In einem bereits sechs Wochen alten Konzeptpapier werden Aufgabenbereiche und Vorgehensweisen der „EU Internet Referral Unit“ beschrieben. Das Dokument ist eingestuft und wurde von der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht.

Die Pläne zum Aufbau der Meldestelle sind erst seit einem Treffen der EU-InnenministerInnen im März bekannt. Vor einer Woche hatte die EU-Kommission in ihrer „Europäischen Sicherheitsagenda“ erklärt, die Meldestelle solle bereits ab dem 1. Juli einsatzbereit und dem ebenfalls noch nicht errichteten „Europäischen Zentrum zur Terrorismusbekämpfung“ angegliedert werden. Der Fokus beider Einrichtungen liege demnach zunächst auf islamistischen Terrorismus. Europol fordert hierzu die Erlaubnis, auch geheimdienstliche Informationen verarbeiten zu dürfen.

Europol will mithilfe der neuen Einrichtung den „terroristischen Mißbrauch des Internets“ eindämmen. Geplant seien sowohl „präventive“ als auch „pro-aktive“ Maßnahmen. So würden unliebsame Inhalte oder Accounts bei Sozialen Medien markiert und entsprechende Informationen unter den Behörden der EU-Mitgliedstaaten verteilt. Eine „dynamische Aufklärung“ soll weitere Informationen zu den dahinter stehenden Personen oder Organisationen besorgen.

„Beseitigung“ und Sperre

In der „Europäischen Sicherheitsagenda“ hatte die Kommission davon gesprochen, die Meldestelle solle die Mitgliedstaaten bei der „Beseitigung gewalttätiger extremistischer Online-Inhalte“ unterstützen. Auch im nun veröffentlichten Europol-Dokument ist die Rede vom „removal of content“. Die ebenfalls erwähnte Sperre („suspension“) bezieht sich wohl auf Accounts bei Sozialen Medien. Vor jeder Maßnahme soll Europol eine „ganzheitliche Risikoeinschätzung“ vornehmen. Diese sollte auch die möglichen Auswirkungen auf die LeserInnen der zu entfernenden Inhalte bewerten.

Europol will die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu strategischen Vorgehensweisen beraten. Denn die Accounts und Webseiten werden von Polizeien und Geheimdiensten auch zur Beobachtung oder Infiltration genutzt. Die Sperren und das Entfernen von Internetauftritten soll beispielsweise unterbleiben, wenn sie Informationen brauchbare Informationen liefern oder für Ermittlungen benötigt werden. Genannt werden Twitter-Accounts, die – sofern das Geotagging aktiviert ist – GPS-Koordinaten in ISIS-Gebieten offenlegen könnten. Auch würden Geheimdienste über Twitter Informationen über „lokale Ereignisse“ erhalten.

BKA legt Grundstein

Die Meldestelle soll laut der Kommission eng „mit Partnern aus der Wirtschaft“ kooperieren. Gemeint sind unter anderem Google, Facebook und Microsoft, mit denen Europol bereits im Oktober vergangenen Jahres zu einem Abendessen zusammenkam. Im Mai ist ein weiteres Treffen geplant. Dort sollen auch „Bedenken der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf die neuen Verschlüsselungstechniken Raum gegeben werden“. Die Kommission hatte davon gesprochen, hierzu auch die „Zivilgesellschaft“ einzuladen. Im Europol-Dokument kommt dies nicht vor.

Die EU-Mitgliedstaaten sollen nun Kontaktstellen für die Meldestelle benennen. In Deutschland läge die Zuständigkeit wohl bei der Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamts (BKA). Für Mitte April hatte Europol die nationalen Ableger der Meldestelle zu einem operativen Treffen eingeladen.

Das ist insofern interessant, als dass das Bundesinnenministerium sich noch am 10. April zu der neuen Europol-Einheit völlig ahnungslos gab. So sei nicht bekannt, mit welchen Aufgaben die Meldestelle überhaupt betraut werde. Auch habe das BKA noch keine nationalen „Experten“ benannt.

Umfassende Datensammlung

Allerdings hatte das BKA selbst die Vorläufer der neuen Meldestelle installiert. 2007 startete der deutsche Staatsschutz bei Europol das Projekt „Check the Web“, das ebenfalls „Veröffentlichungen terroristischer Organisationen und von Personen aus dem islamistisch-jihadistischen Spektrum“ speichert und analysiert. Die Abteilung beschäftigt LinguistInnen für sieben beobachtete Sprachen, darunter auch russisch.

Gespeichert werden Videos, Audiodateien, Textveröffentlichungen und Erklärungen. Eine eigens angelegte Analysedatei enthält Daten über mehr als 10.000 „Dokumente und Individuen“. Die Datenfelder von „Check the Web“ umfassen ein breites Spektrum:

Die den Veröffentlichungen zugeordneten Organisationen und Personen sind mit den gespeicherten Veröffentlichungen verknüpft und enthalten weitere Hintergrundinformationen. Die in den Mitgliedstaaten vorliegenden Auswertungen zu einzelnen Veröffentlichungen können ebenfalls an CtW angeliefert werden. Weiterhin enthält die Datenbank Informationen zu relevanten Personen, Organisationen, Medienstellen und Internetseiten aus dem Bereich des religiös motivierten Terrorismus.

Die neue Meldestelle will nicht nur auf dem Projekt „Check the Web“ aufbauen. Auch die Expertise des gerade einmal zwei Jahre alten „Cybercrime-Zentrums“ (EC3) soll bei der Analyse und Beseitigung unliebsamer Inhalte helfen. Im Europol-Dokument werden dessen Fähigkeiten zur „Cyber-Aufklärung“ und forensischen Analyse gelobt. Das Zentrum habe auch gute Erfahrung in der Analyse von Massendaten.

10 Ergänzungen

  1. Es könnte spannend werden, was uns unter „Beseitigung unliebsamer Inhalte“ erwartet. Wenn man sich die Kritik mancher Politiker an netzpolitik.org in Erinnerung ruft könnte es also in absehbarer Zukunft möglich sein, dass Leaks zu „unliebsamen Inhalten“ erklärt und beseitigt werden.

    1. Irgendwann sind halt auch Seiten wie Netzpolitik zufällig „weg“.
      Erstmal wars „ein Versehen“ um zu gucken, wie die Reaktionen sind… und irgendwann verschwindet die Seite halt dann komplett, wenn man gemerkt hat, dass der manipulierte Pöbel sowieso nicht reagiert, solange das Bier fließt und Fußball im Fernsehen läuft.
      Und da sowieso niemand diesen Irrsinn und höchst-radioaktiven Sondermüll menschlicher Zivilisation stoppt, machen die halt auch munter weiter und fühlen sich im Recht. Weil irgendwie (so die Argumentation) schützt und das ja alle vor dem Bösen ™

      1. Wer Bücher verbrennt wird auch Menschen verbrennen. Das selbe kann man auch auf das Heute und die Zukunft übertragen. Jeden kann es treffen. Irgendwann wird man mit dieser bekloppten Logik Drohnenschläge auf den Territorien (schein)souveräner Staaten legalisieren und das Wahlvieh wird es mit ohrenbetäubendem Jubel abnicken.

        Zum Wohle des Wahlviehs. Menschenrechte als Kolateralschaden für einen illusorischen Sicherheitsglauben opfern. Da sind sie alle schnell dabei. Aber wenn es um Konsequenzen für unsere Freunde geht, bezüglich der netten Informationsweitergabe der letzten Jahre, da kann man gar nicht genug bemüht sein Aktionismus so gut wie möglich vorzutäuschen.

  2. Irgendwie kennt man die Vorgehensweisen, die da angemacht sind schon irgendwie. Ich denke da an die Begriffe China oder Stasi oder sowas. Genau das und nichts anderes wird das werden, was der Regierung nicht passt oder sie bloßstellt wird gelöscht und die Accounts gelöscht. Da frag ich mich doch, wo leben wir hier? Ist das die Bundesrepublik Deutschland oder die Volksrepublik Deutsch-China oder sowas? Ich sehe hier klare Tendenzen eines Überwachungsstaates. Und was wird das Resultat aus all den Aktionen sein? Es wird massive Angriffe geben, weil die Leute ihre Meinung nicht mehr frei kund tun können, ohne befürchten zu müssen, dass das Überwachungsinternet nicht mal gleich die Staatssicherheit informiert und ein Drohne losschickt.

    1. Deine Frage: „Da frag ich mich doch, wo leben wir hier?“
      Kannst Du Dir eigentlich selbst beantworten.

      Du lebst in der Vorstufe eines diktatorischen Monsterstaates, in dem sich eine zahlenmäßig verschwindende Herrschaftskaste von Herrenmenschen (neokonservative Verdunklungsmänner & post-Nazis) anschickt, alle sozialen, demokratischen und Umwelterrungenschaften in die Tonne der Geschichte zu treten. Ich halte die ganze Herrschaftskonfuguration in den USA/EU, d.h. die Regierungen der sogenannten „westlichen Wertegemeinschaft“, in der EU unter der Führung der Merkel-Clique, für proto-faschistisch. Das zeigt sich an allem, was läuft. Recht und Gesetz gilt für dieses Pack gar nicht, sie schaffen sich rechtsfreie Räume, von der Totalüberwachung bis hin zu Aggressionskriegen und Drohnenmord.
      Das sind Mafia-Strukturen bis in die höchsten Staatszirkel verwickelt und verzwirbelt mit Finanzkapital- und Großwirtschaftsinteressen.

      Du lebst in einem Staatengebilde der EU: einer Wirtschaftsdiktatur, der schon sehr bald die politische Diktatur folgen wird.

      Auch ich bin mal gespannt wie sich das Ganze weiter entwickelt. Fakt ist, diese Herrschaftskaste scheisst auf die Lebensinteressen der großen Mehrheit. Sie verfügt über die Macht und die Apparate. Plündert den Paneten und mordet Millionen. Das ganze Geplaudere über den Terror ist zumeist die sich selbst erfüllende Prophezeiung eigener Untaten: IS/ISIS als Prodikte der USA/der Saudis.

      Die Masse ist dumm wie Paniermehl und begreift nichts, gar nichts. Das setzt sich z.T. bis in die sogenannten gebildeten Schichten fort. Die wollen die Zusammenhänge nicht sehen – aus Ignoranz, Korruptheit, Blödheit, Rassismus, ökon. Eigeninteressen etc. – aus welchen Motiven auch immer.

      Es waren immer nur Minderheiten – über die Jahrhunderte, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzten, der menschliche Abschaum, getragen von der Blödheit der Massen, bestimmte zu fast jeder Epoche den Gang der Dinge. Wäre es nicht so, so würde sich nicht ein Blutspur durch die Geschichte der Menschheit ziehen.

      1. ROFL, „dumm wie Paniermehl“! Das merk ich mir.

        Der Ernst der Lage ist mir durchaus klar, aber was wäre das Leben ohne Lachen … genau das, was die wollen. Im Grunde ist die Herrschaft der Dummheit immer humorlos und lächerlich zugleich.

  3. Nun soll also über die „Hintertür“ EU ein europaweites Zensur-Gesetz inklusive der nötigen Infrastruktur geschaffen werden! Zensur ist Faschismus – meinen die sowas, wenn sie immer von „unseren westlichen Werten“ reden?

    1. Die „westlichen Werte“ sind eine reine Propagandaformel, sonst nichts!

      Die westlichen Werte seien Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.
      Was die Herrschaftscliquen darau gemacht haben, ist jedem klar, der einen Rest an klarem Verstand hat:
      Sie meinen mit Demokratie, Freiheit und Menschenrechte nicht das, was der eigentliche Wortsinn ist.

      Demokratie= die Chance am Marktgeschehen teilzunehmen
      Freiheit= die Freitei zur hemmungslosen Bereicherung
      Menschenrechte= Berechtiugung zu regime-change und Militärinterventionen

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