Informationsfreiheits-AblehnungÜber Freihandelsabkommen TTIP reden verboten, Begründung lesen auch

Der Bundestag will Städten und Gemeinden verbieten, sich zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu äußern, aber die Begründung nicht veröffentlichen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages wollen das Gutachten nicht nach Informationsfreiheitsgesetz herausgeben. Ein Gericht hatte diese Rechtsauffassung begestritten, aber die Bundesregierung hat Berufung eingelegt.

Protest gegen TTIP in Berlin. Bild: Mehr Demokratie e.V.. Lizenz: Creative Commons BY-NC 2.0.

Anfang März berichtete Robert Pausch auf Zeit Online: Reden über TTIP verboten:

Laut einem Gutachten des Bundestages dürfen sich Stadt- und Gemeinderäte nicht mit dem geplanten Freihandelsabkommen beschäftigen. Kritiker sind empört.

Dieses Gutachten wollten wir ebenfalls lesen und haben es per Informationsfreiheitsgesetz angefragt. Diese Anfrage wurde jetzt leider abgelehnt.

Keine Informationsfreiheit für Wissenschaftlichen Dienst?

Die Wissenschaftlichen Dienste haben die Aufgabe, die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung ihres Mandats durch fachliche Beratung zu unterstützen. Diesbezüglich wird der Deutsche Bundestag in Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe tätig. Gerade auf diesen Bereich findet das IFG keine Anwendung. Eine Herausgabe der Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste nach dem IFG ist somit ausgeschlossen.

Dass das IFG nicht für die Wissenschaftlichen Dienste gelten soll, hatte das Verwaltungsgericht Berlin vor vier Jahren abgelehnt: Bundestag muss Einsicht in „UFO-Unterlagen“ gestatten:

Der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gilt auch für Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Dies hat nunmehr das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Leider hatte die Bundesregierung dieses Gerichtsurteil nicht akzeptiert und ist in Berufung gegangen. Am 25. Juni wird die Klage daher vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Der Kläger sammelt Spenden auf betterplace.org, wir wünschen viel Erfolg.

Urheberrecht für öffentlich finanzierte Werke?

Auch für andere Anfrage-Wege als IFG verweigert man die Herausgabe:

Unabhängig davon weise ich darauf hin, dass der Deutsche Bundestag sich sämtliche Rechte an von den Abgeordneten in Auftrag gegebenen Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste vorbehält. Deshalb ist im vorliegenden Fall, wie auch in allen anderen Fällen, auf der Arbeit ausdrücklich vermerkt, dass der Deutsche Bundestag sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vorbehält. Beides bedarf der Zustimmung der zuständigen Abteilungsleitung. Der Deutsche Bundestag macht damit deutlich, dass er die Übersendung des Werkes strikt auf den Adressaten der Arbeit beschränkt wissen will. Der zuständige Abteilungsleiter hat bezüglich der von Ihnen beantragten Arbeit die Zustimmung zu einer Veröffentlichung oder Verbreitung jedoch nicht erteilt. Ein Zugang zu der begehrten Ausarbeitung ist daher insgesamt nicht möglich.

Der Wissenschaftliche Dienst wird aus Steuergeldern finanziert, trotzdem will er das Urheberrecht an seinen Werken behalten und eine Verbreitung untersagen. Das haben wir bereits im Jahr 2012 feststellen müssen, als man uns die Veröffentlichung eines Gutachtens zur Abgeordnetenbestechung untersagte. Wir hatten es trotzdem veröffentlicht – und wurden daraufhin per Einschreiben aufgefordert, die Veröffentlichung rückgängig zu machen. Was wir natürlich ablehnten:

„Dem deutschen Volke“ steht vorne auf dem Bundestagsgebäude, das Volk bezahlt die Erstellung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienste, es gibt keinen Geheimhaltungsgrund für das Gutachten – sonst dürfte es auch nicht nach IFG herausgegeben werden – und der Verweis auf das Urheberrecht ist für ein im Auftrag durch Beamte oder Angestellte des Bundestages in ihrer Arbeitszeit erstellten Gutachtens indiskutabel.

Wie immer nehmen wir Einsendungen auf den üblichen Wegen entgegen.

Rechtsauffassung „absurd“ und „hanebüchen“

Statt des gesamten Gutachtens vertröstet man uns mit einem kurzen Infobrief (pdf) mit dem Fazit:

Weder den Gemeinderäten noch den Kreistagen stehen Befassungs- oder Beschlusskompetenzen im Hinblick auf eine politische Erörterung oder Bewertung der geplanten Freihandelsabkommen zu.

Mehrere Innenministerien der Bundesländer haben dieser Rechtsauffassung öffentlich widersprochen, darunter Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auch der Deutsche Landkreistag widerspricht deutlich. Sogar Bundestagsabgeordnete bezeichnen den Maulkorb als „absurd“ und „hanebüchen“.

Die NGO Attac kritisiert:

In vielen anderen Bereichen ist die politische Auseinandersetzung und Willensbildung in Kommunen zu Themen von internationaler oder gar globaler Tragweite nicht nur obligatorisch, sondern auch gewünscht – etwa bei Initiativen zum Klimaschutz. An anderer Stelle formieren sich Städtebündnisse, wie das „Aktionsbündnis Für die Würde unserer Städte“. Die kommunale Ebene spielt hier ganz klar eine politische Rolle – und so sind auch die Stellungnahmen zu verstehen, in denen sich diverse kommunale Spitzenverbände kritisch gegenüber den Verhandlungen äußern.

Wir halten diese Art wohlverstandener Einmischung nicht für „rechtswidrig“, sondern für zwingend notwendig – dagegen aber Wahlens Rechtsauslegung für entsprechend einseitig. Wir rufen dazu auf, sich von solchen behördlichen Einschüchterungsversuchen nicht beirren zu lassen: Gegen den Durchmarsch der Profitinteressen braucht es Aufbegehren – gerade auch in den Kommunen.

TTIP bedroht Datenschutz und IT-Sicherheit

Dem Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP schlägt eine ganze Bandbreite an Kritik entgegen. Ralf Bendrath erläuterte dazu: TTIP und TISA: Die USA wollen Datenschutz wegverhandeln.

Die Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP widmen sich auch den Themen E-Commerce und transatlantischen Datenflüssen. In diesem Zusammenhang gibt es immer mehr Hinweise, dass die europäischen Datenschutzstandards durch ein solches Handelsabkommen unterwandert werden könnten. Zivilgesellschaft und Verbraucherorganisationen warnen, dass die Entwürfe der entsprechenden Kapitel das Grundrecht auf Datenschutz in der EU bedrohen.

15 Ergänzungen

  1. Am Samstag, den 18. April 2015

    Ihr findet das alles schrecklich? Dann tut was! Am 18. April ist österreichweiter Aktionstag gegen die Handelsabkommen TTIP, CETA & Co. In über 11 Städten gehen Leute auf die Straße und protestieren. Ihr glaubt als gelernte Österreicher das hilft ja eh nix? Falsch! Bei ACTA haben wir es auch geschafft. Politik ist was ihr daraus macht.
    http://akvorrat.at/wieso-ttip-co-das-netz-bedrohen-und-was-wir-dagegen-tun-k%C3%B6nnen

    1. Das, was dann immer passiert: nach und nach würde jeder, der was gesagt hat von der Presse seiner Position enthoben.

    2. Welches Verbot? Es gibt kein Verbot. Ein Gutachten kommt zum Schluss, dass Räte wohlmöglich keine Kompetenz (!) besitzen, sich damit zu befassen, das ist alles…
      Es gibt auch niemanden, der es den Kommunen „verbieten“ will.
      Und wenn man diesen Artikel hier richtig liest, dann stellt man diese kleine Widersprüchlichkeit ja auch sofort fest: „Der Bundestag will Städten und Gemeinden verbieten, sich zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu äußern […] Sogar Bundestagsabgeordnete bezeichnen den Maulkorb als „absurd“ und „hanebüchen“.
      Gib doch einfach mal „Resolution TTIP“ bei google ein, dann wirst du feststellen, dass sich schon dutzende Kommunen/Kreise trotzdem damit befasst haben.

  2. Wenn du nicht an das Gutachten kommst und es so problematisch ist, dieses zu veröffentlichen – wieso kommt dann der Autor Robert Pausch an dieses Gutachten heran:
    „Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, welches der ZEIT und ZEIT ONLINE vorliegt.“
    Begeht der Autor dann eigentlich auch schon einen Rechtsverstoß?

      1. Genau das meine ich: Information als Gefälligkeitsdienst. Das ist reine Willkür und widerspricht damit alleine schon dem Gedanken des IFG.

  3. Wenn sich Stadträte nicht mit internationalen Dingen beschäftigen dürfen, dann müssten sie ja auch sagen: Flüchtlinge? Dürfen wir uns nicht mit beschäftigen. Soll der Bund sie unterbringen. Möglich wäre ja eine Zeltstadt auf der Wiese vor dem Bundestag – OH! Eine Äußerung, sorry.

  4. Wenn man sich auf Wikipedia ansieht, was dort zu den wissenachftlichen Diensten des Deutschen Bundestages ausgeführt ist, stellt man fest, vieles steht im Zusammenhang mit UFOs und einem WD-Gutachten, das geheim bleiben wird, weil Gerichte die Geheimniskrämerei des WD bestätigt haben. Interessant, wie sich die Sachen gleichen, bei TTIP, CETA und TISA laufen ebenfalls alle Verhandlungen ganz im Geheimen ab. Wenn da nicht mal viele UFOs über uns kommen werden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.