„Ai Weiwei lebt in unserer Zukunft“

Ai Weiwei

Hans de Zwart ist der Direktor von „Bits of Freedeom“, einer niederländischen Organisation für digitale Bürgerrechte. Bei Medium schrieb er über Ai Weiwei’s Leben unter permanenter Überwachung und welche Bedeutung das für unserer Zukunft hat. Wir haben seinen Beitrag „Ai Weiwei is living in our future“, den er ursprünglich für eine Rede an der Universität in Utrecht formulierte, auf deutsch übersetzt.

Ai Weiwei lebt in unserer Zukunft

 

Ai Weiwei lebt in unserer Zukunft. Seine Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und er wird systematisch von der Regierung beobachtet. Er lebt in einer Welt ohne Privatsphäre. Eine Welt ohne Privatsphäre ist eine Welt ohne Freiheit. Er ist einer der bedeutendsten Künstler weltweit. Du kennst ihn vielleicht aufgrund seiner Mitarbeit an dem „Vogelnest“-Stadion in Peking. Oder durch die Art und Weise in der er die Handelsbeziehung des Westens mit China und deren Arbeitsbedingungen mit einer meisterhaften Installation im Tate Modern in London dekonstruierte, als er dort Millionen handgefertigte Sonnenblumenkerne aus Porzellan ausstellte.

In der Zelle
In der Zelle

Ai Weiwei spricht sehr unverblümt über die chinesische Regierung und deren freiheitseinschränkende Politik.  Am 3. April 2011 war es der chinesischen Regierung zu viel und sie verhaftet ihn auf der Grundlage einer erfundenen Geschichte über Steuerhinterziehung. Auf der Biennale in Venedig präsentierte er sechs große Kisten aus Metall, um Szenen seiner Inhaftierung nachzustellen. Als Besucher wurde man in die Rolle einer Person zur Beobachtung der Wächter Ai Weiweis gezwängt. Nach 81 Tagen in einer Zelle wurde er freigelassen und konnte in sein Haus und Studio in Peking zurückkehren. Seine Freiheit wurde sehr eingeschränkt: Sie nahmen ihm seinen Pass weg, setzten ihn unter Hausarrest, verboten ihm mit Journalisten über seine Verhaftung zu sprechen, zwangen ihn dazu die Nutzung von Sozialen Medien zu unterlassen und installierten überall in seinem Haus Kameras. Andreas Johnson, ein Dänischer Filmemacher, drehte einen fantastischen Dokumentarfilm über das erste Jahr des Hausarrestes. Dies ist der Trailer von „Ai Weiwei: The Fake Case“:

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Ein faszinierendes Element des Dokumentarfilms ist die Möglichkeit Ai Weiwei dabei zu beobachten, wie er ständig mit Bewältigungsstrategien für den Umgang mit permanenter Überwachung experimentiert. So entschied er sich zum Beispiel [irgendwann] dafür, Kameras in seinem Haus aufzustellen und sein Leben als Livestream ins Internet zu übertragen. Das machte die Behörden so nervös, dass sie nach wenigen Tagen die „WeiWeiCam“ aus dem Netz nahmen.

In der Nähe seines Hauses befindet sich ein Parkplatz, auf dem Ai Weiwei regelmäßig ein paar Runde an der frischen Luft dreht, um in Form zu bleiben. Er weiß, dass er beobachtet wird und ist ständig auf der Hut vor Personen die ihn beobachten könnten. In einer sehr lustigen Scene, bemerkte er bemerkte er, dass er von zwei Zivilpolizisten observiert wurde, die ihn von einer Terrasse im ersten Stock eines Restaurants aus beobachteten. Er stürzte in das Restaurant und stieg die Treppen hinauf Als er direkt neben dem Tisch der Agenten stand, versuchten diese noch ihre Kameras mit Tele-Objektiven zu verstecken, dabei machen sie einen sehr unbehaglichen Eindruck. Ai Weiwei wendete sich den Kameras zu: „Wenn es ihre Aufgabe ist ein Auge auf mich zu werfen, wäre dies nicht der ideale Ort dafür?“

Diese Szene verdeutlicht, dass es keine angenehme Aufgabe ist, verantwortlich für die Überwachung von jemandem zu sein. Die Jungen, deren Aufgabe es war Ai Weiwei in seiner Zelle zu bewachen, mussten die ganze Zeit still stehen, durften nicht sprechen und es war ihnen untersagt zu blinzeln. Am Ende ihrer Schicht, als sie sich endlich wieder bewegen durften, machten ihre Knochen laute Knackgeräusche, so Ai Weiwei. Ich war überrascht, dass trotz des unmenschlichen Verhaltens und der permanenten Überwachung durch Kameras, die beiden Jungen noch einen Weg fanden mit Ai Weiwei zu kommunizieren und somit ein Teil ihrer Menschlichkeit zurückerhielten. In den wenigen Momenten, in denen es in der Zelle  Bewegung gab, beispielsweise wenn sie zur Dusche gingen, stellten sie ihm Fragen, allerdings mit fest geschlossenen Lippen. Ähnlich wie Bauchredner.

Menschen, die beobachten, sind in gewisser Hinsicht ebenfalls eingesperrt. So verdeutlicht Gavin John Douglas Smith in seinem Artikel “Empowered watchers or disempowered  workers“, wie machtlos sich die meisten CCTV-Betreiber fühlen.  Sind sind gezwungen Situationen zu beobachten, auf die sie keinen Einfluss haben können. Passiert etwas Wichtiges, wird ihre Aufgabe an eine höhere Stelle weitergeleitet. Sie folgen dabei strikten Anweisungen und haben keinerlei Freiheiten. So fungieren sie als kleine menschliche kognitive Verarbeitungseinheiten in einem riesigen automatischen Überwachungssystem. Sie sind für die Mustererkennung zuständig, die Computer noch nicht leisten können. Damit werden wir uns noch im späteren Abschnitt beschäftigen.

Natürlich ist Ai Weiweis aktuelles Leben keine komplette Voraussage für unser zukünftiges Leben. Er wird dauerhaft und aktiv beobachtet, während wir ständig und passiv beobachtet werden. Er ist eine öffentliche Person mit hunderttausende von Anhängern, so dass die chinesische Regierung ein bisschen vorsichtiger mit ihm umgeht. Doch das wird für die meisten von uns nicht der Fall sein. Für mich ist es allerdings eine Tatsache, dass, wenn wir nichts gegen diesen Umstand unternehmen, wir uns in einer Welt wiederfinden werden, die seiner ähnelt. Ai Weiwei dazu, wie sich das anfühlt:

„Das Individuum hat, unter dieser Art zu leben, keine Recht, absolut keine Macht in seinem Land, wie können sie dich da überhaupt nach Kreativität fragen? Oder Vorstellungskraft, oder Courage oder Leidenschaft?“

Die meisten von uns sind sich nicht völlig darüber bewusst, wie allumfassend die derzeitige Überwachungs-Infrastruktur ist und wie schnell sie wächst. Häufig bemerken wir gar nicht, wozu die heutige Technologie in der Lage ist und dass wir es sind, die es zulassen, dass sie eine große Rolle in unserem Leben spielt.

Vor ein paar Monaten wurde bekannt, dass Digital Globe, das Unternehmen, welches seine Satellitenaufnahmen für Google Maps bereitstellt, einen neuen Satelliten in die Erdumlaufbahn geschossen hatte. Dieser kann Bildmaterial mit einer Auflösung von 25cm pro Pixel aufnehmen und kartographiert 680 000 Quadratkilometer am Tag. Dabei handelt es sich um einen kommerziellen Satelliten. Das US-Militär nutzt vermutlich bereits Satelliten mit höheren Auflösungen und noch größerer Kapazität. Fakt ist jedenfalls, dass du nie wissen kannst, ob du gerade aus dem All beobachtet wirst.

Auch die Algorithmen zur Gesichtserkennung verbessern sich mit jedem Tag. In einer anderen Meldung wurde vor kurzem bekannt, wie der Gaukler Neil Stammer, der 14 Jahre lang auf der Flucht war, endlich gefasst wurde. Wie haben sie ihn gefasst? Ein Ermittler teste Erkennungssoftware für Passwortbetrug und wollte sein Glück mit dem Gesichtserkennungsmodul der Software an den „Wanted“ Postern des FBI versuchen. Das Bild von Neil passte auf das Foto eines Reisepasses, der auf einen anderen Namen ausgestellt war. So wurde Neil, der viele Jahre als Englischlehrer in Nepal gelebt hatte, gefunden. Offensichtlich hat der Algorithmus keine Schwierigkeiten damit, ein 14 Jahre altes Foto mit einem neueren abzugleichen. Wenngleich es gut ist, dass sie in der Lage waren jemanden festzunehmen, der unter dem Verdacht der Kindesmisshandlung steht, ist es doch bedenklich, dass es keine Sicherheitsvorkehrungen gibt, die sicherstellen, dass nicht irgendein amerikanischer Ermittler auf die Bilddatenbank zugreifen kann um eine Software zu testen.

Im Hinblick darauf, ist es nicht überraschend, dass wir von den Snowden-Leaks lernten, dass die NSA im großen Stil Bilder speichert und versucht in diesen Gesichter zu erkennen. Das „Wellspring“ Programm der NSA überprüft E-Mails und andere Formen der Kommunikation und meldet, wenn es davon ausgeht ein Passbild in diesen zu finden. Eine der dafür von der NSA verwendeten Technologien wurde von Pittsburgh Pattern Recognition („PittPatt“) hergestellt, die jetzt Google gehört. Wir unterschätzen wie sehr ein Unternehmen wie Google Teil der Militärindustrie ist. Deswegen muss ich eine neue Google-Technologie zeigen: Den Militärroboter „WildCat“ den Boston Dynamics herstellte und der von Google im Dezember 2013 gekauft wurde:

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"Maturity-Modell" von IBM
„Maturity-Modell“ von IBM

Im Falle der Gesichtserkennung ist es klar: Die Regierung liefert Fotos von Gesichtern und kommerzielle Unternehmen liefern die Algorithmen, die es garantieren, dass ein Gesicht auch bei einer schwierigen Perspektive erkannt wird. Auf ähnliche Weise kann die NSA nun Software verwenden, welche Bilder die im Freien aufgenommen wurden mit Satellitenaufnahmen abgleicht um herauszufinden, wo die Bilder gemacht wurden.
Das große Ziel dieser staatlichen Agenturen zeigt sich deutlich in IBMs „maturity model“ für  die städtische Überwachungs-Infrastruktur. Es soll nicht nur möglich sein, dich auf der Straße zu identifizieren, lokalisieren und zu verfolgen. Am Ende wollen sie voraussagen, was du vor hast.

Obamas Zelt
Obamas Zelt

Was können wir tun um dieser allgegenwärtigen staatlichen Überwachung zu entkommen? Wir wissen auf welche Weise es Obama versucht. Wann immer er außerhalb der USA ist und eine private Unterhaltung führen muss oder ein geheimes Dokument lesen will, geht er in ein spezielles Hotelzimmer in dem ein Zelt aufgestellt ist, dessen Wände permanent Geräusche machen. Nur dort kann er sicher sein, dass niemand zusieht oder zuhört.

Es ist nicht nur die Regierung die uns folgt und versucht unser Verhalten zu beeinflussen. Tatsächlich ist dies das normale Geschäftsmodell des Internet. Unser Verhalten im Netz wird fast immer an Dritte übermittelt. Facebook und WhatsApp sitzen zwischen dir und deinem besten Freund, Spotify sitzt zwischen dir und Beyoncé, Netflix sitzt zwischen dir und Breaking Bad und Amazon stizt zwischen dir und wievielen Shades of Grey auch immer. Der größte kommerzielle Vermittler ist Google, das mittlerweile, neben anderen Sachen, entscheidet wie ich vom Bahnhof zum Theater laufe, wie ich die Symptome meiner Erkältung bekämpfe, ob eine E-Mail die ich an jemanden versende als Spam markiert werden soll, wo ich am besten ein Hotel buchen kann und ob ich nächsten Donnerstag einen Termin habe oder nicht.Unternehmen, die in der physischen Welt Geld verdienen müssen, im „meatspace“, entwickeln schnell Wege unsere Interaktion mit ihnen zu digitalisieren, um ebenfalls Tracking-Fähigkeiten zu erlangen. Ein Spitzenreiter ist der Themenpark Disneys, welcher nach Jahren eines auf Kinder zugeschnittenen Marketings, folgende Reaktionen hervorruft:

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MagicBands
MagicBands

Disney verkauft sogenannte „Magic Bands“, ein personalisiertes, mit Namen versehenes, Armband mit eingebautem RFID-Chip. Laut Disney ist dieses Armband „der Schlüssel um deine Erfahrung UNGLAUBLICH zu machen“. Das Netz ist voll von „unboxing“ Videos in denen Personen ihre Armbänder Wochen bevor dem geplanten Besuch in der Disneyworld auspacken. Die Armbänder können genutzt werden um Zugang zum Hotelzimmer und den Themenparks zu erhalten, um an den „Fastpass“ Eingängen einzuchecken, um den „Foto Pass“ mit einem Online-Account zu verlinken und natürlich um in erster Linien überall ohne Probleme zu bezahlen. Der Vorteil für Disney besteht darin, dass das Unternehmen endlich präzise weiß, wo die Besucher sind und wieviel Geld sie ausgeben. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das Armband auf den Träger des Armbandes anpasst und einen personalisierten Aufenthalt entwickelt, der perfekt auf die finanzielle Tragkraft ausgerichtet ist. Auf einem Mikro-Level sind wir alle Disney.

Der Markt für Tracking-Devices für Kinder und Haustiere explodiert. Beispielhaft dafür ist Taggs „Pet Tracker“. Von dem Augenblick an, in dem du deinem Hund das Halsband mit eingebauten GPS-Chip anlegst, kannst du seinen Bewegungen auf einer Online-Karte folgen und erhältst Benachrichtigungen auf das Telefon, sobald er ein vorgegebenes Gebiet verlässt. Natürlich willst du dich gut um deinen Hund kümmern, deshalb sollte es keine Überraschung sein, dass das Halsband auch als Fitness-Tracker funktioniert. Damit können Ziele für ihn festgelegt und anhand von Diagrammen überprüft werden. Bruce Sterling meint dazu: „Du wirst für Fifi zu Zuckerberg.“ Und was es für unsere Tiere gibt, gibt es auch für unsere Kinder. Das „AmberAlert“ ähnelt einem Tracker für Haustiere stark. Auch die Nutzer scheinen sehr glücklich zu sein: „Es ist beruhigend eine App zu haben und zu wissen, dass jeder dort ist, wo er sein sollte!“ und „Die Möglichkeit mein Telefon herauszuholen und sofort zu Wissen wo mein Sohn ist, sorgt für mehr Sicherheit für Kinder.“ Falls es dich interessiert: Für die Schul- und Lernzeiten gibt es einen lautlosen Modus. Außerdem gibt es das „The Canary Project“, für amerikanische Jugendliche, die im Besitz eines Führerscheins sind. Falls dein Kind am Steuer jemanden anruft, eine Nachricht schreibt oder einen Tweet absetzt, erhältst du eine sofortige Benachrichtigung. Ebenso, wenn es zu schnell fährt oder ein vereinbartes Gebiet verlässt.Wenn dein Kind deine Anrufe ignoriert oder nicht auf Nachrichten antwortet, hilft die „Ignore No More“-App. Sie sperrt das Telefon deiner Sprösslinge so lange, bis sie dich endlich zurückrufen. Das zeigt deutlich, dass es in den meisten Fällen von Überwachung um Kontrolle geht. Kontrolle ist der Grund warum es uns Spaß bereitet, uns immer mehr selbst zu überwachen.

Ich werde mich jetzt nicht mit der „Quantified Self“-Bewegunung und unserer Tendenz dazu, uns mit einer unmöglichen Anzahl an Sensoren auszustatten, auseinandersetzen, deren Ziel es ist „Wissen über sich selbst durch Zahlen“ zu erlangen. Es gibt auch schon den nächsten Schritt in Richtung Kontrolle: Bestrafung auf der Grundlage von Algorithmen, wenn wir uns nicht an unsere Versprechen halten oder unsere Ziele nicht erreichen.

Manish Seti, ein Blogger, beschreibt sich selbst wie folgt: „Ich studierte in Stanford, habe für 4 Jahre die Welt bereist, 5 Sprachen gelernt, eine NGO in Indien gegründet, wurde ein berühmter DJ in Berlin und möchte euch zeigen, wie ihr den Lifestyle eines digitalen Nomadens aufbauen könnt.“ Ende 2012 versuchte er über Craigslist jemanden zu finden, der ihm dabei half seine Produktivität zu erhöhen. Seine Idee war es, dass die Person neben ihm sitzen sollte um ihm jedesmal eine Ohrfeige zu verpassen, wenn er nicht arbeitet, sondern stattdessen  auf Facebook oder Reddit surfte. Das sah folgendermaßen aus:

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Setis selbst gemessene durchschnittliche Produktivität lag bei rund 40%. Wenn jedoch Kara neben ihm saß, steigerte er sich auf 98%. Was lernen wir daraus? Man könnte zum Beispiel ein Armband entwerfen, welches immer dann Elektroschocks aussendet, wenn der Träger an der Erfüllung seines eigenen Plans scheitert. Dieses Armband lässt sich, selbstverständlich mit anderen Apps des „Ökosystems der Produktivität“ koppeln.

Pavlok
Pavlok

„Jeder Entwickler kann Pavloks offene API nutzen, um die Kommunikation mit den Nutzern zu verbessern. Für Designer von Tracking Apps und anderen Wearable Devices, Produzenten von Online-Kursen oder jede Person, die positives und negatives Feedback benötigt, bietet Pavlok eine nahtlose Lösung an.“

Und natürlich ist es auch keine große Sache, ein Armband „Pavlok“ zu nennen.

Autoren von Science-Fiction die in der nahen Zukunft spielt, leben in einer harten Zeit. Ihre Weiterentwicklung des Jetzt zu einer Vision für die Zukunft wird schnell von der gegenwärtigen Realität überholt. „Super Sad True Love Story“, mein Lieblingsroman von Gary Shteyngart ist ein gutes Beispiel dafür. Der Protagonist Lenny gilt als rückständig, weil er noch gedruckte Bücher besitzt. Er lebt in einer Welt in der der öffentliche Sektor in den privaten integriert wurde (seine Freundin studiert „Kunst und Finanzwesen“ an der „HSBC-Goldsmiths“ in London) und in der der US-Dollar mit dem Yuan gekoppelt wurde, um die Inflation zu bekämpfen. Jeder besitzt einen „äppärät“ und einem „GlobalTeens“-Account. Der Exhibitionismus entfaltet sich vollends, da alle ihr Leben permantent livestreamen. Das Buch ist voller unvergesslicher Szenen in denen Shteyngart unsere gegenwärtige Beziehung zu Technologie bespricht. Lenny arbeitet im „Indefinite Life Extension“-Geschäft und nachdem er ein Jahr in Italien lebte, musste er zurück in die USA. Zuvor benötigt er ein Rückreise-Visa von der „American Restauration Authority“. Nachdem er, auf ihren Wunsch hin, die Sicherheitsvorkehrungen seines äppäräts ausschaltet erschien ein Otter, der aussieht, als gehöre er zu Disney, auf seinem Bildschirm und beginnt ihn zu befragen. Nach ein paar Fragen über seine Arbeit und Krediteinstufung geschieht folgendes:

“Lenny, did you meet any nice _foreign_ people during your stay abroad?”
“Yes,” Lenny said.
“What kind of people?”
“Some Italians.”
“You said ‘Somalians.’”
“Some Italians,” Lenny said.
“You said ‘Somalians,’” the otter insisted.

„Lenny, haben Sie nette _ausländische_ Personen während ihres Aufenthalts im Ausland getroffen.“
„Ja,“ sagte Lenny.
„Was für Personen?“
„Ein paar Italiener.“
„Sie sagten „Somalier“.“
„Ein paar Italiener,“ sagte Lenny.
„Sie sagten „Somalier,“ beharrte der Otter stattdessen.

Ab hier geht es für Lenny nur noch abwärts. Die „RateMePlus“-Funktion seines äppäräts gibt ihm ständig Feddback darüber, was die Menschen in seiner direkten Umgebung von ihm halten. In einer Bar erhält er die Benachrichtigung, dass seine „fuckability rate“ sehr niedrig ist und er von den vierzig Männern in der Bar, die niedrigste Bewertung hat. Shteyngart schrieb dieses Buch lange bevor es Grindr und Tinder gab. Und selbst, wenn er in der Lage war so etwas wie „Bang with Friends“ (das sich inzwischen in „DOWN“ umbenannt hat) zu vermuten, bin ich mir sicher, dass er ein bisschen überrascht wäre von einer Software zu hören, die dich fragt mit welchem deiner Facebook-Freunde du gern schlafen möchtest. Und wenn die andere Seite das ebenfalls so sieht, heißt es eben: „Get dates or get down!“

In seinem dystopischen Roman „The Circle“ beschreibt Dave Egger das Leben von Mae. Sie arbeitet für ein Onlineunternehmen mit dem Namen „The Circle“, welches durch die Entwicklung eine Identitäts-Services, der überall im Netz genutzt werden konnte, erfolgreich wurde. Einer der grundlegenden Unternehmenswerte bei „The Circle“ ist Transparenz, da diese zum Wohlbefinden aller beitrage. Deshalb sind die Geschäftsführer davon überzeugt, dass alle Menschen jederzeit überwacht werden sollten, zumal dies für die Ehrlichkeit hilfreich ist. Wenn man es sich genauer überlegt, komme man zu dem Schluss, dass es nichts zu verbergen gäbe: Denn was man verheimlichen möchte, ist zwar in der Regel gut für einen selbst, aber nicht für den Rest der Welt. „Sharing is caring“ und „Privatsphäre ist Diebstahl“: Wenn du etwas für dich behältst, hat niemand sonst etwas davon.

Das Buch beginnt damit, dass das Unternehmen seinen Mitarbeitern eine Innovation vorstellt: Eine Kamera in der Größe eine Lollies, die unaufdringlich überall verwendet werden kann. Die von ihr gefilmten HD-Aufnahmen werden direkt ins Netz gestellt. Bisher halte die Batterie zwar nur zwei Jahre, aber die Firma entwickle bereits einer neuen Version, welche sich über Solarenergie konstant selbst lädt. Diese Kameras sollen nicht nur eingesetzt werden, um ohne sich bewegen zu müssen, festzustellen, ob die Wellen am Strand gut genug zum Surfen sind, sondern sie nehmen direkten Einfluss auf die Menschenrechte. So kann ihre Verwendung dazu führen, dass jemand zu seiner Verantwortung stehen muss. „The Circle“ befestigte bereits in Kairo Kameras, damit die Demonstrierenden nicht mehr selbst die Fehltritte der ägyptischen Armee filmen müssen. Darüber hinaus wurden 50 Kameras am Tiananmen Square in Peking angebracht, damit es das nächste Mal, wenn sich eine Person einem Panzer entgegenstellt, live und aus verschiedenen Blickwinkeln im Netz zu sehen ist. Der Untertitel der Kamera ist: „See Change.“ („Sie Veränderung“). Später im Buch beginnen einige Politiker damit, sich die Kameras um den Hals zu hängen um „transparenter“ zu werden. Augenblicklich entsteht dadurch Druck auf andere Politiker, es ihnen gleich zu tun: Oder haben sie etwas zu verbergen? Der Slogan für die Kamera ist: „Alles was geschieht, muss bekannt sein.“

Auch in diesem Fall hinkt die Realität der Fiktion nicht lang hinterher. Mittlerweile kann die „lifelogging“-Kamera „Narrative“ bestellt werden. Das Konzept dahinter wird in diesem Video erklärt:

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Flone
Flone

Die Erfinder der „Blink“-Kamera versuchte über Kickstarter 200 000 US-Dollar Spenden zu sammeln, aber am Ende war es eine Million. Ihre Kamera ist drahtlos, verfügt über eine Batterie, die ein Jahr lang hält und streamt HD-Videos direkt auf das Smartphone. Das letzte Beispiel ist „Flone“, ein leicht auszudruckender Rahmen, mit dem es möglich ist, ein Smartphone zur Kamera-Drohne umzufunktionieren. Es sollte klar sein, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Speicher- und Energietechnologien so weit entwickelt wind, dass wir die ganze Zeit alles filmen und diese Filme für immer speichern können.

Vordenker der Technologie, wie Kevin Kelly und Ddavid Brin haben uns bereits seit Mitte der Neunzigerjahre gesagt: Diese technischen Entwicklungen können nicht gestoppt werden. Kameras werden überall Daten in ihre Netzwerke einspeisen. Wir können daher nur zwischen zwei Optionen wählen: Wollen wir in einer Welt leben, in der nur die Regierung (Polizei und Geheimdienste) Zugriff auf all diese Daten (Panoptikum) haben, oder sollten wir uns für eine Welt entscheiden, in der jeder jeden zur Verantwortung ziehen kann, da ein jeder Zugang auf all diese Kameras hat. Kelly beschreibt hier ein Szenario, welches er ‘coveillance‘ nennt. Es stellt einen Versuch da Verfolgung und Überwachung so symetrisch wie möglich zu machen. Dieser Aspekt bringt uns zu Google Glass, die ultimative ‘looking-back-at-the-state-machine’. Mit Googles Brille ist es möglich jeden Moment zu filmen und nützliche Informationen zu der Umgebung abzurufen. Schau dir das Video von Sarah Slocum, ein Google Glass ‘explorer’, an, welches vor einigen Monaten hochgeladen wurde.

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Ich würde gerne über die Gentrifizierungsprobleme in San Francisco sprechen, über die Kultur, in der niemand denkt, dass man verrückt ist, wenn man sagt „Fass mich nicht an, oder ich werde dich verdammt nochmal anzeigen.“, oder über die Tatsache, dass Google Glass Nutzer offenbar nicht genug beschämt genug über dieses Verhalten waren, um es ins Netz zu stellen. Aber ich werde über zwei andere Dinge reden: Die Ich-Perspektive und die illusionäre Symmetrie von Google Glass. Zunächst zur Perspektive des Videos. Als ich es zum ersten Mal sah, war ich völlig fasziniert von Sarahs Hand, die ein paar mal zu sehen war und ihren Mittelfinger zeigte.

Sarah Slocums Mittelfinger
Sarah Slocums Mittelfinger

Der Mittelfinger als Antwort auf Aggressionen wurde bereits früher in Ai Weiwei’s Werken thematisiert. In seiner Bild-Reihe „Studies of Perspective“ zeigt er der amerikanischen  Regierung den Mittelfinger…

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Ai Weiwei und das Weiße Haus

…der französischen Regierung…

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Ai Weiwei und der Eiffeltum

…und der Regierung seines eigenen Landes.

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Ai Weiwei in Peking

Diese Perspektive erinnert mich persönlich an die Ego-Shooter, die ich früher spielte. Dabei konnte man am unteren Rand des Bildschirmes immer sehen, welche Waffe man gerade verwendete:

Doom
Doom

Als Michael Brown, ein unbewaffneter schwarzer Teenager, von einem  Polizeibeamten bei  Tageslicht im August dieses Jahres erschossen wurde, trafen bei der Polizei sehr viele Telefonanrufe ein, die eine permanente Ausstattung von Polizeiuniformen mit ‚bodycams‘ forderten. Sarah Slocum’s Video und die Screenshots von dem Computerspiel Doom ließen mich plötzlich verstehen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir das erste Video aus der Ich-Perspektive sehen, indem ein Polizist erschossen wird. Am unteren Bildschirmrand wird man statt eines Mittelfinger eine Pistole sehen. Und das jemand erschossen wird. Ob das Video dazu verwendet wird unangemessene Gewalt zu beweisen, oder das vermeintliche Opfer der Täter war ist letztendlich egal. Wichtiger ist die Tatsache, dass es diese Art von Videos geben wird und das wir sie uns ansehen werden.Wird das dann die Welt sein, über die Brin und Kelly schrieben?

Ein Polizeibeamter mit Bodycam
Ein Polizeibeamter mit Bodycam

Die American Civil Libierties Union (ALCU) veröffentlichte am Ende des letzten Jahres einen Bericht, indem Vor- und Nachteile von Bodycams aufgelistet wurden. Die Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre von Menschen und Polizeibeamten (Man denke an die beiden Bewacher von Ai Weiwei), die freiwillig oder unfreiwillig gefilmt werden, werden hier mit den Auswirkungen von bodycams auf  Bekämpfung willkürliche Polizeigewalt abgewogen. Der Bericht versucht viele komplexe Fragen zu beantworten. Sollte der Polizeibeamte in der Lage sein, zu entscheiden, wann die Kamera filmt? ACLUs Antwort: Nein. Stattdessen wäre es besser, wenn die Kamera sich selbst in Situationen, in denen sie denkt, dass es notwendig wäre, einschalten würde. In welchen Situationen sollte der Polizeibeamte eine Erlaubnis zu filmen einholen? Wer hat Zugang zu dem Video? Wie lange sollten sie aufbewahrt werden? Wie kann sichergestellt werden, dass die Videos nicht missbräuchlich verwendet werden (zum Beispiel im Falle von Personen öffentlichen Lebens)? Und wann müssen diese Videos publik gemacht werden? Wir müssen alle beginnen, etwas gründlicher über diese Form der Technologie nachzudenken.

Zurück zu dem Google Glass-Video von Slocum. Wie ich schon weiter oben geschrieben habe, sehen viele Menschen diese Technologie als Ausgleich an, ein Stück Graswurzel-Technologie, welches die Asymmetrie zwischen den Betreibern von CCTV-Kameras und den Bürgern ebnet. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt als das. Alle Videos die von Google Glass-Nutzern aufgenommen werden, werden sofort auf die Server hochgeladen, auf denen Google die gesamten Informationen zusammenbringt, analysiert und dazu benutzt sein eigenes Verständnis von der Welt zu verbessern. Durch die Nutzung einer Glass wirst du zu einem Angestellten in Googles Netzwerk, und zwar ein kluger und billiger (tatsächlich bezahlst du Google dafür, dass du für sie arbeiten darfst). Sobald die Batterie leer ist, schließt du die Glass an das Ladegerät an und du hast  Zugang zu Orten, die für Googles „Streetview“-Autos schwer zu erreichen sind. Natürlich bekommst du für diesen Aufwand etwas zurück, aber schlussendlich bist du nur ein kleines Zahnrad in Googles globalem System. Du „arbeitest“ für Google und tust dabei genau das, worin Computer noch nicht gut sind.Vor kurzem fand ich noch einen anderen Weg, wie Google meine Fähigkeiten zur Erkennung von Bildern für seinen eigenen Zweck ausnutzt. Ich musste ein CAPTCHA ausfüllen.

CAPTCHAs
CAPTCHAs

CAPTCHAs werden im Kampf gegen Spambots verwendet. Durch die Erkennung eines Bildes, welches für einen Computer nicht einfach zu lesen ist, wird bewiesen, dass du ein Mensch bist. In jeder Stunde werden Millionen CAPTCHAs ausgefüllt. Luis von Ahn, ein Informatiker, wollte diese kognitive Kapazität nicht verschwenden und entwickelte das „reCAPTCHA“.

Das originale reCAPTCHA

Durch das Eintippen von schwer lesbaren Wörtern half man, Zeitungsarchive und Bücher zu digitalisieren. Man musste jedesmal zwei Wörter eintippen: Eines, dass der Computer bereits kannte und ein anderes, bei dem der Computer sich unsicher war. Google kaufte CAPTCHA 2009. Vor einiger Zeit fiel mir auf, dass man keine Büchertexte mehr eintippen musste. Heutzutage gibt man Hausnummern ein und hilft so Google, ohne dass sie einen fragen, die physische Welt noch weiter zu digitalisieren.

Das neue reCAPTCHA
Das neue reCAPTCHA

Wir können dieses Phänomen in immer mehr Arbeitssituationen beobachten: Der Computer und dessen Algorithmen, „das System“, erledigt so viel es kann und wir Menschen müssen nur für ein paar Aspekte einspringen, die von künstlicher Intelligenz nicht bearbeitet werden kann.

Das traurigste Beispiel für die Verwandlung von Menschen in Roboter hörte ich in einer Episode des Radiolab-Podcast. Eine Angestellte in einem großen Warenhaus in den USA sprach darüber, wie sie Bestellungen für große Onlinehändler (denkt an Amazon) heraussuchen musste. Die verschiedenen Produkte sind wahllos in dem Warenhaus verteilt (aus Gründen der Effizienz, die für uns Menschen schwer zu verstehen sind). Dabei werden verschiedene Produkte in einer Kiste verstaut. Sobald eine Bestellung das Warenhaus erreicht, werden die verschiedenen benötigten Produkte auf so viele Angestellte wie möglich verteilt (wie bei paralleler Verarbeitung). Das logistische System kalkuliert diese Aufträge so, dass alle Produkte einer Bestellung gleichzeitig gefunden werden. Das bedeutet, dass die Angestellten mit einem Barcodescanner, der ihnen die entsprechenden Anweisungen diktiert, dementsprechend durch das Warenhaus rennen müssen. Sobald sie eine Box erreichen, in der ein Teil der Bestellung enthalten sein sollte, haben sie 15 Sekunden Zeit, um dieses Produkt zu finden. Der Scanner beginnt laut zu zählen: Fünfzehn, Vierzehn, Dreizehn… wenn das Produkt bei Null noch nicht gefunden wurde, beginnt der Scanner die Sekunden zu zählen, die man zu spät ist: Eins, Zwei, Drei, Vier… Manchmal gibt es Inventurfehler und ein Produkt befindet sich nicht in der Kiste. Um dem System zu beweisen, dass das Produkt wirklich nicht da ist, muss jedes einzelne Produkt eingescannt werden (während der Scanner weiterhin laut die Sekunden zählt). Das System speichert den Prozentsatz der Produkte, die jemand in der vorgegebenen Zeit findet. Die Mittagspause ist genau 29 Minuten lang. Und man wird auf der Stelle gefeuert, wenn man eine 31 Minuten lange Pause nimmt, da dies die Planungsfähigkeit des Systems durcheinander bringt. Die implizierte Wahrnehmung des Menschen durch große Tech-Monopole ist folgende: Sehr billige Arbeitskräfte, die ein hohes Level der Produktivität durch die kluge Nutzung von Maschinen erreichen können. Um wirklich zu verstehen wie dies funktioniert, müssen wir einen kurzen Umweg über die Glücksspielautomaten in Las Vegas machen.

Natasha Dow Schüll untersuchte 10 Jahre lang als Kulturanthropologin alle Aspekte des Geschäfts mit Spielautomaten. Sie schreib ein phänomenales Buch über ihre Erfahrungen: „Addiction by Design“. Darin zeigt sie deutlich, wie die Industrie rund um Spielautomaten den vollständigen Prozess (die Casinos, die Automaten selbst, die Wahrscheinlichkeiten etc.) entwickelte, um die Menschen so schnell wie möglich in „Die Zone“ zu manövrieren. Der Spieler wird als Kapital verstanden, für den die „Zeit am Gerät“ so lang wie möglich sein muss, damit die „Produktivität der Spieler“ so hoch wie möglich sein kann.

Das Buch ist voller verwirrender Anekdoten über Menschen, die sich nicht von den Automaten lösen können. Zum Beispiel eine alte Dame, die mehrere Hosen übereinander trug, damit niemand sehen könnte, dass sie sich nicht die Zeit nahm um auf die Toilette zu gehen. Casinos waren der erste Industriezweig, die von automatischen Defibrillatoren Gebrauch machte. Davor war der Rettungsdienst meist zu spät da, wenn ein Gast einen Herzinfarkt erlitt: Denn es war ihm nur gestattet durch die Hintertür zu gehen (wer würde schon ein Casino betreten, wenn davor ein Krankenwagen steht) und Casinos sind mit Absicht so gestaltet, dass man sich leicht verläuft. Dow Schüll beschreibt, wie sie mit einem Verkäufer von Automatischen Defibrillatoren ein Video schaut, auf dem jemand einen Herzinfarkt hinter einem Spielautomaten erleidet. Der Mann kippt von seinem Stuhl auf die Person, die neben ihm sitzt. Die Person lehnt sich ein bisschen zur Seite, damit der Mann weiter auf den Boden fallen kann und spielt weiter. Während der Sicherheitsdienst den Alarm auslöst und mit dem Defibrillator arbeitet, schaut tatsächlich niemand von den Automaten auf, alle spielen weiter.

Das erinnert mich daran, wie es ist, wenn ich Menschen um mich herum habe, die sich mit ihrem Telefon beschäftigten. Das Gefühl, dass es keinen Unterschied macht, was ich versuche um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, da diese gänzlich von Facebook eingenommen wird. Das ist nicht überraschend. Facebook ist einem virtuellen Casino sehr ähnlich, denn es nutzt dieselben kognitiven Schwächen aus, wie normale Casinos. Facebook-User werden als Kapital angesehen, dessen online verbrachte Zeit so lange wie möglich ausgedehnt werden muss, damit die „User Productivity“ so hoch wie möglich ist. Facebook ist eine Maschine, die dazu verführen soll, den „Like“-Button zu klicken.

Die Beziehung, die wir zu Facebook, Google und Amazon haben ist keine symmetrische, denn wir verfügen über keinerlei Definitionsmacht und können nicht einmal entscheiden, wie es laufen soll. Wenn Unternehmen ihre Kunden schon so behandeln, was können wir als Bürger dann von unseren Regierungen, die Normativität verlangen, erwarten? Die Regierungen wurden von derselben Logik über Produktivität unterlaufen, die auch Unternehmen nutzen. Und da es im öffentlichen Raum immer mehr Kameras und anderen Sensoren gibt, werden sie bald über die Mittel verfügen, absolute Gefolgschaft durchzusetzen. Ich glaube ich nicht an die Diskurse über „sousveillance“ und „coveillance“ und denke, dass wir das Problem auf andere Weise lösen müssen.

Nassim Taleb
Nassim Taleb

Die Frage nach dem „wie“ würde vermutlich nach einen weiteren Vortrag verlangen, aber ich möchte zumindest aufzeigen, welche Richtung ich für richtig halte. Dafür möchte ich das „enfant terrible“ der akademischen Welt, Nassim Taleb, zitieren. Taleb hat sehr sorgfältig ein Bild von sich selbst als Tyrann konstruiert, jemand der gern andere Menschen mit seinen intellektuellen (und physischen) Stärken quält. Neulich wurde ihm außerdem die Macht der Kamera bewusst. Im Juli schrieb er auf Facebook über „den Zauber der Kamera zur Wiederherstellung menschlichen/ethischen Verhaltens“. Ich zitiere:

„Neulich zögerte ich im Gang der New Yorker U-Bahn vor dem Schild mit den Ausgängen für ein paar Sekunden um mich zurecht zufinden… Ein gut gekleideter Mann begann mich dafür zu beleidigen, dass ich stehengeblieben bin. Statt ihn zu schlagen, wie ich das 1921 getan hätte, zog ich mein Telefon heraus und machte ein Foto von ihm, während ich ihn in aller Ruhe einen „Gemeinen Idioten, der beleidigend gegenüber Personen ist, die sich verlaufen haben“ nannte. Er drehte durch und rannte vor mir weg, sein Gesicht in den Händen verbergend.“

Taleb hat eines der wichtigsten Bücher dieses Jahrhunderts geschrieben. Es heißt „Anti-fragile: Things That Gain from Disorder“ und erkundet darin, wie man sich in einer immer sprunghafteren Welt verhalten sollte. Laut ihm, haben wir durch den Effiziensgedanken unsere Welt so weit optimiert, dass wir unsere Flexibilität und Nachlässigkeit verloren haben, die jedoch notwendig sind um Misserfolge zu verdauen. Deswegen können wir nicht mehr mit Risiken umgehen. Paradoxerweise führt dies zu verstärkten Repressionen und einer weniger sicheren Umwelt. Taleb illustriert dies mit einer Analogie über ein Kind, welches von seinen Eltern in einer komplett sterilen Umwelt aufgezogen wurde und ein perfektes Leben frei von Problemen hatte. Dieses Kind wird vermutlich mit vielen Allergien aufwachsen und unfähig sein, sich in der echten Welt zu bewegen. Wir brauchen Misserfolge, um in der Lage zu sein zu lernen, wir brauchen Ineffizienz, um uns von Fehlern zu erholen, wir müssen Risiken eingehen, um voran zu kommen und deswegen ist es notwendig mangelnde Perfektion zu anzuerkennen.
Wir können uns nur dann eine gewisse Form von Freiheit erhalten, wenn wir dazu in der Lage sind. Falls nicht, werden wir zu Zahnrädern in der Maschine. Ich möchte mit einem Zitat von Ai Weiwei schließen:

„Freiheit ist etwas sehr Eigenartiges. Wenn du es einmal erlebt hast, bleibt es in deinem Herzen und niemand kann es dir nehmen. Dann kannst du als Individuum stärker sein, als ein ganzes Land.“

Foto-Credits (in niederländisch) sind hier zu finden.

Geschrieben am 29.12. 2014
Hans de Zwart
Fighting for civil rights at @bitsoffreedom

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4 Ergänzungen

  1. Vielen vielen Dank für diesen Artikel und auch für dessen Aufbereitung.
    Gefühlt etwas sprunghaft, konnte das doch einige Gedanken anregen, gerne mehr von so etwas!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.