GPS-Tracking, Mustererkennung, Data Mining, Vorhersagesoftware: Europol bekommt 12,5 Millionen Euro für IT-Arsenal

Die Tastatur als Handgranate - Illustration einer Europol-Analyse zu Bedrohungen im Internet.
Die Tastatur als Handgranate – Illustration einer Europol-Analyse zu Bedrohungen im Internet.

In seinem kürzlich veröffentlichten Arbeitsprogramm für 2015 kündigt die Polizeiagentur Europol die Einführung eines ganzen Arsenals neuer Analysesoftware an. Die Rede ist von „fortgeschrittenen Werkzeugen für Datenverarbeitung, aufklärungsbasierte Analyse, darunter auch strategische Analyse und Analyse offener Quellen“.

Schon vor zwei Jahren schrieb Europol von Anwendungen zu „Data Fusion“. Gemeint ist Data Mining, also die Möglichkeit die existierenden Datenbestände in Beziehung zu setzen und grafisch anzuzeigen. Das Wall Street Journal hatte darüber hinaus berichtet, dass Europol an der Entwicklung neuer digitaler Analysewerkzeuge zur Mustererkennung arbeitet. Ausweislich eines Zitats des Europol-Chefs Trols Oerting geht es dabei um Einbrüche in Wohnungen und Fahrzeuge.

Einsatz in Deutschland mitunter verboten

Eine solche Vorhersagesoftware wird derzeit von mehreren deutschen Landeskriminalämtern getestet. Data Mining und „Predictive Analytics“ sollten laut Oerting durch ein 150 Millionen Euro-Programm von Europol beforscht werden. Dabei handelt es sich wohl um das EU-Forschungs- und Rahmenprogramm, wo Europol an einigen Projekten beteiligt ist.

Im neuen Arbeitsprogramm werden die Anwendungen als „future-forecasting and scenario techniques“ beschrieben. Es ist aber unklar, inwiefern ihr Einsatz überhaupt rechtlich einwandfrei ist. Data Mining ist Polizeibehörden in Deutschland beispielsweise verboten. Auch die neue „Ma3tch“-Technologie zur Echtzeit-Analyse von Finanzdaten, auf deren Einführung Europol drängt, darf vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) nicht angewandt werden. Würden aus Deutschland angelieferte Daten bei Europol mit automatisierten Verfahren verarbeitet, könnte es sich um einen Verstoß gegen Datenschutzbedingungen handeln. Deutschland ist laut eigenen Angaben „zweitstärkster Nutzer“ von Europols Informationssystemen.

Zentraler Tracking-Server bei Europol

Welche weiteren, neuen Anwendungen Europol nun beschaffen will ist ebenfalls unklar, die Worthülsen im Arbeitsprogramm lassen aber einige Rückschlüsse zu. So sollen Verfahren zur Auswertung und zum Vergleich biometrischer Daten eingeführt werden. Europol beabsichtigt, auf das neue EU-System zur Speicherung von Fingerabdrücken im Schengener Informationssystem zuzugreifen. Auch die Beschaffung von Software zur Erkennung von Personen und Sachen in Bild- und Videodaten steht laut dem Arbeitsprogramm auf der Europol-Wunschliste.

Bald sollen die Arbeiten an einem „European Tracking System“ abgeschlossen sein, mit dem europäische Polizeibehörden ihre GPS-Peilsender (etwa an Fahrzeugen Verdächtiger) auch grenzüberschreitend betreiben können. Europol richtet hierzu einen zentralen Server ein, der außer durch die Mitgliedstaaten auch von „Third Parties“ genutzt werden kann. Die Ausgabeformate der Peilsender werden hierfür standardisiert.

Das seit zwei Jahren bei Europol angesiedelte „Cybercrime Center“ (EC3) soll einen eigenen „Malware Scanner“ erhalten. Das könnte bedeuten, dass Europol selbst das Internet absucht. Geplant ist auch die Verbesserung des Austausches in Echtzeit. Die Auswertung offener Quellen im Internet bezieht sich wohl auf Soziale Medien wie Facebook oder Twitter. Die deutsche Bundespolizei und das BKA forschen in EU-Projekten an ähnlichen Verfahren.

Noch nicht verabschiedete Europol-Verordnung gilt als Begründung

Vor zwei Jahren hatte Europol seine „Arbeits- und Analysedateien” zu bestimmten Kriminalitätsbereichen komplett neu organisiert. Im erneuerten Konzept heißen sie „Focal Points“ und unterteilen sich in die Bereiche „organisierte Kriminalität“ und „Terrorismus“. Sie dürfen auch „proaktiv“ Daten sammeln und austauschen. Mitgliedstaaten können einem „Focal Point“ nach Belieben beitreten.

Nun soll zur noch besseren Auswertung ein „Europol Analysis System“ (EAS) aufgebaut werden – vermutlich ein Container-Begriff für alle einzelnen neuen Maßnahmen. Vor zwei Jahren wurden ähnliche Pläne bekannt, wonach Europol eine „Plattform für den Informationsaustausch von Strafverfolgungsbehörden“ einrichtet.

Die EU-Kommission hat nun zusätzliche Mittel von 12,5 Millionen Euro bereitgestellt. Als Begründung der IT-Aufrüstung dient die neue Europol-Verordnung, wonach die Agentur in einem „erweiterten Mandat“ ihre Analysefähigkeiten verbessern und ausweiten soll. Geplant ist etwa, dass Europol zukünftig selbst Daten von europäischen Polizeibehörden einsammeln darf und nicht mehr auf entsprechende Lieferungen warten muss. Die Verabschiedung der neuen Verordnung ist aber längst nicht in Sicht: Die immensen Auswirkungen auf den Datenschutz werden von vielen EU-Abgeordneten kritisiert.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. „Du Dummkopf was hast Du gedacht?
    Das wir das nur zum Spaß gemacht?“
    Sie sagen uns ganz unverholen:
    „INDECT kommt!“ – Auf leisen Sohlen…

  2. Kleine Korrektur: troels oerting ist der Head of businessarea des european cybercrime centre. Chef von europol ist rob wainright.

  3. Also meine Mustererkennung sagt, die USA sind in den letzten 50 Jahren am meisten in fremde Länder eingefallen. Soll ich jetzt ein Programm dafür schreiben?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.