Digitaler Grabenkrieg zwischen USA und EU: Europaabgeordnete und Oettinger auf Charme-Offensive

CC BY 2.0. Quelle: Maret Hosemann

Abgeordnete des Europaparlaments wehren sich in einem Brief gegen Vorwürfe, die Strategie der EU-Kommission für den digitalen Binnenmarkt richte sich gegen US-amerikanische IT-Unternehmen. Präsident Obama habe von „digitalem Protektionismus“ geredet, und „viele im privaten Sektor“ würden sich ähnlicher Worte bedienen, heißt es in dem Brief, den insgesamt 43 Parlamentarier unterschiedlicher Fraktionen unterzeichnet haben, darunter Julia Reda (Greens/EFA), Viviane Reding (EPP) oder Sophie in’t Veld (ALDE).

Stattdessen gehe es darum, Barrieren niederzureißen und regulatorische Rahmenbedingungen zu aktualisieren, um Innovation und Unternehmertum anzustacheln. Das würde sowohl Konsumenten als auch Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks zugutekommen. Bei den politischen Debatten handle es sich nicht um eine „transatlantische Spaltung“, sondern schlicht um unterschiedliche Ansichten und Glaubensvorstellungen, die sich durch unsere Gesellschaften ziehen würden.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA spiele eine entscheidende Rolle in einer sich wandelnden Welt. Deshalb müsse man Vertrauen schaffen und Ideen austauschen, dabei aber akzeptieren, dass eine Vielzahl an Blickpunkten einen integralen Bestandteil von offenen Demokratien darstellen. Die Abgeordneten würden „einen entschieden europäischen Ansatz zur Technologiepolitik“ zeigen wollen, dabei aber „jegliche anti-amerikanische Stereotypen anprangern“, fasste Julia Reda das Anliegen der Initiative zusammen.

Oettinger auf Reisen

Damit liefern die Abgeordneten Rückendeckung für den Digitalkommissar Günther Oettinger, der derzeit die USA und anschließend China bereist. Dort trifft er sich unter anderem mit Vertretern von Facebook, Apple und anderer IT-Unternehmen, aber etwa auch mit dem Chef der Federal Communications Commission (FCC) Tom Wheeler, von dem er sich bei der Gelegenheit ein paar Tipps zur Netzneutralität abholen könnte.

Vor seiner Abreise versuchte Oettinger in einem Blog-Posting, ähnlich gelagerte Vorwürfe zu entkräften und betonte, die Strategie der Kommission richte sich nicht gegen Unternehmen, die aus einem bestimmten Land stammten. Der digitale Binnenmarkt soll einfach nur die europäische Wirtschaft ins digitale Zeitalter überführen und „Digitalstrategien europäisieren“. Die Marktbedingungen müssten für alle gleich sein, unabhängig davon, ob betroffene Unternehmen aus der EU oder von woanders kommen würden.

In Hinblick auf die demnächst startende öffentliche Konsultation zur Rolle von Online-Plattformen sei noch keine Entscheidung getroffen worden. Er sei bereit, Bedenken und Vorschläge seitens der USA entgegenzunehmen, würde sich aber nicht von „billigen Vorwürfen“ wie einer befürchteten „Überregulierung“ beeindrucken lassen.

Angespannte Beziehungen

Dabei handelt es sich um eines von mehreren digitalen Konfliktfeldern, die die Beziehungen zwischen den USA und der EU belasten. Erst gestern hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Yves Bot, das Safe-Harbor-Abkommen als ungültig eingeschätzt, weil es dem europäischen Datenschutzrecht widerspreche. Sollte der EuGH dieser Ansicht folgen, würde das dem Transfer personenbezogener Daten in die USA die rechtliche Grundlage entziehen – und im gleichen Atemzug die Totalüberwachung des Internets durch den US-Geheimdienst NSA immerhin erschweren. Auch die weiterhin laufende kartellrechtliche Untersuchung der Kommission gegen Google dürfte Washington verärgern.

Etwas einfacher gestalten sich hingegen die Verhandlungen zum Austausch persönlicher Daten für Strafverfolgungszwecke, bislang zumindest. Damit das Ankommen in Kraft treten kann, ist in den USA allerdings noch eine Gesetzänderung durch den notorisch bockigen Kongress notwendig, während in Europa eine Abstimmung des EU-Parlaments ansteht. Der offene Brief der EU-Abgeordneten sowie die Charme-Offensive Oettingers dürften wohl zum Ziel haben, die Wogen zu glätten und Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, bevor es zu einer weiteren Eskalation kommt.

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3 Ergänzungen

  1. Hoffentlich versucht Öttinger nicht, Englisch zu sprechen, dann könnte im schlimmsten Fall Krieg ausbrechen
    Hei Amerikansers!
    I am heavy on the wire and you are on the woodway!

    1. OEttinger bitte, mit OE!
      Wenn er sich „Öttinger“ schreiben würde hätte er ein Problem: seine Schreibmaschine kann nämlich noch keine Umlaute…

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