Die EU-Überwachungswünsche und ein „europäischer Geheimdienst“

nsa penisAm Freitag sind unter den 28 EU-Innen- und Justizministern in Brüssel einige Maßnahmen vereinbart worden, die im Nachgang der Pariser Attentate mal wieder weitergehende Zugriffsbefugnisse und Datensammlungen ermöglichen sollen, wie Spiegel-Online und Welt berichteten.

Neben der Schusswaffenkontrolle und dem Streit um die Schengen-Außengrenzen wurde wie selbstverständlich auch die vollständige Überwachung des Reiseverkehrs (Fluggastdaten-Speicherung, PNR) sowie eine enge Kooperation von Polizeien und Geheimdiensten für erforderlich erachtet. Vor allem Frankreich drängte die anderen Staaten, PNR möglichst noch dieses Jahr zuzustimmen. Man brachte außerdem eine European intelligence agency, also eine Art europäischen Geheimdienst, wieder ins Spiel.

Der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, verlautbarte dazu am Freitag:

I believe it is a moment to make one more step forward and put the basis for the creation of a European intelligence agency.

Das weckt Erinnerungen an das Projekt ALLIANCE, das Teil der geheimen Überwachungswunschliste des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist. Für neun Millionen Euro sollte ein „europäischer Geheimdienst“ errichtet werden, praktischerweise mit gemeinsamen Büros in Bad Aibling. Später ruderte EU-Kommissar Avramopoulos allerdings zurück und erklärte, er hätte nur eine „ideal idea“ ausgesprochen. Wie man solche weltfremden Einfälle als „ideal“ befinden kann, bleibt sein Geheimnis.

Foto von mw238 via flickr, CC-BY-SA 2.0

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

12 Ergänzungen

  1. Ist vielleicht ein Missverständnis: Diesen Geheimdienst INTCEN es schon, er hat aber äußerst abgespeckte Kompetenzen und wird gemeinhin nur als Lagezentrum bezeichnet (da z.B. keine AgentInnen geführt und keine eigenen TKÜ-Maßnahmen vorgenommen werden). Das INTCEN ist (wie sein militärisches Pendant EUMS INT) von Zulieferungen nationaler Dienste abhängig. Immer wieder gibt es Debatten zur Aufwertung des INTCEN, stets scheitert das aber an Mitgliedstaaten die um ihre nationale Souveränität fürchten. Andersherum soll jetzt aber Europol die Möglichkeit bekommen, nachrichtendienstliche Informationen zu verarbeiten (konkret: EU-Confidential-Einstufungen). Auf EU-Ebene vollzieht sich gerade eine ähnliche Entwicklung wie hierzulandemit den „gemeinsamen Zentren“, wobei davon aber ganz klar Europol profitiert.

    1. Der Vorteil eines supranationalen Geheimdienstes ist wahrscheinlich aus deren Sicht, dass es da keine EU Bürger gibt, also auch keine EU-Bürgerrechte! :)

      Ich vermute mal die streben eine ähnlich supranational verantwortungsbefreite Kontruktion an wie beim ESM und dessen Immunitäten aus Art. 35 ESM Vertrag.

      https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Stabilit%C3%A4tsmechanismus#Immunit.C3.A4t

      INTCEN und EUMS/ID sind zu sehr EU Recht unterworfen und fühlen sich durch die EU Menschenrechtskonvention und den EGH wahrscheinlich arbeitsrechtlich zu bedroht. :)

      http://www.statewatch.org/analyses/no-223-eu-intcen.pdf

      Und der EEAS hat wahrscheinlich auch keinen Bock auf Spagat zwischen Datenschutz und organisierter Datenunsicherheit.

      http://eeas.europa.eu/data_protection/index_en.htm

      1. Es gibt EU-Bürger und EU-Bürgerrechte. Grönlander sind z.B. keine EU-Bürger im Gegensatz zu den Festland Dänen. Ich erhoffe mir von EU-Geheimdienst mehr, als von den Nationalen. Ich sehe EU und Justiz eher als Schützer unserer Daten als unsere Regierung.

  2. Mal schaun, wann das nächste Attentat erfolgt und dies umgesetzt wird,
    traurigerweise gibts nie Konsequenzen für Geheimdienstler, wenn die versagen, außer dass der Chef ausgetauscht wird
    Dann werden alternativlos die Rechte des Dienstes erweitert…

    1. Unsere Geheimdienste haben umfassende Kontrollgremien mit starken Befugnissen. Die Politiker sind meist sehr Inkompetent und werden auch nicht ausgetauscht. Unsere Geheimdienste werden stark von der Politik und Bürokratie überwacht. Aber wie immer sucht man Leute immer die Schuld bei anderen. Ein Gemeinsamer Geheimdienst nur mit Kontrolle des Parlament. Würde mir aber mehr bei den Auslands als in den Inlandsgeheimdiensten gefallen. Und ich sehe eher das die EU und die Justiz mehr für unseren Datenschutz macht als unsere Regierung.

  3. mich hat so ein avramopoulos-ruf nach einen institutionalisierten und eigenständig arbeitenden/informationen sammelnden und verwertenden geheimdienst im DLF ebenfalls aufhorchen lassen.

    aber widerspricht das nicht artikel 4 absatz 2 des EU-vertrages von lissabon?

    dort heisst es:

    *** 88 schnapp ***

    quelle: https://dejure.org/gesetze/EU/4.html

    oder verstehe ich da irgendwas falsch?

    übrigens wird genau dieser abschnitt immer dann von politikern und EU-bürokraten als argumentatives trumpf gezückt, wenn man bspw. auf grund- und menschenrechtsverletzungen in bezug auf EU-grundrechtecharta oder EU-menschenrechtskonvention hinweist. dann heisst es bspw. seitens der EU-kommission unisono: „da können wir nichts machen – terrorismusbekämpfung und fragen der inneren sicherheit werden nicht von der EU geregelt.“

  4. tut mir leid: es fehlt in meinem kommentar der ausschnitt aus dem EU-vertrag. hier ist er nun:

    „Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.“

  5. So lange man Geheimdienste nicht verhindern kann, ist ein gemeinsamer Geheimdienst anstelle(!) der nationale Dienste vielleicht gar nicht übel. Ist ja ein Europa, Nationalstaaten braucht kein Mensch. Die bräuchten sich dann auch nicht mehr gegenseitig auszuspionieren. Würde auch Geld sparen. Nur so ein Gedanke.

    1. Und genau deswegen wird das nicht passieren. Damit das EU-Parlament zustimmt, müsste ja sowas wie eine bessere parlamentarische Kontrolle vorgesehen sein (noch schlechtere geht ja auch nicht). Aber selbst wenn man das hinbekäme, würde das in der Praxis zu einem Kompetenzgerangel auf allen Ebenen führen, was auch wieder nur zu steigenden Kosten für nix führt. In Deutschland hat ja auch noch jedes Bundesland einen eigenen Geheimdienst.

      1. Man könnte dies aber für Auslandgeheimdienste einführen und dann sehen wie gut es klappt. Zudem, wenn es erstmal steht gibt es kein Gerangel. Das Gerangel gibt es auf den Weg dahin.
        Und die Kontrollgremien müssen hat auch genutzt werden nicht wie es derzeit ist und als Politiker komplett überrascht wirken, dass man Verantwortung hatte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.