Debatte: Ist geteilte Bildung halbe oder doppelte Bildung?

bpb_logo_rgbIm Portal „Digitale Bildung“ der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) finden sich zwei gegensätzliche Einschätzungen zur Frage, welche Chancen mit digitaler Technologien und offenen Lizenzen im Bildungsbereich verbunden sind.

David Klett, Geschäftsführer von Klett MINT, vertritt den Standpunkt „Geteilte Bildung ist halbe Bildung“ und warnt davor, im Bildungsbereich auf eine „Kultur des Teilens“ zu setzen:

Es ließen sich weitere Fälle nennen, in denen sich die „Kultur des Teilens“ nicht so recht einzustellen scheint, und das nicht nur im Bereich des Austauschs von Medien, sondern auch beim Versuch, freie Inhalte zu bewerten, zu qualifizieren und besser auffindbar zu machen. Seit einiger Zeit versucht etwa der Deutsche Bildungsserver zusammen mit der Universität Duisburg, das Angebot an freien Bildungsressourcen im Netz zu erschließen. Lehrkräfte sollen auf der Plattform »EduTags« Links zu OER so verschlagworten, dass sie für alle anderen leichter und gezielter zugänglich sind. Da derlei Initiativen nicht den Beweis ihrer Wirtschaftlichkeit antreten müssen, lassen sich Erfolg und Misserfolg schwer auseinanderhalten. Mit Blick auf die Tiefe und Breite des Angebots – der Suchbegriff „Verbformen“ etwa bringt genau ein (1) Suchergebnis – liegt allerdings der Verdacht nahe, dass sich die breite Lehrerschaft noch nicht recht zum „edutaggen“ hinreißen lässt.

Ich durfte die Gegenposition „Geteilte Bildung ist doppelte Bildung“ vertreten:

Der Sinn von Bildungseinrichtungen liegt genau darin, einen Ort für den Austausch – das Teilen – von Wissen, Erfahrungen und Meinungen, nicht zuletzt aber auch von Lehr- und Lernmaterialien bereitzustellen. Die Nutzung von offenen Lizenzen wie jene der Wikipedia auch für professionell erstellte Lernmaterialien würde das Teilen von Wissen und Erfahrungen über die Grenzen der Bildungseinrichtung hinaus erlauben. Wo heute wieder und wieder das Rad neu erfunden, dasselbe Arbeitsblatt neu zusammengestellt wird, könnten Lehrkräfte aus einer globalen Wissensallmende schöpfen und gleichzeitig ihre Erkenntnisse und Ideen beisteuern. […] Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass jene öffentlichen Gelder, die heute schon in die Erstellung von Lehr- und Lernmitteln fließen, vermehrt offen lizenzierte Inhalte und deren kontinuierliche Weiterentwicklung und Aktualisierung finanzieren.

In einem Punkt bin ich mir demnach mit David Klett durchaus einig: einfach nur darauf zu vertrauen, dass neue Technologien einer Kultur des digitalen Teilens zum Durchbruch verhelfen werden, ist wenig erfolgversprechend. Vielmehr geht es eben darum, öffentliche Mittel besser einzusetzen, sodass öffentlich finanziert auch offen lizenziert bedeutet.

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11 Ergänzungen

  1. Wenn ich einen Wunsch frei gehabt hätte, dann hätte ich mir gewünscht, dass Du diesen Abschnitt hier zitierst: „Wenn wir allerdings von der „Kultur des Teilens“ in der Bildungswelt nicht allzu viel erwarten können, wäre es fatal, auf sie zu setzen. Tatsächlich geschieht dies heute aber schon in vielen Ländern Europas. In Polen etwa werden seit diesem Jahr im unteren Sekundarbereich die Preise für Schulbücher und Arbeitshefte gesetzlich auf lächerlich niedrigem Niveau festgesetzt und gleichzeitig im staatlichen Auftrag Bildungsmedien unter freier Lizenz hergestellt. Man hofft, das vielfältige Angebot der im Wettbewerb stehenden Verlage durch die Vielfalt geteilter und rekombinierter Inhalte der Lehrkräfte zu ersetzen – und dabei eine Menge Geld zu sparen. Wenn sich hier die „Kultur des Teilens“ nicht rasch einstellt, wird – statt Vielfalt – kommen, was immer kommt, wenn der Staat zentral Bildungsmedien erstellen lässt, nachdem er den Wettbewerb ausgeschaltet hat: die totale Einfalt.“

    1. Das ist aber doch kein spezifisches Problem offener Lizenzen.

      Die Verwendung des Begriffs „Wettbewerb“ im Kontext von Schulbüchern erscheint mir durchaus erklärungsbedürftig. Wo soll der denn aktuell stattfinden?

    2. Ist der Schulbuchmarkt nicht seit Jahren ein Oligopol, dass (kartellrechtlich bedenklich) geographisch aufgeteilt ist?
      Ist schon krass, dass Schüler sich immer noch die Rücken krumm Schleppen, nur weil eine Branche darauf besteht, Bäume zu fällen, zu pressen, und Informationen draufzudrucken. Gebt den Schülern einen E-Book-Reader (ohne proprietäre Software & Standards, um Konkurrenz zu ermöglichen) mit allen Schulbüchern die sie jemals brauchen werden. Es ist nicht mehr einzusehen, warum Gebrauchs-Informationen mehr als ein paar Gramm wiegen sollen.

      Das Ganze erinnert langsam an die Dampflokheizer, nur dass hier unsere Kinder die Leid tragenden sind.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Heizer#Heutige_Situation

      1. E-Book-Reader mit Eselohren, interessante Vorstellung. Aber vielleicht gehen die Schüler damit besser um, als mit ihren Büchern und ihrem Spielzeug. Und dann ist es auch endgültig egal, ob das A nun auf dem Kopf steht oder nicht. Einfach den Reader umdrehen!

        ich habe es ja eher mit der Montessori Pädagogik und einem Lernen mit allen Sinnen. Die Kids sind jetzt schon kleine Dampfloks, in die mehr und mehr Kohle geschaufelt wird. Schnell unterwegs sind sie ja auf ihren kleinen Laufrädern, aber das BREMSEN…

      2. Nein danke. Ich bin ein Vielleser und vie viel andere Leser kann ich dir sagen, dass Papier, gerade zum lernen, viel besser ist.

        Allerdings hängt das auch zu einem gewissen Teil davon ab, dass man z.B. unterstreichen udn dranschreiben kann, was bei Lehrbüchern, die 10 Klassen aushalten müssen, selten der Fall ist.
        Gerade hier aber ist freies Lehrmaterial, das bedarfsgerecht ausgedruckt wird, im Vorteil.

      3. Das duerfte schlichte Gewohnheit sein, ich lese seit 20 Jahren online wie offline.

        Wenn Du keine Anmerkungen u.ae. machen kannst, setzt Du halt ungeeignete Software ein.

        Im Gegensatz zu totem Baum erlauben elektronische Dokumente die Einbettung praktische beliebiger multimedialer Daten, gerade Visualisierungen sind ein ein grosser Beitrag zum Verstaendniss. Darueber hinaus sind Verweise moeglich, externe Quellen, etc, pp.

    3. Wenn man in einer Kultur lebt, in der offene Lizenzen in den letzten 25y die groesste weltweite Infrastruktur definiert und aufgebaut haben, ist die Idee von „geteilte Bildung ist halbe Bildung“ schlicht nicht nachvollziehbar.

      „Offene Lizenz“ und „teilen“ heisst uebriegens nicht, dass nicht jemand fuer das Erstellen bezahlt wird.

      Und nirgendwo ist der Wettbewerb letztlich haerter als dort, wo jeder seine Version machen kann und jeder die freie Wahl hat. Auch dafuer muss man natuerlich Strukturen schaffen, und sie sehen anders aus als die Verhandlungsrunden im kleinen Kreis.

  2. Bezahlen wir eigentlich auch in Zukunft eine zweistellige Millionensumme an die Verlage, allein für die Sekundarschulen und allein dafür, dass Lehrer kopieren dürfen? Obwohl wiederholt nicht mal nachweisbar ist, dass dieses kopieren einen negativen wirtschaftlichen Einfluss auf die Schuzlbuchverlage hat?

    Das sollte man bei der Wirtschaaftlichkeitsbetrachtung und „Wettbewerb“ auch nicht vergessen, dass man mit diesem Geld allein 200 Leute finanzieren könnte. Die wären mit dem Verschlagworten aber ganz fix fertig.

    btw: Wer behauptet, dass eine (aktive und ernst genommene) Kultur des Teilens zu Eintönigkeit führt, sollte mal zum Augenarzt.

    1. richtig, eintönig ist es ja erst dann, wenn es eine Seite gibt, die alles bereitstellt und die anderen haben es zu nutzen, aber teilen ist ja kein einseitiges „der eine gibt, der andere nimmt“, sondern dass viele verschiedene Leute mit verschiedenen spezialisierungen etc ihr wissen zusammentragen können, es kombinieren, dadurch das lehrmaterial als solches auch qualitativ hochwertiger wird und so weiter.

      vorrausgesetzt natürlich es gibt genug leute die sich auch hinsetzen und bereit sind etwas beizutragen.

      1. Eine ganze Menge dieser Beitragenden kann, vermutlich muss und letztlich will man schlicht fuer ihre Beitraege bezahlen.

        Hier geht es um das Teilen von Informationsmaterial, also um das prinzipiell kostenfreie Kopieren, Remixen und Erweitern, bei dem das Material eben nicht weniger wird und sein Nutzen immer weiter ansteigt. Das ist etwas fundamental anderes als das Teilen von materiellen Guetern. Natuerlich haben Schulbuchverlage damit ein Problem. Aber unser Bildungswesen hat Bildung fuer alle als Ziel, nicht Verlagsgewinne, jedenfalls noch.

  3. Der Herr Geschäftsführer sieht den Gewinn seines Unternehmens halbiert. Das ist seine ganze Sorge. Der Rest ist Bullshit-Gesülze.

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