De Maizière beklagt „digitale Sorglosigkeit“, meint dabei aber nicht die Bundesregierung

Bundesinnenminister de Maizière erklärt, was im Internet schiefläuft. CC BY-SA 2.0, via flickr/Heinrich-Böll-Stiftung

Von unerwarteter Seite bekommen wir gerade zu hören, dass sich „digitale Sorglosigkeit“ im Internet breitmachen würde. Kaum jemand würde die eigenen E-Mails verschlüsseln, sondern die am Markt verfügbaren Werkzeuge ignorieren, weil sie zu umständlich erschienen. Fatalismus würde um sich greifen, weil viele wirksamen Schutz für unmöglich hielten und es gleich bleiben ließen. „Hier ist ein Umdenken erforderlich“ lautet die Forderung. Ebenfalls bedenklich sei die sorglose Verbreitung von privaten Fotos und Informationen im Internet: „Wo früher eine Freundschaft vertrauensvolle Gespräche erforderte (…), genügt heute ein Klick bei Facebook.“

Diese Aussagen stammen von niemand geringerem als Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der heute den 14. Deutschen IT-Sicherheitskongress in Bonn eröffnet hat, den das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) alle zwei Jahre veranstaltet. Also vom gleichen Politiker, der sich dafür einsetzt, dass deutschen Ermittlungsbehörden Hintertüren zur Verfügung gestellt werden, damit sie trotz Verschlüsselung mitlesen können:

Unter anderem müssten die deutschen Sicherheitsbehörden „befugt und in der Lage sein, verschlüsselte Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen, wenn dies für ihre Arbeit zum Schutz der Bevölkerung notwendig ist“, sagte de Maizière. „Effektive Ermittlungen zur Strafverfolgung müssen auch im Cyberraum möglich sein.“

Auch die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung liegt de Maizière am Herzen. Da sollte es dem Innenminister doch gerade recht sein, wenn die zu beschützende Bevölkerung so viele Metadaten wie nur möglich produziert.

Anstatt unglaubwürdige Lippenbekenntnisse zu verbreiten, sollte der ehemalige Kanzleramts-Chef lieber dabei mithelfen, den aktuellen BND-Skandal aufzuklären – und das nicht hinter verschlossenen Türen. Die Opposition fordert nicht ohne Grund, dass sich de Maizière am kommenden Freitag dem NSA-Untersuchungsausschuss stellt. Sollte sich die Koalition darauf verständigen, dass der Innenminister öffentlich Rede und Antwort stehen muss, sind wir selbstverständlich dabei und bloggen live mit.

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14 Ergänzungen

  1. Das Schlimme ist, dass viele Leute, die sich nicht so direkt mit der Materie auskennen, ihm das abnehmen werden. Der denkt schließlich an den kleinen Mann, der von den Maßnahmen im Rahmen der Verbrechensbekämpfung doch gar nicht betroffen ist. ;)

    Das ist meiner Meinung nach eins der großen Probleme bei allem, was mit dem ominösen Internet zu tun hat: ein großer Bevölkerungsanteil hat schlichtweg nur minimale bis keine Ahnung davon, so dass sie Nebelkerzen gar nicht als solche erkennen können, da sie eh nur Bahnhof verstehen.

    1. Ich kenn mich nicht damit aus, aber Verschlüssel trotzdem, weil das mit diversen mailanbietern echt kein Problem mehr ist. Und wenn das son Blondchen wie ich kann, ist es nur eine Frage der Zeit.

  2. Eine Regierung die es nicht schafft, ein Gesetz zu verabschieden, wonach sämtliche Webseiten und E-Mailserver per TLS geschützt werden müssen kann den Bürgern bei Leibe keine digitale Nachlässigkeit vorwerfen.

  3. Wenn de Maizière im NSAUA aussagt, bitte nur mit Lügendetektor! Alles andere ist nur Sand der in die Augen der Ausschussmitglieder gestreut werden wird. Wie hieß doch noch mal der Lügenbaron?

    1. Weis nicht ob ein Lügendetektor so gut funktioniert…..aber ich würde eine Vereidigung empfehlen und den Innenminister zu klaren unmissverständlichen Aussagen auffordern bevor dort die einzige Aussage ist man wüsste von nichts aber es wäre natürlich alles sehr übertrieben dargestellt

  4. Ist doch logisch, wenn keiner dem Netz verschlüsselte Geheimnisse anvertraut, kann De Maizière sie nicht unter Ausnutzung von Sicherheitslücken abfischen.

  5. Diese Doppelmoral, er will alles anzapfen und Hintertürchen, aber die Leute sollen doch bitte nicht so sorglos mit ihren Daten umgehen und verschlüsseln. Ich wäre glücklich wenn die Bundesregierung nicht so sorglos mit UNSEREN Daten umgehen würde und die einfach mal an die Amis und Briten weiterleitet. Die wollen immer mehr Daten, haben aber die bisher erlangten Datensammlungen schon nicht unter Kontrolle. Nimmste dann Open Source ohne Hintertürchen heult der wohl wieder rum wir machen ihm das ausspionieren zu schwer und sollen doch bitte vom der Bundesregierung zertifizierte Hintertürenprogramme verwenden. Jede Woche fordern die Dinge, die mit ihren letzten Forderungen total im Gegensatz stehen. Ich glaube die wissen selber nicht mehr was die da fordern…

  6. Da sind Sie aber schief gewickelt Herr de Maiziere, seit es Startmail.com gibt, ist es kein Problem mehr mit dem Verschlüsseln. Und wir nutzen es fleißig, denn es geht niemanden etwas an, was wir mit wem privat schreiben, nicht wahr?

  7. der Mann ist echt für jeden Witz zu haben. Gibt es irgend ein Thema, bei dem er sich nicht lächerlich macht? Auch wenn er damit nicht der Einzige in der Bundesregierung ist.

  8. Herr Minister, darf ich Ihnen einen konkreten Vorschlag dazu ans Herz legen?

    Nicht fordern, fördern! DE-Mail einstampfen. Die Geldköder für DE-Mail umwidmen: Geldprämien für Datenselbstschutz ausloben! 10 Euro für die erste GPG-Mail. 25 Euro, wenn keine identifizierbaren Informationen mehr über den Internetanschluss gehen. 30 Euro für das Aufgeben von Whatsapp oder Facebook. Steuererleichterungen bei wenig elektronischer Bezahlung und bei Verweigerung von überwachungsverseuchten Versicherungstarifen. 50 Euro fürs Auslaufenlassen des Handyvertrags.

    Ganz wichtig: konsequent sein. Verschlüsselung nicht in der nächsten Verlautbarung wieder verdammen. Hart bleiben und nicht auf Cameron und seine kindischen totalitären Phantasien hören. Extremisten sollten kein Gehör finden, das verstehen Sie doch?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.