Bundesregierung sieht keinen Rechtsanspruch für schnelles Internet

Breitbandausbau schön und gut, aber einen Rechtsanspruch darauf gebe es nicht, so die Bundesregierung. CC BY-NC-ND 2.0, via flickr/Walt Jabsco

Wenn es konkret wird, versucht sich die Bundesregierung aus der Affäre zu ziehen. Zwar halte man am erklärten Ziel der Digitalen Agenda fest, „bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen von mindestens 50 MBit/s“ sicherzustellen.

Allerdings scheide „angesichts der europarechtlichen Vorgaben für den Universaldienst und die Technologieneutralität “ eine „gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau des schnellen Internets aus“, so Dorothee Bär (CSU), Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, in ihrer Antwort auf eine Anfrage von Harald Ebner, der für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sitzt.

Das liest sich im vor wenigen Wochen veröffentlichten Abschlussbericht der CDU-Kommission „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“ unter der Leitung von Thomas Strobl noch ganz anders:

Wir wollen, dass jeder an den Chancen der Informationsgesellschaft teilhaben kann. Unternehmen müssen überall in Deutschland über schnelles Internet verfügen. Dafür brauchen wir eine moderne funk- und festnetzbasierte Breitbandinfrastruktur. Deshalb ist es für die CDU zentral, bis 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde im Download zu erreichen. Das wachsende Bedürfnis nach breitbandigem Upload werden wir dabei ebenfalls berücksichtigen. Wir werden einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Internetzugang einführen, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten.

Eine bereits 2011 veröffentlichte Studie von Bündnis 90/Die Grünen sah den Ansatz, schnelle Breitbandanschlüsse zur Grundversorgung zählen zu lassen, als vereinbar mit der erwähnten Richtlinie über den Universaldienst:

Grundsätzlich ist es auch möglich, in Deutschland einen Breitband-Universaldienst mit Übertragungsraten festzuschreiben, die noch über diese Grenzen hinausgehen. Zwar wäre dies definitorisch nicht mehr von der UDRL 2009 erfasst. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass eine solche Verpflichtung europarechtlich unzulässig wäre. Ein Verbot höherer Bandbreitenvorgaben enthält die Richtlinie nicht. Folgen ergeben sich in erster Linie für Fragen der Finanzierung einer entsprechenden Universaldienstverpflichtung. Sie müsste dann aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert werden.

Die Realität scheint dem Gutachten Recht zu geben, schließlich hat das EU-Mitglied Finnland seit Mitte 2010 das Grundrecht auf einen Breitbandzugang gesetzlich festgeschrieben, ohne dass ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden wäre. Bei anderen Diensten stellt das offensichtlich auch kein Problem dar, wie Harald Ebner netzpolitik.org gegenüber ausführt:

[…] Ein Breitband-Universaldienst wäre als Grundversorgung natürlich absolut richtig und wichtig. Schließlich klappt das bei Post und Telefon ja auch. Und im dünn besiedelten EU-Staat Finnland gibt es schon seit fünf Jahren die allgemeine Breitband-Internet-Grundversorgung. Die Grundfrage ist natürlich mal wieder: wer soll das bezahlen? Thomas Strobls Vorschlag liefe darauf hinaus, dass der Staat den Ausbau finanzieren müsste. Von den erforderlichen 20 Milliarden Euro fehlen allerdings noch 12 Milliarden. Die dürfte Strobl Schäuble kaum abringen können. Bei der von uns geforderten Universaldienst-Lösung sollen die Unternehmen der Branche das über einen gemeinsamen Fonds selber finanzieren.

Auf jeden Fall müssen wir Strobl jetzt beim Wort nehmen. Auch im Koalitionsvertrag heißt es schließlich ,Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben‘. Es ist jetzt Sache der Bundesregierung, das umzusetzen, statt sich rauszureden. Noch wichtiger als der Rechtsanspruch ist aber der tatsächliche Ausbau. Das ist es schließlich, was zählt. Was nützten einem am Ende politische Versprechungen und selbst ein Rechtsanspruch, wenn es faktisch vor Ort kein Netz gibt?

Text der Anfrage, aus dem PDF befreit

Ihre Frage Nr. 009/Juli:

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Zugang zu schnellem Internet für alle Bürgerinnen und Bürger geben sollte, und wenn ja, bis wann beabsichtigt die Bundesregierung einen solchen Rechtsanspruch zu implementieren ?

beantworte ich wie folgt:

Es ist erklärtes Ziel der Digitalen Agenda jedermann an den Chancen der Informationsgesellschaft teilhaben zu lassen. Die Bundesregierung strebt daher bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen von mindestens 50 Mbit/s an. Im Rahmen des verfassungsmäßigen Auftrags arbeitet die Bundesregierung Hand in Hand mit der Telekommunikationsbranche daran, den hierfür erforderlichen Netzausbau durch investitionsfördernde Rahmenbedingungen zu beschleunigen.

Angesichts der europarechtlichen Vorgaben für den Universaldienst und die Technologieneutralität scheidet eine gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau des schnellen Internets aus.

[Update: Stellungnahme von Harald Ebner hinzugefügt]

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13 Ergänzungen

  1. Was genau sind das denn für europarechtliche Vorgaben, bzw welche Technologieneutralität ist denn gefährdet?

  2. Hoffe das Gesetz kommt
    Wie sieht es denn jetzt eigentlich mit der Netzneutralität aus ich blicke da nicht mehr durch
    Wird die jetzt auch Gesetz?

  3. Dass vom Internet grösste Gefahr ausgeht ist mittlerweile common sense. Warum soll man nun dieses Gefährdungspotential auch noch ausbauen und schneller machen? Das Geld kann man sich doch sparen.
    Mit 300baud und Akkustik-Koppler reichen völlig.

  4. Vielleicht sollte mal jeder Wähler, der irgendwann oder auch beständig an Bundes- bzw. Landtagswahlen teilgenommen hat, demnächst genau überlegen, ob er sich an diesen Wahlen überhaupt noch beteiligt!

    Denn auch die Bundesregierung hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass Wähler zur Wahl gehen!

    1. Wer Wahlen wirksam boykottieren will sollte den Weg ins Wahllokal finden.
      Warum? Die Rechnung am Wahlabend sieht dann ganz anders aus, weil die Prozente gerechnet werden ausgehend von abgegebene Stimmen = 100%.
      Eine ungültig abgegebene Stimme wird gezählt und wirkt auf das Wahlergebnis, während nicht abgegebene Stimmen völlig unberücksichtigt bleiben.

      1. Das kann man sehen bzw. halten wie man will! Fakt ist jedoch: Durch keine Wahl, egal auf welcher Ebene, hat sich jemals etwas für die Menschen zum positiven geändert! Politiker, angehörig egal welcher Partei, werden entweder gegangen oder sie haben zu funktionieren!

        Und in der BRD, die von Amerikanern und Briten gleichzeitig noch besetzt gehalten werden, würde ich als Wähler diese Zustände ja regelrecht noch unterstützen bzw. diesen Zustand für korrekt erklären!

        Wie naiv sind Bürger der BRD mittlerweile eigentlich?

        Sorry, Sie sind doch nicht etwas so naiv und glauben, dass Sie in einer Demokratie geschweige denn in einem Rechtsstaat leben?

        Gehen Sie doch mal zurück zum Anfang und schauen sich die Wahlkampfversprechen der einzelnen Parteien wie SPD, CDU/CSU und FDP an, und vergleichen Sie diese z. B. mit den heutigen Wahlkampfparolen! Kein Wahlversprechen wurde jemals erfüllt! Also, warum sind so naiv und wollen suggerieren, dass man, um etwas ändern zu wollen, ins Wahllokal gehen muss!

        Hier in der BRD wird bei den Wahlen ebenso getrickst, getäuscht und betrogen, ähnlich wie in der DDR!

        Nur eine Enthaltung rüttelt Politiker wach! Denn selbst die größten Schurken, die Wahlen abhalten lassen, wollen durch Wahlen glaubhauft suggerieren lassen, dass sie mehrheitlich von der Bevölkerung legitimiert sind!

      2. @Simon
        Danke für den Link!
        Eine symbolische Botschaft wäre: „Ich hab ja wählen wollen, aber es hat mich nichts überzeugt.“

    2. Das wäre natürlich ein schöner Medienhype, wenn bei einer Wahl auf einmal ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr teilnehmen würde.
      Unser Wahlrecht kennt da aber keine Schranken, also rechtlich wäre so eine Wahl genauso gültig wie jede andere auch.

  5. vielleicht zwei kurze Sachen:
    1) Egal, was irgendeine lokalausbaukommision der CDU findet, entschieden wir das ganze immer noch an der Stelle, wo dann auch Gesetze gemacht werden. Ich denke, wenn der Markt (optimistisch) ermöglicht hat, überall einen Breitbandanschluß zu haben, dann wird auch der Rechtsanspruch spruchreif.
    2) Tatsächlich kann man nicht so einfach einen Rechtsanspruch auf Breitband ansetzen, weil man zur Durchsetzung dann wiederum Universaldienstleister heranziehen müsste und da werden dann einige in Deckung gehen und sich nicht direkt freiwillig melden
    3) Wer sich ein bisschen mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung befasst, stellt dann auch schnell fest, das Infrastrukturangebote irgendwie doch wieder marktwirtschaflich aufschlagen, da die Kommunalen träger (für Infrastruktur) schlicht überlastet sind.

    Fazit: Rechtanspruch ist ja ganz nett, faktisch ist man dann beim Ausbau nicht weiter als heute.

  6. Wie wäre es dann parallel dazu mit einer gesetzlich verordneten Mindestgeschwindigkeit für Mobilfunkkunden unabhängig des gewählten Tarifes? Schließlich hat ja jeder Anspruch auf kulturelle Teilhabe und Informationsbeschaffung. Das geht aber mit Geschwindigkeiten von 0 bis ca 8 kbps nicht wirklich.
    Ausserdem sollte direkt zum Rechtsanspruch für schnelles Internet ein Rechtsanspruch auf Strom gegeben sein!

  7. Wir leben in einer Welt, in der selbst für Flüchtlinge auf der Route als erstes Internet und W-Lan eingerichtet wird ( siehe Idomeni stand 7.3.16 -hr berichtete!). Ist ja schön und gut…. Und dann kann im Jahr 2016 im schönen Hessenland mir kein neuer Anschluß gewährt werden weil die Telekom einfach keine Ports hat! Und dann will mir einer was vom Recht auf Breitband erzählen…ja wo denn? „Schaffen wir das“ auch?
    Ständig hört man, dass das Landleben ausstirbt und niemand mehr aufs Land zieht. Da wagt man es als junge Familie und dann kommt da die bittere Ernüchterung!

    DARUM ZIEHT KEINE SAU AUFS LAND! DAS IST ERBÄRMLICH! SCHÄMT EUCH!!!Q!!

  8. Schnelles Internet hin und her, bei mir funktioniert noch nicht einmal LTE vernünftig. Ich wohne ländlich und es gibt als Anbieter nur die Telekom. DSL MIT 1MB/s Oder LTE Mit Bis zu 16MB/s
    Die Realität zeigt jedoch LTE im Durchschnitt ca. 2-3 MB/s . Aber auch nur wenn man Glück hat.
    Oftmals gar keine Verbindung. Und die Telekom kümmert sich nicht. Erst mal Vertäge abschließen und abkassieren. Habe jede Menge Geld für eine vernünftige Empfangsantenne ausgegeben, jedoch keine vernünftiger Empfang möglich. Telekom läßt sich immer neue Ausreden einfallen, ändern tut sich aber nix. Werde wohl in Zukunft ganz aufs Internet verzichten. Glasfserausbau ist bei uns auch nicht vorgesehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.