Bundesregierung gibt Selektorenbeauftragten per dpa bekannt (Update)

Zeuge Hans Josef Vorbeck vor Beginn der Anhörung.

Die Bundesregierung hat über die dpa bekannt gegeben, dass sie einen „Selektorenbeauftragten“ schaffen will:

Die Bundesregierung will einen Ermittlungsbeauftragten zur Einsicht in die geheime Liste mit Ausspähzielen des US-Geheimdienstes NSA einsetzen. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine entsprechende hochrangige Person etwa aus dem Justizbereich benennen und mit einem Fragenkatalog ausstatten.

Teile des Parlaments sind not amused über ihre Entmachtung als kontrollierendes Organ.

Martina Renner, Obfrau der Linken, erklärte via Twitter:

„Egal was nun kommt wir werden uns nicht von Bundesregierung vorschreiben lassen, wie #NSAUA seine Arbeit macht & unsere Rechte nicht abgeben“.

Christian Flisek, Obmann der SPD, erklärte laut Spiegel-Online, dass er gerne da noch mitreden würde:

Zugleich betonte Flisek, dass ein solcher Ermittlungsbeauftragter nur unter Bedingungen arbeiten dürfe. „Der NSA-Untersuchungsausschuss muss die Person bestimmen. Er sollte das Vertrauen aller Fraktionen im Untersuchungsausschuss genießen. Und wir bestimmen, was der Beauftragte untersuchen soll“, sagte Flisek weiter.

Konstantin von Notz, Obmann der Grünen, will zum Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn die Bundesregierung das so machen will, denn:

„Dieser Kompromiss ist armselig“, sagte er SPIEGEL ONLINE. „Die parlamentarische Kontrolle wird von gewählten Abgeordneten ausgeübt. Jetzt werden unsere Rechte fundamental beschnitten.“ Einen Sonderbeauftragten, der anstelle des Gremiums Einblick in die streng geheimen Akten bekomme, bezeichnete er als „milden Merkel-Puffer. Das ist illegitim und nicht akzeptabel.“

Christian Ströbele, Grüne, meldete sich per Pressemitteilung zu Wort:

Solche abenteuerliche Konstruktion soll durchsichtig nur vermeiden, dem PUA als solchem gemäß dessen Beweisbeschluss die NSA-Selektorenlisten vorzulegen. Außerdem soll so umgangen werden, dass der PUA als Auftraggeber einen „eigenen“ förmlichen Ermittlungsbeauftragten zur Sichtung der Listen einsetzt; denn dessen gesichtetes Material müßte nach dem Gesetz auch allen Ausschuss-Mitgliedern zugänglich sein. Darauf beharren wir Grünen und behalten uns andernfalls eine Verfassungsklage vor. Ich befürchte, dass alle Koalitionsabgeordneten, auch die jetzt noch völlig überrascht tun – diesem mit ihnen abgekarteten Spiel der Bundesregierung zustimmen, ungeachtet der Ansprüche an einen Parlamentarier.

Möglicherweise wird die heutige Sitzung des Geheimdienst-Untersuchungsausschuss mit zwei Verhören deswegen unterbrochen

. Und sofort danach kam die Unterbrechung, wie unser Liveblog von vor Ort berichtet. Wir sind gespannt, was der NSAUA daraus macht.

Update: Phoenix hat Reaktionen der Opposition.

In diesem Fenster soll ein YouTube-Video wiedergegeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an YouTube. Wir verhindern mit dem WordPress-Plugin "Embed Privacy" einen Datenabfluss an YouTube solange, bis ein aktiver Klick auf diesen Hinweis erfolgt. Technisch gesehen wird das Video von YouTube erst nach dem Klick eingebunden. YouTube betrachtet Deinen Klick als Einwilligung, dass das Unternehmen auf dem von Dir verwendeten Endgerät Cookies setzt und andere Tracking-Technologien anwendet, die auch einer Analyse des Nutzungsverhaltens zu Marktforschungs- und Marketing-Zwecken dienen.

Zur Datenschutzerklärung von YouTube/Google

Zur Datenschutzerklärung von netzpolitik.org

Nochmal Update: Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung in einem als „geheim“ eingestuften Dokument übermittelt. Das scheint ein gezieltes Manöver zu sein, wie Thorsten Denkler bei SZ.de schreibt:

Beide kündigten Klage gegen die Entscheidung der Bundesregierung an. Allerdings sind die Unterlagen als geheim eingestuft. Renner wertet das als Versuch der Bundesregierung, der Opposition den Rechtsweg abzuschneiden. Solange die Anwälte von Linken und Grünen keine Sicherheitseinstufung haben, dürfen sie das Papier nicht einsehen. Solche Einstufungsverfahren sind allerdings zeitaufwändig – was eine Klagevorbereitung im Grunde unmöglich macht.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

15 Ergänzungen

  1. Der Ermittlungsbeauftragte hat doch eh nur die gleichen Befugnisse wie die Abgeordneten im NSA-UA.
    Also gibts doch gar keinen Grund da Panik zu schieben.

    1. Falsch, er hätte gleichen Befugnisse wenn der UA ist bestimmen würde. Wenn die Bundesregierung den bestimmt, und er nichts sagen darf, dann werden dem UA Rechte entzogen. Verfassungsbruch! Mal wieder.

    2. Ist mal die Frage, ob er alles auf den Tisch legt, oder Hinweise auf Firmen, Institutionen und Einzelpersonen verschweigt. So, wie ich es verstehe, wird er ja eben nicht die Selektorenliste vorlegen, sondern nur eher „schwammig“ Stellung beziehen. Und ob er verpflichtet ist, die Wahrheit zu sagen…keine Ahnung. Er könnte ja durchaus bestimmte Selektoren unterschlagen. Korrigiert mich, falls ich da falsch liege.

  2. Das wird spannend.

    Während die SPD-Ausschussmitglieder wahrscheinlich dem Ansinnen der Bundesregierung entsprechen werden, erwägt die Opposition aus GRÜNEN und DIE LINKE eine Verfassungsklage. Das wird garantiert zu Verstimmungen innerhalb des Ausschusses beitragen.

  3. Einsehen darf die Liste nur ein sogenannter Sonderermittler…also der einzige im Land der vertrauenswürdig ist……, NEIN HALT! ….hab ich doch ganz vergessen, etliche BND Sachbearbeiter die täglich mit den Listen arbeiten dürfen das auch, genauso die Vorgesetzten bis hoch zu Schindler, vielleicht auch noch die Systemadministratoren.

    Volksvertreter, Mitglieder des Untersuchungsausschusses und Mitglieder des parlamentarischen Kontrollgremiums genügen den hohen Anforderungen natürlich nicht. Man kann doch nicht die Sicherheit unseres Landes gefährden und den guten Kontakt in die USA.

    Stellt sich die Frage welche Rückmeldung der Sonderermittler dem Ausschuss geben wird. Er kann ja schlecht über so hoch geheime Informationen (es handelt sich um einen sehr kleinen Ausschnitt aller Selektoren) offen berichten…dann haben wir ja wieder das Problem mit den Amerikanern und der Sicherheit und man hat nichts gewonnen. Der Aufschrei geht schon wieder los.

    Also wird am Ende so etwas herauskommen wie „Unter bestimmten Voraussetzungen könnte man einzelne Selektoren als problematisch erachten, es gibt aber keine gerichtsfesten Beweise welche Informationen gewonnen wurden und ob sie zum Nachteil der Bundesrepublik genutzt wurden“

  4. Pipi Langstrumpf Regierung: macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Es darf nicht so weiter gehen!

  5. Ich musste schon ein wenig lachen, als ich den Kommentar vom SPD Obmann gelesen habe. Mir schossen da zwei Gedanken durch den Kopf:
    1. Ist die SPD nicht in der Regierung?
    2. Da wird schon wieder die nächste Umfall-Aktion der SPD vorbereitet. Diese ständige Umfallen ist glaube ich die SPD Version eines Flashmobs. Anders kann ich mir das nicht mehr erklären.

  6. „Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) sagte, nach Angaben der Bundesregierung werde es von den USA in absehbarer Zeit keine Zustimmung geben, dass das Parlament die Selektorenlisten einsehen darf.“

    Das Parlament braucht KEINE Zustimmung der USA.

    AFP/Zeit Online 18.5.2015:

    “Deutschland ist nach einer Bewertung des Auswärtigen Amts völkerrechtlich nicht zur Geheimhaltung der Selektoren-Liste verpflichtet – auch dann nicht, wenn die USA ihre Zustimmung zur Weitergabe an die zuständigen Bundestags-Gremien verweigern. Das Völkerrecht halte “auch in diesem speziellen Fall leider kein Ergebnis bereit, dass eine politische Entscheidung in dieser Frage ersetzen könnte”, sagte der Sprecher des Auswärtiges Amts am Montag in Berlin. Dies sei das Ergebnis einer vom Bundeskanzleramt angefragten Einschätzung dazu, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen sich für Deutschland aus den Abkommen mit den USA zur nachrichtendienstlichen Kooperation ergeben.”

    SPON 13.6.2015:

    “Ein Gutachten des Bundestags stützt nach SPIEGEL-Informationen Lammerts Position. Demnach wäre es rechtswidrig, die sogenannten NSA-Selektoren einem Ermittlungsbeauftragten, nicht aber dem NSA-Untersuchungsausschuss vorzulegen. Zu diesem Schluss kommt eine 15-seitige Analyse der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Es sei rechtlich unzulässig, einen Ermittlungsbeauftragten Akten sichten zu lassen und sie gleichzeitig einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verweigern, schreiben die Gutachter. Das gelte auch für geheimhaltungsbedürftige Akten. Ein Ermittlungsbeauftragter sei lediglich Hilfsperson des Parlaments – eine solche Hilfsperson könne nicht mehr Rechte haben als der Ausschuss selbst.”

    https://machtelite.wordpress.com/2015/06/10/historiker-foschepoth-erklart-wie-die-usa-die-geheime-uberwachung-im-deutschen-recht-verankerten/

  7. Was macht eigentlich der sogenannte „Verfassungsschutz“ wenn man ihn mal braucht oder sind die zu beschaeftigt rechte und linke Extremisten im Auge zu behalten und wechselseitig zu finanzieren damit die Arbeit nicht alle wird?

    Und wer um alles in der Welt soll der Sonderbeauftragte sein der sowohl technische als auch rechtliche Kenntnisse mitbringt, von allen Parteien akzeptiert ist und zudem noch soviel Vertrauen in der Bevoelkerung besitzt das er in der Lage ist die Wogen zu glaetten?

    So langsam wuerde ich mir auch echt mal ein kleines Statement unseres Staatsoberhauptes zur Lage wuenschen. Aber vielleicht sieht man ihn auch nicht als vertrauenswuerdig genug an.

  8. „Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung in einem als „geheim„ eingestuften Dokument übermittelt.“
    M.E. Fehler von Dr. Sensburg. Er hätte dieses Dokument von Anfang an zurückweisen müssen. Es dürfte wohl schon rechtlich nicht haltbar sein, dass eine Bundesregierung einem vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschuss geheimzuhaltende Massgaben über den Untersuchungsgegenstand auferlegt. Damit wäre im Grunde der Untersuchungsausschuss geplatzt.
    Hoffentlich hat Dr. Senburg die Traute, sich gegen die Regierung zu stellen.
    Das Herumgewinde von SPD (Flisek) ist mittlerweile nur noch peinlich. Allem aus dem Wege gehen, um ja nicht die Koalition und damit den Machterhalt in Gefahr zu bringen.

  9. Humoristischer Kommentar am Rande……

    wenn der Untersuchungsausschuss die Person benennen darf wäre es interessant zu wissen ob dafür irgendwelche Restriktionen geltend gemacht wurden (Spass beiseite wenn es solche gibt wuerde ich diese gerne erfahren).

    Falls nicht könnte man sich ja wenn die Entscheidung dem Untersuchungsausschuss völlig frei gestellt ist innerhalb des Gremiums auf Edward Snowden oder Julian Assange einigen und den Kandidaten waehrend der Dauer der Untersuchung unter Immunitaet stellen. Nicht das ich glaube das die beiden für den eigentlichen Zweck perfekt geeignet sind….da faellt mir niemand ein…. aber der dadurch entstehende Aufruhr und die Fotos der entgeisterten Zuschauer bei der flux organisierten Konfetti Parade auf dem Weg ins Kanzleramt waeren es mir wert!

    Humor Ende….. wird leider nicht so ablaufen…..hoffen wir das beste

    1. Und wie bei Spiegel schon dargestellt…nix mit freier Entscheidung….gesucht wird eine willige Marionette die sich nicht zu schade ist….

  10. Ist das Dokument, aus dem der Spiegel hier zitiert, die eingestufte Entscheidung?

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/geheimdienst-affaere-kanzleramt-schliesst-listen-einsicht-aus-a-1039323.html

    ohne einen völkervertragsrechtlichen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland

    Ich frage mich, was das für ein Vertrag sein soll. Denn wenn der eine Kontrolle der Geheimdienste verhindert, ist der doch unter Garantie verfassungswidrig.

    Wie auch immer, das ist dann wohl der Showdown. Die Parlamentarier und noch besser die Öffentlichkeit müssen die Selektorenlisten in Augenschein nehmen, damit die Beziehung zu den US-Diensten maximalen Schaden nimmt.

  11. Diese de-facto-Aushebelung der Parlamentarischen Demokratie ist ein historischer Vorgang, der vorläufige Höhepunkt einer fast 15jährigen Entwicklung, und über allem schwebt und droht und rechtfertigt u.a. der 9. September (oder seit geraumer Zeit wieder: der Russe). Genau so habe ich es in Geschichte gelernt.

    Entweder geht es jetzt mit Schwung den Bach hinunter oder der widerstandserprobte deutsche Mutbürger lehnt sich entschieden auf, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Glück auf.

  12. Zur Ehre und Aufrichtigkeit der stolzen Arbeiterpartei sei erinnert:

    Gabriel drängt auf die Offenlegung der Liste, egal, was die Amerikaner sagen. Die Bundesregierung müsse „Rückgrat zeigen“, sagte der SPD-Chef der „Bild am Sonntag“. „Wir sind weder unmündig noch Befehlsempfänger.“ Damit zielte er auf die Kanzlerin, die vor einer Entscheidung erst die Stellungnahme der US-Regierung abwarten will. Noch schrillere Töne schlug Gabriels Generalsekretärin an. „Wir dürfen uns nicht zum Vasallen der USA machen“, warnte Yasmin Fahimi im „Tagesspiegel“.

    Bekanntlich haben die wirbellosen in der SPD heute zu einer „anderen Sprachregelung“ gefunden.

    Wenn wundert’s noch nach dem verordneten Meinungs-Rückruf von Heiko Maas?

    Das System SPD erzeugt erstmal publikumswirksame Sprüche, die später in der Sache zurückgenommen werden. Was fällt einem dazu noch ein? Nichts?
    Oh doch: „Wer hat uns verraten?“ Auch dieses Mal waren es die Sozialdemokraten!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.