Brasilien: Whatsapp für 48 Stunden blockiert [Update]

CC BY-NC-ND 2.0 by SimonQ錫濛譙

Seit gestern Abend, 23:30, ist der Nachrichtendienst Whatsapp in Brasilien blockiert. Ein Gericht in São Bernardo do Campo hatte die Blockade kurzfristig für 48 Stunden angeordnet, weil WhatsApp in einem Strafverfahren nicht kooperiert hatte. Am Mittwoch Abend wurden die Telefongesellschaften durch das Gericht zur Sperrung aufgefordert. Whatsapp soll auf einen Gerichtsbeschluss vom 23. Juli nicht reagiert haben, woraufhin am 7. August die Blockade angedroht worden war. Da auch hierauf nicht reagiert wurde, sei nun die Sperrung verfügt worden.

Im Februar war bereits eine landesweite Blockade von einer Berufungsinstanz zurückgewiesen worden, es ging dabei laut Medienberichten um die Herausgabe von Daten an die Polizei im Zusammenhang mit einem Pädophilie-Fall. Laut Band News geht es im aktuellen Fall um einen Drogenhändler, der mit einer der größten und gefährlichsten Banden São Paulos verwickelt sein soll, und über Whatsapp kommuniziert hat. Das Gericht hat keine Details zum Fall bekanntgegeben.

Brasilianische Telekommunikationsunternehmen werfen Whatsapp vor, ein „pirate service“ zu sein und zudem illegal, weil es nicht denselben Regulierungen unterliegt wie sie. Sie betreiben seit Monaten Lobbyarbeit für eine stärkere Regulierung des Nachrichtendienstes, der Geschäftsführer von Telefônica Vivo (ein Tochterunternehmen von Telefónica), Amos Genish, erklärte Whatsapp im August diesen Jahres sogar den Krieg. Auch europäische Netzbetreiber drängen darauf, das „Ungleichgewicht zwischen Netzbetreibern und Internetfirmen“ zu beenden.

Brasilien gilt als eines der Länder mit den weltweit meisten Nutzer_innen des Dienstes, 93 Prozent der Internetnutzer_innen kommunizieren über Whatsapp. Sie können den Messenger während der Blockade weiterhin mithilfe von Virtual Private Networks nutzen. Mehr als eine Million Menschen sollen zudem bereits auf die App Telegram ausgewichen sein, wie deren Betreiber auf Twitter mitteilte.

Jan Koum, einer der Gründer von WhatsApp, schrieb zu der Sperrung auf Facebook:

We are disappointed in the short-sighted decision to cut off access to WhatsApp, a communication tool that so many Brazilians have come to depend on, and sad to see Brazil isolate itself from the rest of the world.

Update

Die Sperrung, die bis heute andauern sollte, wurde gestern von einem Gericht in São Paulo aufgehoben. Der Richter, Xavier de Souza, bezeichnete die Maßnahme als unangemessen – eine Geldstrafe sei angebrachter. Die Blockade dauerte insgesamt etwa 14 Stunden an.

Ein Sprecher von Whatsapp verkündete, dass ihnen die geforderten Daten gar nicht vorliegen. Es sei „enttäuschend, dass ein Richter mehr als 100 Millionen Menschen in Brasilien bestraft für nicht gelieferte Informationen, die Whatsapp nicht hat“. Auch Nutzer_innen in Argentinien und Chile sollen von der Sperrung betroffen gewesen sein.

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7 Ergänzungen

  1. Immer sinnvoll auf einen single-point-of-failure-Diensteanbieter zu setzen. Hurra, zentralisiertes Whatsapp statt dezentralisiertem Messaging etwa via XMPP!

  2. Anstelle von Facebook würde ich Whats App über TOR oder I2P laufen lassen, dann gäbe es keine zentralen Domains oder IP Adressen mehr die man sperren könnte. Bei einer Chat Anwendung dürfte der Traffic ja zudem kaum so groß sein das man das nicht über TOR/I2P abwickeln könnte.

    1. Du willst dein Adressbuch, Privatgespräche und täglichen Aktivitäten also per Tor auf die Facebook-Server laden: :o)

      Versuch’s lieber mit Überzeugungsarbeit bei deinen Freunden und kurzfristig angekündigtem Abmelden von Facebook-Firmen. Nur wenigen sind Freunde nicht wichtig genug, um da mitzugehen.

  3. zitat:
    “ Bei einer Chat Anwendung dürfte der Traffic ja zudem kaum so groß sein das man das nicht über TOR/I2P abwickeln könnte.“

    sehe ich was das tor netzwerk betrifft genauso, da es immer mehr user/Innen gibt die die linux distri tails ( https://tails.boum.org/index.de.html ) dazu nutzen um sperren e. g. youtube zu umgehen.

    ich denke das problem betrifft eher den hauptsitz der firma und das diese „sichere“ art der kommunikation nicht gewünscht ist.

    Dear.

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