Berliner Berufskammern gegen Vorratsdatenspeicherung

Liste der unterstützenden Berliner Berufskammern.

Eine ganz Reihe an Berliner Kammern protestiert gegen die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. In einer gemeinsamen Erklärung mit den Berliner Berufskammern und anderen berufsständischen Vereinigungen kritisiert der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger e. V. speziell den mangelnden Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Der an die Abgeordneten des Bundestages adressierte Brief appelliert an diese, dem Gesetz nicht zuzustimmen und „insbesondere die geplante Speicherung der Verkehrs- sowie Standortdaten aller Berufsgeheimnisträger“ zu verhindern.

Unabhängig von einer Verwertung stellt bereits die Speicherung der Daten eine nicht zu akzeptierende Beeinträchtigung des Berufsgeheimnisses und damit des zwingend erforderlichen Vertrauensverhältnisses dar. Die Speicherung der Daten ermöglicht z.B. die Erstellung aussagekräftiger individueller Persönlichkeits- und Bewegungsprofile und die Aufdeckung von Entscheidungsabläufen. Ob, wann oder wie lange jemand z.B. mit einem Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt oder Steuerberater Kontakt aufgenommen oder sich in dessen Praxis aufgehalten hat, unterliegt bereits dem Berufsgeheimnis und muss ohne jede Ausnahme vertraulich bleiben. Zudem entsteht bereits durch das Bewusstsein über eine Speicherung der Kontaktaufnahme das Gefühl von staatlicher Überwachung und Kontrolle, das dazu führen kann, dass der oder die Betroffene eine Kontaktaufnahme unterlässt. Der freie, ungehinderte und vertrauliche Zugang zu medizinischer Versorgung, rechtlicher und wirtschaftlicher Beratung sowie Vertretung muss jedoch uneingeschränkt gewährleistet bleiben. Die Gewährleistung eines ungestörten und vor staatlicher Kontrolle geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen den Berufsgeheimnisträgern und ihren Patientinnen und Mandantlnnen ist essentiell für ein funktionierendes Gesundheitssystem und eine funktionierende Rechtspflege.

Darüber hinaus möge der Gesetzgeber bedenken, dass 2014 der Europäische Gerichtshof in der Vorratsdatenspeicherung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Charta der Grundrechte der EU gesehen hat, „wenn sie keine Ausnahme von der Speicherpflicht für Personen vorsieht, deren Kommunikation dem Berufsgeheimnis unterliegen.“

Auch die EU-Kommission äußerte in ihrer ersten Stellungnahme Bedenken daran, warum Berufsgeheimnisträger nicht wie Behörden oder Institutionen behandelt werden, die sich „in einer vergleichbaren Situation befinden“ und deren Daten gar nicht erst gespeichert werden. Zudem sei unklar, wie solche Daten „wirksam vor dem Risiko des Missbrauchs und vor rechtswidrigem Zugriff auf die Daten und deren Nutzung geschützt werden.“

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12 Ergänzungen

  1. Von diesen „Kammern“ hab ich noch nie viel gehalten. Daher möchte ich mich bei selbigen herzlich dafür bedanken, diese meine Vorurteile weiter zu stärken, indem man nunmehr klar macht, daß man mit der Bespitzelung aller „anderen“, die also nicht unter dem Schwamm „Berufsgeheimnisträger“ passen, keine ernsten Probleme hätte.

    1. Das war genau mein erster Gedanke.
      Frei nach dem Motto „Scheiss auf die normalen Bürger, is‘ eh nur Pöbel“!

      1. Aber sonst geht’s noch gut, ja?
        Ärzte z.B. legen Patientenakten ja nicht zum eigenen Vergnügen an – das sind *UNSERE intimsten Dinge*, die da z.B. zwischen Arztpraxis und Abrechnungsstellen hin- und hergeschickt werden. Psychatrische Erkrankungen, STIs, Diagnosen nach dem GenDG, usw.

        Wenigstens ergreifen die Berliner mal die Initiative. Im Rest der Republik herrscht ja das Schweigen im Walde.

    2. Ist schon was dran, manchmal hat man auch bei Journalisten den Eindruck „wenn ich als Journalist ausgenommen werde, dann ist VDS gar nicht mehr so schlimm“. Es stellt sich natürlich auch die Frage ob es verfassungsrechtlich gewünscht ist, dass bestimmte Gruppen der Gesellschaft (Ärzte, Anwälte, Geistliche usw.) Verbrechen – z.B. Vergewaltigung – begehen dürfen, ohne mit Strafe rechnen zu müssen, weil deren VDS-Daten nicht verwendet werden dürfen.

      1. Das würde voraussetzen, daß eine VDS zur Verbrechensbekämpfung und -Ahndung tauglich wäre.
        Also immer, wenn ich Verbrechen begehe, dann lass ich das Telefon zu hause und mit meinen zufälligen Vergewaltigungsopfern verabrede ich mich nicht vorher per Mail. Die Waffen- und Drogendeals mach ich nur im Wald unter vier Augen und die richtig dicken Dinger unter karibischer Sonne am Strand.
        Meinste, daß die Berufsgeheimnisträger da ungeschickter vorgehen?

      2. Na, wenn die VDS nix bringt, dann braucht man sie ja auch nicht. Hm, aber dann hätten ja diese ganzen Polizeigewerkschaftsfunktionäre gelogen und die Polizei ist gar nicht blind ohne VDS …

      3. Nein! Doch! Ohhhh!
        Wobei ich zu deinem letzten Satz noch hinzufügen möchte, daß die VDS eher keinen Einfluß auf etwaige Blindheiten der Polizei haben dürfte. Einem Blinden ist die grellste Stadionbeleuchtung …

    3. Den Absatz in der Erklärung zur gesonderten Behandlung von Anschlüssen lese ich als (unglücklichen) Kompromissvorschlag an die Regierung. Das sie mit dieser Initiative auch ihre Mandanten und Patienten (sprich „alle anderen“) schützen wollen ist im Text erwähnt. Man sollte den Kammern daher für diese Erklärung eher dankbar sein. Je mehr VDS-Gegner, desto besser.

  2. Ich find’s okay, schließlich können die Kammern nur Stellvertretend für ihre Mitglieder sprechen- und bei denen wird kaum ein allgemeinpolitischer Entschluss gegen VDS zu haben sein. Besser so als gar nicht.

    1. Meinste, daß diese Kammermitglieder nur als solche existieren, also ohne jedes Leben daneben, ohne Verwandte und Bekannte ohne Berufsgeheimnis und ganz ohne jede Empathie?
      Ich habe ja das große Glück, auch einer Kammer anzugehören. Zumindest darf ich die mitfinanzieren. Im Gegenzug hat mich der freundliche Laden noch nie spüren lassen, sich sonderlich um meine Belange zu sorgen.

  3. Ich habe das gleiche Problem damit,
    dass es ja im Prinzip wohl kein Problem ist, uns Bürger zu überwachen,
    solange bestimmte Stände davon ausgenommen sind.
    Das kann es ja nicht sein.
    Alle Menschen (sollen) haben doch die gleichen Rechte ;-).
    Soll meine Freiheit geopfert werden,
    damit ein Journalist frei sein kann?
    … oder habe ich das die ganze Zeit etwas falsch verstanden?

  4. Eher wird/würde es wohl so laufen, daß der „Herr …-Kammer“ eines Tages erstaunt feststellen muß, daß er bespitzelt wurde. Auf Nachfrage bei den vertrauten Freunden der Weststasi wird ihm dann erklärt, daß er doch nur Beifang war, weil doch der Eierdieb Hoerst-Rüdiger bespitzelt wurde und man ja nun gar nichts dafür könne, wenn der „Herr …-Kammer“ sich mit solch subversiven Objekten (auch wenns Teil seines Berufes wäre) abgeben würde.

    Also damit konnte ja nun niemand rechnen! wird er jammern und dem im Brunnen liegenden Kind traurig hinterher sehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.