Beißreflex Vorratsdatenspeicherung

Verbindungsdaten sind noch aussagekräftiger als Kommunikations-Inhalte.

Nach den Attentaten in Kopenhagen drängt sich der Eindruck auf, dass mal wieder der Täter bereits vorher behördlich bekannt war. Das hält natürlich notorische Überzeugungstäter und Innenpolitiker nicht davon ab, anlässlich eines Attentats die Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Diesmal entblödet sich der CSU-Generalsekretär Dr. Andreas Scheuer nicht, diese Forderung anzubringen.

Zum Realitätsabgleich hier daher eine kleine, chronologische Zusammenstellung von politischen Reaktionen und jeweils vorhandenen Ermittlungserkenntnissen zu Anschlägen in der westlichen Welt der letzten Jahre: Die Auswahl gilt exemplarisch und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Zeiten in MEZ.

Aufdeckung der „Zwickauer Terrorzelle“ (NSU)

4. Nov. 2011, 9:30 Uhr

19. Nov. 2011, 8:59 Uhr: Erkenntnisse über die ersten drei V-Leute des Verfassungsschutzes im Umfeld

26. Nov. 2011, 14:38 Uhr: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), unbeirrt: „Vorratsdatenspeicherung“

Später wird sich die „Zwickauer Terrorzelle“ als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) entpuppen, der sehr gut und auch auf fragwürdige Weise Sicherheitsbehörden, allen voran Stellen des Verfassungsschutzes, bekannt gewesen ist.

Anschläge in Norwegen

22. Jul. 2011, 15:25 Uhr

25. Juli 2011, 11:26 Uhr: Hans-Peter Uhl (CSU): „Vorratsdatenspeicherung“

25. Juli 2011, 19:07 Uhr: Der norwegische Geheimdienst PST wusste seit über vier Monaten von auffälligen Aktionen des Täters.

29. Nov. 2011: Sigmar Gabriel (SPD): „Vorratsdatenspeicherung“ [Ergänzung]

[Ergänzung] In Norwegen gab es zum Zeitpunkt des Anschlags zwar den Parlamentsbeschluss für eine Vorratsdatenspeicherung, aber noch keine Umsetzung (Danke, mw238).

Mutmaßlicher Bombenanschlag in Berlin vereitelt

8. Sep. 2011

8. Sep. 2011, 10:48 Uhr: Wolfgang Bosbach, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU: „Vorratsdatenspeicherung“

Der mutmaßliche Anschlagsversuch konnte jedoch offenbar auch ohne Vorratsdatenspeicherung vereitelt werden.

Bombenanschlag auf Boston-Marathon

15. Apr. 2013, 19:50 Uhr

16. Apr. 2013, 13:04 Uhr: Hans-Peter Uhl (CSU): „Vorratsdatenspeicherung“

25. Apr. 2013: Ein Tatverdächtiger war seit 18 Monaten auf der CIA-„Terroristenliste“ TIDE.

Anschlag auf Charlie Hebdo, Paris

7. Jan. 2015, 11:30 Uhr

8. Jan. 2015, 15:57 Uhr: Innen- und Rechtsexperten der CSU-Bundestagsgruppe, u. a. Hans-Peter Uhl: „Vorratsdatenspeicherung“

9. Jan. 2015, 2:04 Uhr: Französischer Innenminister: Beide Täter wurden vorher überwacht

9. Jan. 2015, 8:45 Uhr: NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), unbeirrt: „Vorratsdatenspeicherung“

9. Jan. 2015, 10:25 Uhr: Die Täter standen in CIA-„Terroristenliste“ TIDE und auf US-No-Fly-Listen. Laut Medienberichten war bekannt, dass einer in einem Ausbildungslager von al-Qaida war.

9. Jan. 2015, 10:43 Uhr: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), unbeirrt: „Vorratsdatenspeicherung“

9. Jan. 2015, 16:02 Uhr: Der algerische Geheimdienst gab am Tag vor dem Anschlag eine akute Warnung.

9. Jan. 2015, 16:18 Uhr: Das Vereinte Königreich hat beide Täter „seit einiger Zeit“ auf ihrer „Terroristen“-Liste.

12. Jan. 2015, ca. 22:30 Uhr: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), unbeirrt: „Vorratsdatenspeicherung“

15. Jan. 2015, 9:34 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), unbeirrt: „Mindestspeicherfristen“ (Neusprech für „Vorratsdatenspeicherung“)

In Frankreich gab es zum Zeitpunkt des Anschlags eine Vorratsdatenspeicherung.

Anschläge von Kopenhagen

14. Feb. 2015, 15:33 Uhr

15. Feb. 2015, 15:04 Uhr: CSU-Generalsekretär Dr. Andreas Scheuer: „Vorratsdatenspeicherung“

15. Feb. 2015, 17:08 Uhr: Chef des dänischen Inlandsgeheimdienst PET: Täter war zuvor bekannt

Es gibt seit Juni 2014 in Dänemark keine Vorratsdatenspeicherung mehr. Korrektur: Die Dänische Regierung kündigte im Juni 2014 an ihre Vorratsdatenspeicherung zu beenden, bezog dies aber nur auf nationale Maßnahmen, welche weiter gingen als die EU-Richtlinie forderte und hat die Vorratsdatenspeicherung beibehalten.

In Reaktion auf einen Anschlag argumentieren Innenpolitiker also auch dann noch für die Vorratsdatenspeicherung, wenn sich bereits herausstellte, dass die Täter im Vorfeld von Sicherheitsbehörden überwacht wurden oder ihnen zumindest bekannt geworden sind – oder sie warten schlichtweg erste Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden respektive der Medien nicht ab.

Die Forderung nach der Totalprotokollierung der Kommunikationsrahmendaten aller Bürger wirkt in diesen Situationen angesichts der Verfügbarkeit des äußerst weitreichenden Ermittlungsinstruments der Telekommunikationsüberwachungs-Verordnung (TKÜV) doch eher unangebracht. Diese ermöglicht es der Polizei und den Geheimdiensten hierzulande bereits seit 2002, eine vollständige Kopie der Telekommunikation bei Verdacht auf schwere Straftaten einzuholen. Im Jahr 2013 gab es in Deutschland 22.917 TKÜV-Anordnungen (Statistik (pdf)).

Innenpolitiker scheinen die Nutzung dieser Maßnahme vermehrt zu ignorieren und fordern – wie seitens der CSU und SPD im Fall Charlie Hebdo – hierzulande die Vorratsdatenspeicherung sogar auch, wenn diese im betroffenen Land existierte und wenn Hinweise anderweitig vorlagen. In den betrachteten Fällen lagen Erkenntnisse zu den Tätern oft weit im Vorfeld vor. Gelegentlich gab es Hinweise von ausländischen Behörden. Häufig führten aber nicht einmal diese klassischen Erkenntnisse der Ermittlungsarbeit zu einem Erfolg.

Nüchtern betrachtet stellt sich also die Frage, ob eine Totalüberwachung nach dem Mantra „viel hilft viel“ die Ermittler nicht überfordern denn ihnen helfen würde – und ob es der hiesigen Politik in ihren Forderungen mehr an einer gefühlten denn einer wirksamen Sicherheitspolitik gelegen ist.

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39 Ergänzungen

  1. Es verdichtet sich zunehmend. Es vergeht kaum ein Tag, da wird (in Deutschland) nach der (Wieder)Einführung der Vorratsdatenspreicherung (VDS oder MSF oder oder oder) geschrien. Doch die Täter sind meist vorher bekannt und man lässt sie gewähren (Absicht!) ODER die Verfassungschutzbehörden sind zu dumm (Blödheit!), den Anschlag zu vereiteln.
    Letzteres klingt zwar nach Minority Report, aber wozu überwacht man überhaupt solche potentiellen Attentäter?

    Es wird wieder ein harter Kampf die weiß ich wievielte Wiedereinführung der VDS zu verhindern. AKZ reactivatet.

    1. Was heisst, die Täter seien bekannt?
      Meist sind das Individuen, die man eben in irgendwelchen Datenbanken zusammenspeichert, erkennungsdienstlich behandelt und sonst wie behördlich schikaniert.
      Wenn die Betroffenen dann irgendwann die Schnauze voll haben von dieser Willkürbehandlung durch den staatlichen Terror, dann ticken Einzelne irgendwann aus – und die Behörden können mal wieder mit dem Finger drauf zeigen und meinen: „Seht her, wir haben es doch schon immer gewusst!“
      Je mehr Repressalien man Menschen aussetzt, desto mehr fühlen sie sich in die Ecke gedrängt. Jeder Mensch reagiert anders darauf, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man eben nicht mehr weiter weiß. Einige begehen dann vielleicht Selbstmord oder versuchen abzuhauen… andere werden immer aggressiver und brutaler.

      Man muss sich mal ansehen, und das wäre wirklich interessant, wie sich die Gewaltspirale im Vergleich zu den immer aggressiver werdenden Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen verändert hat. Ich vermute fast, da gibt es doch einige Parallelen.

      Und letztlich: Was nutzen diese gespeicherten Daten? Was sagen die aus? Wie viele tausend bis zehntausend oder gar hunderttausend sind in solchen Datenbanken stigmatisiert? Und wie hoch ist der Anteil, bei denen tatsächlich irgendwann etwas passiert?

      Vorratsdatenspeicherung heisst Verhinderung von Meinungsfreiheit, Einschüchterung, Schüren von Angst. Sie ist unnötig wie ein Kropf, erlaubt aber eben die massive Überwachung von Bagatellen. Es gibt immer irgendwo irgendetwas, das man zur „richtigen Zeit“ gegen eine Person verwenden kann. Und das führt letztlich zu Ängsten und Verunsicherung, Vermeidungshaltung und Einschränkungen in der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Am Ende staut sich das und irgendwann muss der ganze Frust eben raus, der sich unter freien Bedingungen niemals entwickelt hätte.

      Aber mal sehen, vielleicht werden auch bei uns demnächst Menschenleben per Dohnen vernichtet.

      Die „Täter“ sind nicht vorherbestimmbar. Bei Einzeltätern ohnein nicht, es sei denn, die hauen vor der Durchführung ihres Plans noch ein Youtube-Video raus. Ansonsten hilft auch keine Vorratsdatenspeicherung. Und selbst in dem Fall hilft sie nur bedingt bis gar nicht, es sei denn, es wird jeder zu jeder Zeit und lückenlos in Echtzeit überwacht.
      Und das zeigt dann auch, was für ein Wahnsinn hinter dem Gedanken VDS & Co. stecken.

      Wir brauchen weniger Datenspeicherung und nicht mehr. Zurück dahin, dass die einzelne Person die Gewalt darüber hat, was wo gespeichert wird. Externe Zugriffe sind gesetzlich zu verbieten. Und das gilt erst recht und vor allem für staatliche Behörden.

      Dass die CSU/CDU jetzt erneut plärrt, war klar. Verfassungsfeinde bleiben eben Verfassungsfeinde. Doof nur, dass wir sie auch noch wählen, alle 4 Jahre erneut.

      Daher:
      Projekt CDU/CSU unter 5%. Jetzt.

      PS:
      Andererseits, wenn man sich die weichgespülte Politik gegen den IS so ansieht, dann fragt man sich wirklich, ob wir nur noch von Volltrotteln regiert werden. Da wird dann bedauert und Mitgefühl ausgesprochen, wenn mal wieder massenhaft Kinder vergewaltigt und Köpfe abgeschnitten werden.
      Macht jemand bei uns ein Foto von einem nackten Kind, gehts 3 Jahre in den Knast. Schneidet in Syrien jemand einem Kind den Kopf ab, dann findet man es schade. Kann aber nix dagegen tun. Wie krank ist das eigentlich? Bzw. sind da Prioritäten nicht irgendwie völlig aus dem Ruder gelaufen? Aber da gehen keine Kinderschützer auf die Barrikaden, denn das ist ja nicht deren Fachgebiet…
      Denn wer spendet schon Geld für ein vergewaltigtes oder ermordetes Kind aus Syrien?

  2. Beim Bombenattentat in Boston brauchte Uhl übrigens nicht einmal zwei Stunden für seine Forderung – schon gegen 21:00 Uhr wurde er im Rahmen der Berichterstattung von Tagesschau24 interviewt und forderte schon da „Vorratsdatenspeicherung“.

  3. genau wozu vorratsdatenspeicherung wenn die meisten eh bekannt sind und es trotzdem zu anschlägen kommt ist doch schwachsinn sollte man sich lieber darauf konzentrieren anschläge erstma zu verhindern aber das schafft ja keiner da hilft auch keine vorratsdatenspeicherung wollen alle nur unsere daten verkaufen und für werbezwecke nutzen

    1. Na du musst das doch mal so sehen. Wir haben noch nicht genügend Informationen über die Täter. Wir wissen nur das ein paar in diversen Trainingscentren waren. Wir wissen ja nicht was die in so einen Terror Trainingscenter wollten. Vielleicht wollten die ja auch dort einen Terroranschlag verüben? Terror im Terror-Trainingscenter. Oder sie wollten was für ihre Figur tun? Ein paar Graben Gefechte und zack 20kg leichter.

      Außerdem wissen wir ja noch gar nichts über die Personen direkt. Klar, den Glauben und sowas, aber wen interessiert das schon? Der Stuhlgang ist VIEEEEEEEL wichtiger. Wenn der Arme Terrorist eine Krankheit hat, das muss man dem doch sagen.

      Da wir bisher auch nur ungefähr sagen können wo sich die Entsprechenden Personen aufhalten (Anschrift Privat, Anschrift Arbeit, Anschrift Arbeit 2 (Terror Group), Anschrift HobbyVerein E.v (Wie bau ich meine eigene Bombe – kurz WbimeB). Das sind einfach zu viele Ort die man Ohne Vorratsdatenspeicherung vollkommen sinnfrei überwacht.

      Stell dir mal vor da steht die Polizei vor dessen Haustür und will den Verhaften und der Typ ist grade auf einer Geburtstagsparty von einem Freund? So mit bunten Knallern und so.

      Na schöne Scheiße. Ohne die gute Vorratsdatenspeicherung gibt es doch KEINE Möglichkeit heraus zu finden wo der jetzt nun eigentlich ist… Abgesehen von Google, Facebook, dem Internet selber…

      *Sarkasmus off*

  4. Leider überseht ihr dass deutsche Vorratsdatenspeicherung ein Qualitätsprodukt aus Deutschland ist. Daher ist per se die Wirksamkeit garantiert. Vorratsdatenspeicherung in anderen Ländern kann einfach nur mangelhaft sein, wenn sie nicht ‚Made in Germany‘ ist,.

    1. ;)

      Warum funktioniert „Geheimdienst made in Germany“ oder „Verfassungsschutz made in Germany“ dann immer nur in die Gegenrichtung der intendierten?

      1. Hmm. Vermutlich haben da mal wieder irgendwelche Berater eine Tüte amerikanische Konzepte abgeschrieben oder falsch übersetzt. Kann ich mir gar nicht andrrs vorstellen.

  5. Alles richtig, aber aufpassen. Wenn man diese Argumente bringt, kommt sofort, dass VDS aber für die Verfolgung und Aufklärung unverzichtbar sei. Nur so habe man die mutmasslichen Täter nach dem Anschlag schnell aufspüren können. Hier fehlt also die Argumentation, dass die VDS auch dafür nicht erforderlich oder zumindest unverhältnismässig ist.

    1. Frei nach dem Motto:

      Ruft der eine Geheimdienstmitarbeiter zum andere: „Ich habe den Kopf des Terror Typen in den Trümmern gefunden.“
      Antwortet der andere: „Na also, da werden sich die trauenden Familie aber freuen. Gut das wir VDS haben. Ohne die hätten wir doch NIE gewusst wo die Trümmer dieses Mal rum liegen. Hätte ja auch eine Straße weiter sein können.“

      So meinst du das doch, oder?

    2. Ich bin auch gegen die VDS. Habe aber letztens ein Gespräch mit einem Polizisten geführt, der genau das bemängelt hat. Findet ein Anschlag statt, lässt sich eben, wenn man die VDS hat, schnell herausfinden, mit wem derjenige Kontakt hatte, wo er sich aufhalten könnte,etc. Ohne VDS hat man diese Daten doch nicht, oder??

      1. Keine Sorge, schon jetzt werden die Daten lange genug gespeichert, damit sich hier umfangreiche Kommunikationsdaten von Terroristen auslesen lassen:

        https://netzpolitik.org/2012/vorratsdatenspeicherung-bundesnetzagentur-veroffentlicht-aktuelle-speicherfristen-will-diese-alleine-regulieren/

        Sie sollten sich jedoch einen Terroristen nicht als einen bräsigen Vollidioten vorstellen, der nicht in der Lage ist, sich eine anonyme Sim-Karte zu besorgen oder OTR verschlüsselte Nachrichten auszutauschen…aus dieser Perspektive ist die ganze Idee der VDS schon unsinnig genug.

      2. Laut meinen Informationen gibt es für Polizisten mit konkreten Terrorverdacht (wie z. B. bei Terroristen) die Möglichkeit, eine beantragte, richterlich abgesegnete Überwachung durchzuführen. In diesem Fall, lägen diese Informationen vor.

        Bei der VDS geht es meiner Meinung deshalb weniger darum, solche Informationen einfach nur „zu haben“, sondern Menschen einzuschüchtern, also zu manipulieren. Das kann man auch als passive Ausübung von Macht bezeichnen. Je mehr Daten von präventiv erhoben würden, desto geringer bleibt dann die Differenz zur Ausnahmeüberwachung (wie aus dem ersten Absatz). Dann hätten wir den absoluten Zustand des Generalverdachts erreicht; wie z. B. von http://www.youtube.com/watch?v=SGD2q2vewzQ&feature=channel / bzw. DuBistTerrorist.de illustriert wird.

        Die Regierung kann also jederzeit unmittelbar feststellen, wer potenziell eine ausgeprägte, oppositionelle Meinung entwickelt / hat. Durch Mittel wie z. B. der Tatprovokation lassen sich dann Kontrahenten ausschalten.

        Ich finde die Zustände, wie ich sie aus Medien über China kenne, wo bei Dokumentar-Interviews immer Mitglieder der Staatspartei anwesend sind, katastrophal und demütigend. Wollen wir wirklich, dass unsere Kinder mal unter solchen Umständen leben?

  6. @ Herr Wetterfrosch

    Was ist denn das für ein Bild über dem Artikel auf der Startseite? Sind das die Metadaten des Kopenhagener Attentäters?

  7. „Schöne“ Aufstellung. Aber Norwegen hatte zur damaligen Zeit keine Vorratsdatenspeicherung. Zwar stimmte am 15. April 2011 das norwegische Parlament für die Einführung der VDS, aber damit ist sie ja noch lange nicht umgesetzt. Gerade nicht nach gerade einmal drei Monaten. Geplant war mal, die VDS ab Januar 2015 zu starten [2][3]. Ob das wirklich passiert ist, oder sich nach dem EuGH-Urteil hier noch etwas geändert hat, kann ich gerade nicht sagen.

    [1] http://theforeigner.no/pages/news/updated-parliament-passes-data-retention-directive/)
    [2] https://www.regjeringen.no/nb/aktuelt/horing-om-kostnadsfordelingsmodell-for-d/id725272/#
    [3; Google Translate] http://translate.google.com/translate?hl=de&sl=no&tl=de&u=http%3A%2F%2Fwww.regjeringen.no%2Fnb%2Fdokumentarkiv%2Fstoltenberg-ii%2Fsd%2FNyheter-og-pressemeldinger%2Fnyheter%2F2013%2Fhoring-om-kostnadsfordelingsmodell-for-d.html%3Fid%3D725272

    1. Soweit ich mich erinnere, wurde der Fall Breivik nicht als Beispiel für die präventive Wirkung der VDS herangezogen, sondern als Beispiel für die Aufklärungs- und Ermittlungswirkung im Nachhinhein der Attentate in Norwegen. Dieses Argument ist aber gerade nicht stichhaltig, da es Norwegen – wie Du richtigerweise feststellst – damals die Vorratsdatenspeicherung noch nicht umgesetzt hatte. Breivik war schon vor seinen Taten im Visier mindestens des (norwegischen) Geheimdienstes, wie so viele Attentäter in jüngster Zeit. Breivik musste außerdem nicht hinterher per VDS identifiziert werden, er wurde am Tatort auf dieser Insel festgenommen. Die VDS war dementsprechend im Fall Breivik weder zur Prävention hilfreich noch zur nachträglichen Aufklärung und Ermittlung notwendig.

      PS: Warum haben es die Norweger eigentlich geschafft, Breivik lebend zu fangen, während in Paris und Kopenhagen die Täter einfach so erschossen werden. Ist das jetzt die inoffizielle Todesstrafe für Attentäter in Europa oder zeigt das die Unfähigkeit von polizeilichen Sondereinsatzkräften, Täter gefechtsunfähig zu schießen, ohne sie dabei zu töten?

      1. Breivik hatte damals sehr darauf geachtet, sich klar und unmissverständlich zu ergeben, weil er vorhatte, seinen Wahn noch vor Gericht ausbreiten zu können.
        Andere Täter legen es eher darauf an oder nehmen es zumindest in Kauf, ihr Leben zu verlieren. Die wollen dann als „Märtyrer“ gelten.

    2. Danke, da hab ich in dieser Ergänzung die Quelle leider nicht gecheckt. Ist korrigiert; der Herr Gabriel hat das ja damals auch Monate später noch ignoriert (Markus berichtete).

  8. Man muss heutztage schon sehr vorsichtig sein, dass einem kein Furz entfährt – sonst poppt daraufhin unweigerlich sofort ein CDU/BKA/VS/SPD-Mann auf und fordert die Vorratsdatenspeicherung.

  9. Danke für die Bestätigung. In Frankreich und Dänemark gibt es also eine Vorratsdatenspeicherung, und in Norwegen war 2011 geplant, sie einzuführen. Was also erlaubt uns Deutschen mal wieder, schlauer zu sein als alle anderen, und die VDS abzulehnen? Das ist ja fast so schlimm wie bei der Euro-Politik, wo alle von uns Deutschen fordern, wir müßten unsere Ausgaben erhöhen, nur wir beharren auf Schuldenabbau.

    Mich kotzt es an, dieses deutsche Überlegenheitsgefühl. „Deutschland, Deutschland, über alles, wir sind die besten, weil wir, im Gegensatz zu allen anderen, noch keine VDS haben“.

    1. In Dänemark gibt es im Moment keine Vorratsdatenspeicherung, weil man dort zu dem Schluss kam, dass sie keinen Nutzen hat. Das ist einer der Gründe, warum wir sie in Deutschland auch nicht haben sollten.

      Und nur weil andere eine VDS haben, bedeutet das nicht, dass wir sie auch haben sollten.

    2. Was den chronischen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands angeht, hast du natürlich Recht, damit gefährden wir ganz Europa. Nur: Was hat das mit Vorratsdatenspeicherung zu tun und damit, dass wir sie in Überinstimmung mit dem entsprechenden Urteil des EuGH (noch) nicht eingeführt haben?

  10. Eigentlich sind all die benannten Besipiele hervorragend dafür geeignet, VDS als falsch aufzuführen.
    Immerhin waren diese Leute bereits (einschlägig) bekannt, oder wurden sonstwie überwacht.

    Also hat die Datenspeicherung hier, OBWOHL es sich um bereits überwachte Personen handelt, nichts, aber auch gar nichts gebracht.

    1. Eigentlich. Es geht aber im politischen eventaufgeheizten Diskurs eben gerade nicht darum, aufzuzeigen, was sinnvoll ist und was nicht. Daß die VDS wenig bis gar nichts zur Verbrechensbekämpfung beiträgt, ist den Befürwortern natürlich bekannt. Was die VDS aber ansonsten bietet, ist für Verantwortungsträger mit zweifelhaften Neigungen durchaus von hohem Reiz. Sie einzufordern gibt es viele mögliche Anlässe, und wenn es deren mangelt, hilft man halt ein bißchen nach.

  11. Als guter Terrorist setzte ich zur Kommunikation keine öffentlichen Netze ein; lieber tote Briefkästen oder vereinbarte öffentliche Orte, um Datenträger zu deponieren oder deponieren zu lassen;
    also: warum wird Vorratsdatenspeicherung gefordert?

    1. „also: warum wird Vorratsdatenspeicherung gefordert?“

      Weil nicht alle Terroristenschweine so clever sind wie Du! ;) Der ordinäre Kleinkriminelle glaubt sich ja schon sicher, wenn er sich als Arne Nühm bei Facebook registriert, um mit seinen Gangkollegen den nächsten Bruch zu planen.

  12. Dass die VDS ernsthaft etwas nutzen würde, glauben die eh selbst nicht, und sie müssten es auch schon längst wissen – Frankreich ist doch ein gutes Beispiel, da gab es längst die VDS, und trotzdem hilft es nicht Anschläge zu verhindern. Das ist also nur ein Vorwand. Es geht tatsächlich um mehr Macht und mehr Informationen über alle Bürger. Und solche Anschläge sind ein ideales Mittel, um den nötigen Rückenwind für solche Forderungen zu bekommen. Die VDS bringt nichts und schadet 100% der Bürgern (mehr Überwachung), schießt also Lichtjahre weit über das Ziel hinaus, aber so bekommen die Machtinhaber halt noch mehr Macht, und wenn man das gut timed und rhetorisch gut verpackt, dann ist die Mehrheit der Bevölkerung leider auch noch dafür.

  13. Definition von Einheiten.

    1 Uhl ist der zeitliche Abstand von einem Terroranschlag zu einer Forderung nach Vorratsdatenspeicherung.

    1 Friedrich ist der zeitliche Abstand von einer Forderung nach Vorratsdatenspeicherung bis zur Erkenntnis, dass die Täter auch ohne VDS bereits bekannt waren.

    1 Gabriel ist der zeitliche Abstand von einer Forderung nach Vorratsdatenspeicherung bis zur Erkenntnis, dass der Anschlag erfolgreich war, obwohl in dem betreffenden Land eine VDS wirksam war.

    1. Alarm, alarm! Hier ist wieder so ein anonymer Wicht! „Arno Nym“??? Da lachen doch die Hühner! Diese Person heißt doch nie und nimmer in echt so! Wo kann ich anonyme Schabernacke melden? Gibts dafür ne App? Oder wenigstens nen Button? Hilfe, ist hier denn niemand zuhause? Hallo, jemand im Sendezentrum? Oder läuft die Veranstaltung hier im Autopilot? Irgendeiner muss doch die Seite umblättern, wenn ich auf einen Artikel klicke, oder geht das automatisch? Gibts hier denn keine Helpline? 0800-NETZPOLITIK (kostenlos aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk abweichend)

      Ach, ich habe Angst. Sind Nyme eigentlich ansteckend?

  14. Ich bin hin- und hergerissen: einerseits hätte ich gern sowas wie eine umfassende Vorratsdatenspeicherbullshitsdokumentation und würde gern sehen, dass ihr links dazu einsammelt. Gern auch per dezidiertem twitter-Account (@Vorratsdaten war gerade noch frei). Ein Vorratsdatenspeicherungsforderungswiki beim AK Vorrat wäre auch eine Möglichkeit. Wäre das nicht außerdem mal was, was man der Infografik-Redaktion der ZEIT mal antragen könnte? Da kann an timelines und Karten bauen, das können die ganz gut.

    Andererseits reicht es auch, wenn die Uhls dieser Welt reflexartig jeden Mord und jede „Bedrohungslage“ instrumentalisieren; muss mensch nicht umgekehrt auch tun um gegen die Vorratsdatenspeicherung zu kämpfen. Die Leute, die sich (wie ich) darüber ärgern haben ohnehin sofort den mentalen coundown bis zur Forderung durch einen Politiker, einen Polizeigewerkschaftler oder einen Sicherheitsbehördenvertreter.

    Was meint ihr, @Matthias? Könnt ihr das mal intern diskutieren und uns am Ergebnis teilhaben lassen?

    1. Abbott faselt wirres Zeug, wenn der sagt „Hier würde Kindesmissbrauch kaum verfolgt werden können“. Abgesehen davon, dass Missbrauch physikalisch und in der Regel durch den Kindern bekannte (wertender Term gestrichen) geschieht, hat die Bundesregierung bestätigt, dass Löschen statt Sperren extrem wirksam ist.

      Folgt man den Quellen des „Materials“, ggF. dem Geld, so gibt es wenigstens die Möglichkeit Täter, die sich real an Kindern vergingen, zu ermitteln. Eine VDS dagegen liefert im Wesentlichen „Konsumenten“, also kleine … (Term gestrichen, fängt mit „W“ an). Die Irren aber vergewaltigen weiter.

      Wenn Abbott bemängelt, dass Leute Skype statt Mobiltelefone nutzen, dann lässt sich daraus nur folgern, dass ein Kommunikationsgeheimnis in Australien nicht viel wert ist (und er diesen unhaltbaren Zustand sichern will).

      Ich fürchte, bei Abbott reicht kein Grundkurs Demokratie mehr…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.