Aufgebohrtes Schengener Informationssystem: EU-weite Fahndung nach Fingerabdrücken geplant

SIS_IIDie EU-Kommission plant die Einrichtung eines automatisierten „Fingerabdruck ldentifizierungssystems“ (AFIS), um auf diese Weise nach Fingerabdrücken fahnden zu können. Das teilte das Bundesinnenministerium auf Nachfrage mit. Die Fähigkeit soll demnach in das Schengener Informationssystem (SIS II) integriert werden. So sollen Personen mit gefälschten Ausweisdokumenten leichter erkannt werden. Erfasst würden Personen, zu denen eine schengenweite Ausschreibung existiert.

Im SIS II werden Personen oder Sachen zur Fahndung, Festnahme oder heimlichen Beobachtung ausgeschrieben. Bislang wurde die Datenbank bei Kontrollen über die von Betroffenen vorgezeigten Ausweisdokumente bzw. Kennzeichen abgefragt.

Schon jetzt drei daktyloskopische Datenbanken

Das physisch in Strasbourg befindliche SIS war vor zwei Jahren aufgebohrt und um mehrere Funktionalitäten erweitert worden. Unter anderem ist es in der größten EU-weiten Fahndungsdatenbank nun möglich, Anhänge zu speichern. Hierzu gehören auch Fingerabdruckdaten. Diese können zwar jetzt schon verglichen werden, jedoch lediglich im Einzelfall und nicht über interne Suchmaschinen. Es ist unklar, wie viele Fingerabdrücke derzeit im SIS II gespeichert sind, Schätzungen rangieren zwischen wenigen Tausend und einer sechsstelligen Zahl.

Daktyloskopische Daten spielen in der grenzpolizeilichen Anwendung eine immer größere Rolle. Erhoben und gespeichert werden sie bereits bei der Beantragung von Visa (Visumsdatenbank) oder bei Anträgen auf Asyl (EURODAC). Im derzeit errichteten System „Intelligente Grenzen“ sollen Reisende ebenfalls bis zu zehn Fingerabdrücke abgeben. Dies beträfe alle Einreisenden in die Europäische Union, auch Geschäftsreisende oder TouristInnen. Demnächst beginnt hierzu auch in Frankfurt ein Pilotprojekt.

Für den Austausch biometrischer Daten hatte die EU auf Drängen Deutschlands 2007 den Vertrag von Prüm beschlossen. Dort ist die EU-weite Abfrage von DNA-Daten und Fingerabdrücken geregelt. Allerdings werden Abfragen lediglich im „Hit/ No Hit“-Verfahren ausgeführt: Die fragende Behörde erfährt lediglich, ob in einem anderen Land ein Treffer vorliegt und muss dann ein Ersuchen auf Übermittlung der Informationen stellen. Jeder EU-Mitgliedsstaat benennt hierfür eine nationale Prüm-Kontaktstelle, in Deutschland wird dies vom Bundeskriminalamt (BKA) übernommen. Auch mit den USA ist ein solcher automatisierter Austausch geplant.

Auch Europol will Fingerabdrücke verarbeiten

Anfangs sollen im SIS II-AFIS nur jene Fingerabdruckdaten recherchierfähig genutzt werden, die bereits als Anhang an einem Personendatensatz vorhanden sind. Werden Personen zur Fahndung ausgeschrieben, wollen Behörden entsprechende biometrische Daten aber auch aus anderen Datenbanken kopieren und in das SIS II einstellen. Hierzu bräuchte es aber eine gesetzliche Grundlage.

Im Gegensatz zu Prüm ist das geplante SIS II-AFIS ein zentrales System. Die Kommission will nun prüfen, inwiefern eine solche zentrale Speicherung von Fingerabdrücken datenschutzrechtlich überhaupt rechtlich einwandfrei ist. Hierfür hat die Kommission einen Fragebogen an die Mitgliedsstaaten verteilt, um zunächst den „Anforderungsbedarf“ zu ermitteln.

Im Auftrag der EU-Kommission erörtert ein EU-Forschungszentrum derzeit Umsetzungsmöglichkeiten des SIS II-AFIS, Ergebnisse sollen spätestens Ende 2015 vorliegen. 11 Mitgliedstaaten steuern hierfür Informationen bei. Auch die rechtliche Ausgestaltung ist unklar. Laut dem Bundesinnenministerium ist bislang „nicht definiert“, inwieweit und in welchem Umfang künftig Recherchen in der Datenbank realisiert werden sollen.

Auch die EU-Polizeiagentur Europol plant die Verarbeitung von Fingerabdrücken in einem AFIS. Dadurch sollen Analysemöglichkeiten in Europols Datenbanken verbessert werden. So steht es im diesjährigen Arbeitsprogramm. Demnach plant die Agentur außerdem die Verfahren zur Gesichtserkennung, um in Foto- und Videodaten gezielt nach Personen suchen zu können.

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