Abhörziel Auswärtiges Amt: Wikileaks veröffentlich weitere Selektoren

Wikileaks hat erneut Selektoren veröffentlicht, die zeigen, wie die NSA deutsche Politiker ausgespäht hat, diesmal aus dem Auswärtigen Amt. Dabei ist auch Bundesaußenminister Frank-Walther Steinmeier, dem gleich zwei Nummern aus der Liste zugeordnet werden.

Zusätzlich zu den Telefonnummern wurde auch ein Überwachungsprotokoll publiziert, das ein Gespräch Steinmeiers mit einer unbekannten Gegenseite über CIA-Entführungsflüge und -Geheimgefängnisse zusammenfasst, in dem er sich über die Erleichterung bezüglich vager Äußerungen zu freuen scheint:

He seemed relieved that he had not received any definitive response from the U.S. Secretary of State regarding press reports of CIA flights through Germany to secret prisons in eastern Europe allegedly used for interrogating terrorism suspects.

In den vergangenen Wochen hatte Wikileaks bereits Informationen über 125 hochrangige Ziele aus Regierung und Wirtschaft veröffentlicht. Assange hat überdies dem NSA-Untersuchungsausschuss angeboten, auszusagen. Es ist also zu erwarten, dass uns in nächster Zeit noch mehr Enthüllungen über Selektoren bevorstehen.

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8 Ergänzungen

  1. Habe gestern ein Interview eines Onlinemagazins mit Assange gelesen. Darin wurde von Assange _bestätigt_, dass die NSA (und mit Sicherheit auch weitere Geheimdienste) abgehörte Gesprächsinhalte direkt als Druckmittel genutzt hat. Dass also die Gesamtheit der deutschen Politik, auch inklusive auswärtigem Amt, abgehört wird, ist doch inzwischen bitte keine Neuigkeit mehr für alle, die eins und eins zusammenzählen können. Dies ist weder eine Kritik an Netzpolitik, noch an Wikileaks, sondern eine der hoffentlich letzten Chancen(!) für die deutsche Politik, die Demokratie zu retten, bzw. (wieder-)einzuführen oder zumindest für den Einzelnen, das jeweilige Amt niederzulegen, um Platz zu schaffen. Denn sobald weitere abgehörte Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen, werden mit Sicherheit ein paar Lichter ausgehen. Und bei abgehörten und missbräuchlich verwendeten Inhalten aus der Wirtschaft ist man noch nicht einmal angelangt. So frustrierend dieses aus krankhaftem Wunsch nach Sicherheit getriebene System vordergründig klingen mag, desto positiver sehe ich mit jeder weiteren Veröffentlichung in die Zukunft, da mir dadurch nicht nur eine Einzige Sache ganz klar aufgezeigt wird. Und dafür bin ich Snowden, Manning, Wikileaks, Netzpolitik und allen im Hintergrund Agierenden jeden Tag aufs Neue dankbar.

  2. Eine geniale Bundesregierung hätte die Selektoren weiter im System gelassen und die NSA mit falschen Informationen gefüttert.

    1. Eine mittelmäßige NSA könnte die hohe Redundanz ihrer Informationssammlung dazu nutzen, um solche Fälschungen zu identifizieren.

  3. Die ganzen früheren Stasi Mitarbeiter müssen sich angesichts des Ausmaßes den die Überwachung durch die USA angenommen hat als absolute Stümper fühlen.

  4. Ich lese da kein „Überwachungsprotokoll“, sondern die Zusammenfassung eines Informanten wie in so vielen diplpmatic cables, mit dem durchaus interpretationswürdigen vorsichtigen “ seemed relieved“. Um das einschätzen zu können, müsste man die Cables haben, die vor dem Abflug Steinmeiers in die USA verfasst wurden. In den Cabblegate-Files gibt es Dutzende solcher Zusammenfassungen von Steinmeiers Absichten vor einer Reise. Wirklich interessant wäre die Sprechvorlage, die Jürgen Borsch vom Krisenreaktionszentrum für Steinmeier geschrieben haben soll.

    Und Wikileaks kann genau gar nichts „bestätigen“ oder dementieren, das wäre Sache der jeweiligen Regierung.

    1. Ich habe den Eindruck, dass die Gesprächszusammenfassungen aus dem Fundus des alten Cable-Gate stammt. Die Datierungen sprechen für diese Hypothese.
      Ich halte es überdies für möglich, dass das, was neuerdings als „Selektoren“ publiziert wird, ebenfalls aus einem zurückliegenden Leak stammt, zurückgehalten wurde, und nun munitioniert wird.
      Zur Wirkung meine ich, die Leute sind mittlerweile schon ganz schön abgebrüht. Das kann man an den Reaktionen von Lesern aber auch von Politikern und Redaktionen erkennen. Falls das altes Material ist, so wäre es besser gleich am Anfang publiziert worden. Möglicherweise hätte damals das Kanzleramt noch gebebt, aber heute? Nur noch Achselzucken.
      Die Salami-Scheibchen schmecken nach Instrumentalisierung. Man könnte aber auch gezielte Informationsvorenthaltung dazu sagen. Glen Greenwald spielt auch dieses Spiel und mittlerweile finde ich es zum kotzen. Knallt auf den Tisch was ihr habt! Alles, jetzt!

      1. 20. Juli 2015, 18:44 Uhr http://www.sueddeutsche.de/politik/nsa-desinteresse-apathie-lethargie-1.2573901

        Wenn Affären Serienprodukte sind, verfällt ihr politischer Kurswert
        Das Desinteresse, die Apathie, die scheinbare Unempfindlichkeit – das ist der eigentliche Skandal dieses großen Falls. Natürlich können auch Skandale abnutzen; wenn der Reiz der Neuheit verschwunden ist, hatte Aufklärung immer schon einen schweren Stand. Wenn Affären Serienprodukte sind, verfällt ihr politischer Kurswert, und es braucht schon große Schweinereien, um noch echte Aufregung auszulösen. Das entschuldigt aber nicht das organisierte Nichtstun der Regierenden und macht den Skandal nicht kleiner.

        Uns das ist auch nicht von schlechten Eltern:

        Wenn früher an der Elbe eine Wasserleiche angetrieben war, brachten Kriminalbeamte beim Feierabendbier schon mal den Schnack, der Leiche hätte man einen Fußtritt verpassen müssen, damit sie woanders angespült werde. Dann hätte man nicht selbst groß ermitteln müssen. So ähnlich ist das heute auch mit der NSA. … Was aber wäre eigentlich los, wenn in Deutschland ähnliche Abhörlisten der russischen Dienste auftauchen würden? Riesenskandal! Mindestens.

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