Abänderungsanträge sollen EU-Urheberrecht einbetonieren: Nächste Runde im Streit um Reda-Report

Anfang des Jahres hatte Julia Reda, deutsche Piratenabgeordnete im EU-Parlament und Mitglied der Grünen Parlamentsfraktion, einen Entwurf für die Evaluation des EU-Urheberrechts durch das EU-Parlament vorgelegt – und war dafür sowohl mit Lob (z.B. von der Initiative Urheberrecht) als auch mit Kritik (z.B. von Ex-Piratenabgeordnete Amelia Andersdotter) von unerwarteter Seite bedacht worden.

EP-LogoJedenfalls enthielt der Entwurf eine Reihe konkreter und moderater Ideen für eine überfällige Reform des Urheberrechts, allen voran eine stärkere europäische Vereinheitlichung (wie sie auch EU-Kommissar Oettinger vorschwebt) und gleichzeitig eine Flexibilisierung, z.B. durch eine offene Schranke nach Vorbild des US-Fair-Use. Von Anfang an war aber klar, dass es von der Vorstellung des Entwurfs bis zur Beschlussfassung des Parlaments noch ein weiter Weg sein würde.

Wie steinig dieser Weg werden dürfte, darauf geben jetzt die ersten Abänderungsanträge im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT) einen ersten Hinweis. Im Unterschied zur jüngsten Abstimmung über einen Initiativbericht zum Urheberrecht im selben Ausschuss, wo vor allem die Konservativen über Änderungsanträge ACTA-Klauseln wiederbelebt haben, kommen beim Reda-Report die ersten Querschüsse vom deutschen S&D-Abgeordneten Dietmar Köster. Wenn die uns vorliegende Liste mit Abänderungsanträgen (PDF) erfolgreich sein sollte, wird sich wohl auch Julia Reda – wie schon ihr grüner Fraktionskollege Michel Reimon beim Initiativbericht – fragen müssen, ob sie ihren Namen weiterhin auf dem Bericht stehen lassen möchte.

Neben einigen Ergänzungen sind es vor allem die vorgeschlagenen Abänderungen und Streichungen, die darauf abzielen das bestehende Urheberrecht einzubetonieren oder das Rad sogar noch weiter zurückzudrehen. So möchte Köster allen Ernstes folgenden Absatz ersatzlos streichen lassen (Amandment 9; bezieht sich auf einen Vorschlag der CULT-Berichterstatterin Adinolfi zur Änderung des Reda-Reports):

Urges for the establishment of mandatory limitations and exceptions to copyright, at least with regard to the most important exceptions, such as those in the field of education, research and libraries, to allow for the more widespread dissemination of cultural content across the EU;

Dieser Punkt zielt darauf ab, endlich nicht nur das urheberrechtliche Schutzniveau sondern auch (zumindest die wichtigesten) Ausnahmeregelungen („Schranken“) europaweit zu vereinheitlichen. Derzeit ist es nämlich so, dass Ausnahmen vom Urheberrecht nur optional und unterschiedlich in den einzelnen EU-Staaten implementiert sind, was grenzüberschreitende Angebote und Dienstleistungen erschwert. Diesen Punkt zu streichen wäre nicht nur ein Festhalten am dysfunktionalen Status quo sondern auch im Widerspruch zum Ergebnis der EU-Konsultation zum Urheberrecht durch die EU-Kommission.

Statt Vereinheitlichung von Schranken soll die Forderung (Amendment 10) aufgenommen werden, dass jede Schranke, die durch Mitgliedsstaaten eingeführt wird, die herkömmliche Verwertung eines Werkes nicht beeinträchtigen darf. Das ist aber ohnehin in internationalen Verträge genau so vorgeschrieben und steht im Rahmen der EU-Urheberrechtsrichtlinie überhaupt nicht zur Debatte (vgl. eine kritische Stellungnahme von Urheberrechtsforschern zu diesem Drei-Stufen-Test).

Besonders ärgerlich ist Amendment 14, mit dem einer offenen Schranke nach Fair-Use-Vorbild eine Absage erteilt wird. Anstelle der Forderung nach einer „general exception“ wünscht sich Köster folgendes:

Highlights the fact that a general flexible exception is not adapted to the European legal system and would undermine the legal certainty necessary for both the consumers and the creative and cultural

In anderen Worten: eine offene Schranke ist schlecht weil wir das a) in Europa bisher nicht so gemacht haben und b) Rechtssicherheit unterminieren würde. Ersteres stimmt und ist ja gerade der Grund dafür, warum wir dringend so eine offene Schranke brauchen, die nicht nur digitale Remixkreativität legalisieren sondern auch für größere Technologieoffenheit des Urheberrechts sorgen würde. Zweiteres, also der Vorwurf größerer Rechtsunsicherheit, steht im Widerspruch zum Stand der Copyright-Forschung in den USA, die schon lange mit diesem (europäischen) Vorurteil aufgeräumt hat (vgl. z.B. die Studien „Unbundling Fair Use“ von Pamela Samuelson und „Predicting Fair Use“ von Matthew Sag).

Die Absage an die offene Schranke wird vollends absurd, wenn Köster schließlich mit Amendment 18 ergänzt sehen möchte, dass die schnelle technische Entwicklung auf digitalen Märkten technologieneutrale Rahmenbedingungen erfordert:

Points out that the rapid rate of technological development in the digital market calls for a technologically neutral legislative framework for copyrights;

Technologieneutralität des Urheberrechts ist genau das, was eine Vereinheitlichung von Schranken in Kombination mit einer offenen Schranke nach Fair-Use-Vorbild leisten würde – also das, was Köster oben löschen oder ablehnen möchte.

Mit Amendment 7 wiederum soll betont werden, dass mit Verlinkungen durchaus eine Urheberrechtsverletzung einher gehen kann, wenn damit eine neue Öffentlichkeit erreicht wird. Dieser Absatz bezieht sich auf eine Entscheidung des EuGH, mit der klargestellt wurde, dass Embedding (z.B. von rechtmäßig hochgeladenen YouTube-Videos) keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Die Begründung des EuGH schränkte die Erlaubnis aber auf solche Fälle ein, wo keine neue Öffentlichkeit erreicht wird; eine nicht besonders überzeugende Begründung, die dazu führt, dass immer noch einige Fälle von Verlinkung und Embedding Abmahnungsrisiken begründen können. Anstelle hier weitere Klärung durch den EU-Gesetzgeber einzufordern, macht sich dieses Amandment aber die Position des EuGH unkritisch zu eigen.

Fazit

Noch ist nicht klar, ob die Köster-Amendments wie schon bei der letzten Abstimmung im CULT-Ausschuss mit den Konservativen abgesprochen sind und einfach durchgewunken werden. Ganz allgemein lesen sich die Amendments wie von der Rechteinhaber-Lobby diktiert. Eine offene Schranke ablehnen und gleichzeitig Technologieneutralität einfordern ist dabei wirklich der Gipfel der Inkonsistenz.

9 Ergänzungen

  1. Was kann man von den „Sozialdemokraten“ auch anderes erwarten als neoliberale Lobby Politik im Namen von Großkonzernen und Kapital ? Etwas anderes hätte mich doch sehr verwundert.

  2. Das mit dem „S&D-Abgeordneten Dietmar Köster“ ist vermutlich ein Freudscher Fehler?

    Ansonsten liegt er da natuerlich voll auf der Linie seines Parteivositzenden: weniger Demokratie wagen!

      1. Ah…ich das hatte das kurz in Erwaegung gezogen, dann aber gesehen, dass er (auch) SPD ist. Danke.

  3. Ggf. ist bei den Soz.Demok. auch die Erkenntnis gereift, daß der Tausch -> sehr viele Künstler und Kreative gegen ( zugegeben laute )sehr sehr wenige „Netzaktivisten , ein schlechter Tausch ist. Auch bzgl positive Mobilisierung für Wahlkämpfe. Zudem es ohnehin keine potentielle Wählerschicht betrifft und sowieso zahlenmäßig kaum relevant ist. Die 6 – 8 % , die es zu den 0,5 % Potential für die Piraten Partei ON Top gab, wählen jetzt halt die aktuelle Protest Partei. Inhaltlich gab’s da noch nie große Übereinstimmung, Protestwähler wählen irgendwas, hauptsache nicht etabliert, und nicht gerade die Rechtsradikalen. Es ergibt somit schlicht wenig Sinn, sich für die Abliegen Redas tatsächlich ins Zeug zu legen. Man kann mutmaßen, dass sogar die Ernennung Redas als Berichterstatterin taktisch motiviert war, um Sie dann folgend genüßlich zu zerlegen.

    1. Das wäre vollkommen richtig, wenn Künstler und Kreative irgendwas von archaischen VHS-Video-Urheberrechten hätten. Das Rechtsregime ist aus der Steinzeit, und in erster Linie leiden alls Abgemahnten oder deren Eltern. Und das sind allein in Deutschland schon Millionen.
      Auf lange Sicht gewinnen sowieso die digital natives mit ihrer pragmatisch-internationalen Sicht. Die Frage ist nur: Wie schnell sterben die Verhinderer?

  4. Und glaubt jemand, die Änderungsanträge würden auf einen Kompromiss hinarbeiten, wenn der Entwurf von Julia Reda stärkere urheberrechtsbeschränkende Forderungen enthielte? Weil das war Teil der Kritik von Amelia Andersdotter.

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