Viel Netzpolitik, leider wenig Inhaltliches: Angela Merkels Rede zur Generaldebatte im Bundestag

2014-09-10-bt-haushalt-merkelUnsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat heute im Bundestag im Rahmen der Haushaltsdebatte auch über Netzpolitik gesprochen. Der Inhalte bestand dabei zu weiten Teilen aus Textbausteinen aus der Digitalen Agenda und der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung dazu. Positiv gesehen ist es schön, dass in ihrer Rede Netzpolitik einen so großen Raum eingenommen hat. Allerdings hat sie dabei trotz Quantität nicht viel Inhaltliches gesagt und ihre Rede entspricht der Qualität der Digitalen Agenda. Hier sind die netzpolitisch-relevanten Stellen aus dem Vorläufigen Protokoll, der Ausschrift des Stenografischen Dienstes des Bundestages. Hier gibts auch ein Video.

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Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, solides Haushalten ist kein Selbstzweck, sondern es ist die Voraussetzung für politische Handlungsmöglichkeiten in der Zukunft. Erstens für eine aktive Begleitung des digitalen Wandels. Der digitale Wandel ist zentrale Gestaltungsaufgabe für die Wirtschaft, die Wissenschaft, aber eben auch – das ist unser Part – für die Politik. Wie sich Deutschland und wie sich die Europäische Union in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts hier weltweit positionieren, das wird über unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit auch über unseren zukünftigen Wohlstand entscheiden. Das Bundeswirtschaftsministerium, das Innenministerium und das Ministerium für digitale Infrastruktur haben eine digitale Agenda erarbeitet, die am 20. August im Kabinett beschlossen wurde. Sie ist ein erster Schritt, um die technische Revolution, die sich durch die Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen ergibt, aktiv zu begleiten und politisch mitzugestalten.

Wir setzen dabei als Bundesregierung drei Schwerpunkte: Impulse für weiteres Wachstum und Beschäftigung – die Informations- und Technologiebranche ist entscheidender Innovations- und Wachstumsmotor -, Zugang und Teilhabe durch leistungsstarke Netze – unser Land braucht flächendeckende Breitbandinfrastruktur – und Vertrauen und Sicherheit im Internet; das reicht von der Datensicherheit für Privatpersonen und Unternehmen bis zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur. Der Kabinettsbeschluss vom 20. August umreißt den Handlungsrahmen. Die gemeinsame Umsetzung erfolgt im Dialog mit den relevanten Gruppen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Aber es wird auch etliche Punkte geben, bei denen die Politik nach diesem Dialog auch kritische Entscheidungen fällen muss und fällen wird.

Nach dem Kabinettsbeschluss am 20. August ist der nächste Schritt der IT-Gipfel am 21. Oktober in Hamburg. Er wird die zentrale Plattform sein und wird auch die Handlungsfelder der digitalen Agenda widerspiegeln. Mit den drei federführenden Bundesministern ist verabredet, dass bis dahin erste wesentliche Punkte vorangekommen sind, zum Beispiel beim Thema Netzneutralität oder beim konkreten Zeitplan für die Versteigerung der 700-Megahertz-Frequenzen, die sehr wichtig dafür sind, dass wir den Ausbau der Netze voranbringen. Wir müssen verstehen, dass die Digitalisierung nicht nur schnelles Internet, IT-Sicherheit oder Innovationen auf dem Feld der Telekommunikation bedeutet, sondern dass es sich dabei um eine industrielle Revolution handelt, diesmal nicht so, wie wir sie aus der Geschichte kennen, mit rauchenden Schloten von Fabriken oder Maschinenlärm, sondern in einer völlig anderen Art und Weise, aber mit ebenso faszinierenden Veränderungen.

Das Schlagwort ist „Industrie 4.0“. Was heißt das? Es wird mehr und mehr Produktionsabläufe geben, die sich selbst organisieren können, wo die Maschinen miteinander kommunizieren. Das hat natürlich wesentliche Auswirkungen auf die Arbeitswelt, über die wir im Übrigen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften gerade vor wenigen Tagen in Meseberg gesprochen haben. Es werden durch kleine Softwareanwendungen ganze Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten auf den Kopf gestellt, und Dienstleistungen und Produktionsprozesse werden sich immer weiter annähern und ineinandergreifen. Der Computer als Gerät, wie er uns heute bekannt ist, wird immer mehr in den Alltagsgegenständen verschwinden und aufgehen. Das ist das Internet der Dinge, von dem so viel die Rede ist. Wir sind also in einer Entwicklung, in der Internetunternehmer, App-Entwickler und alle übrigen Unternehmer auf dem Feld der digitalen Dienstleistungen zu einem neuen Mittelstand werden, und der Mittelstand war ja immer das Rückgrat Deutschlands. Deshalb geht es darum, dass wir diesen Teil des Mittelstandes dabei begleiten, damit er gute Entwicklungschancen hat. Das geschieht einmal durch Open Innovation, wie es heutzutage so schön heißt, also durch den Zugang zu den notwendigen Quellen. Es geht ferner darum, dass wir junge Unternehmer, ganz besonders durch den Wirtschaftsminister, fördern, bessere Finanzierungsbedingungen entwickeln. So werden wir zum Beispiel den Invest-Zuschuss für Wagniskapital von der Ertragsteuer befreien. Schließlich arbeiten wir an weiteren Möglichkeiten, wie wir gerade solchen Start-ups gute Bedingungen in Deutschland geben können. Eine gleichmäßige Entwicklung von Stadt und Land wird in Zukunft nur möglich sein – wir dürfen nicht vergessen, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt -, wenn beide gleichermaßen Zugang zum schnellen Internet haben. Es geht hier nicht nur um Teilhabe an den wirtschaftlichen Möglichkeiten; es geht um Teilhabe an Bildung und vielen anderen Dingen, um gleichwertige Lebensbedingungen im weiteren Sinn. Deshalb konkretisieren wir jetzt Schritt für Schritt unser Ziel, den Breitbandhochgeschwindigkeitsausbau voranzubringen, sodass das Ziel, 2018 eine flächendeckende Breitbandversorgung mit Geschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde, erreicht werden kann.

Wir wollen die Dinge voranbringen. Deshalb hat Bundesminister Dobrindt eine „Netzallianz Digitales Deutschland“ gegründet, in der die einzelnen Schritte festgelegt werden. Neben dem Aufbau der Infrastruktur geht es in Zukunft auch und ganz besonders – das wird uns sehr herausfordern, die wir damit beschäftigt sind, Sicherheit auf der einen Seite und Zukunftsfähigkeit auf der anderen Seite gleichermaßen zu vereinen – um das Management von riesigen Datenmengen; denn Big Data wird der Ausgangspunkt von neuen Wertschöpfungsketten sein. Wer daran nicht teilnimmt, weil er schon Furcht hat, bevor das Wort gefallen ist, wird nicht zu diesen Wertschöpfungsketten vorstoßen. Deshalb werden wir zwei Big-Data-Kompetenzzentren in Berlin und in Dresden einrichten und damit Erfahrungen sammeln, wie Wertschöpfungsketten der Zukunft möglich gemacht werden können.

Meine Damen und Herren, der Innenminister Thomas de Maizière hat zu Recht davon gesprochen, dass wir eine Debatte um einen neuen digitalen Ordnungsrahmen führen müssen. Die Grundsatzfrage lautet hierbei immer wieder: Wie können wir Freiheit und Sicherheit im Netz in Einklang bringen? Deshalb arbeitet die Bundesregierung unter Federführung des Innenministeriums gerade am ersten IT-Sicherheitsgesetz. Es wird einen besonderen Schwerpunkt auf die Sicherung unserer Infrastruktur setzen. Wir werden auch die entsprechenden Geschäftsmodelle fördern, die dann in der Wirtschaft die Entwicklungen möglich machen. Deutschland ist führend in der Sicherheitstechnik im digitalen Bereich. Das soll weiter ausgebaut werden: Initiativen wie „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ und die „Allianz für Cyber-Sicherheit“ werden ausgebaut.

Natürlich kann das alles nicht allein national geregelt werden. Deshalb brauchen wir einen einheitlichen Datenschutz in Europa. Hierfür steht die Datenschutz-Grundverordnung. Ihre Verabschiedung ist von überragender Bedeutung; ich habe das hier schon öfter angesprochen. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir unseren eigenen Datenschutz dabei nicht schwächen. Deshalb sind die Verhandlungen nicht ganz einfach. Aber: Wenn wir die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen inklusive des Datenschutzes in Europa nicht vereinheitlichen, wird der Binnenmarkt in diesem Bereich nicht zur Entfaltung kommen. Deshalb ist es eine Angelegenheit, die die 28 Mitgliedstaaten betrifft.

Die Weiterentwicklung der Digitalen Agenda muss nicht nur in Deutschland erfolgen, sondern auch im europäischen Maßstab. Unser Ziel muss sein – gerade auch in der Arbeit der neuen Kommission -, dass wir mit amerikanischen Digitaldienstleistern genauso wie mit chinesischen Netzwerkfirmen auf Augenhöhe agieren können. Die Frage ist dann: Sind wir so gut wie die anderen, und können wir hier wirklich in Zukunft Wertschöpfung und Wachstum und Arbeitsplätze für Deutschland, aber auch für ganz Europa generieren?
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3 Ergänzungen

  1. Merkel sagt nie was inhaltliches, sie wird nie konkret damit ist dann auch niemand in der Lage sie mit konkreten Themen zu kritisieren. Deshalb ist sie ja so beliebt, weil sie nie inhaltlich Stellung nimmt, somit auch niemandem auf die Füße tritt.

    1. Und somit bringt sie auch nie etwas zustande.
      Die Politik ist zu einem Zahnlosen Tiger geworden, der sich blind mit Ausflüchten vor den Problemen drückt.
      Hier wird es bis 2018 auch nichts mit 50 MBit/s.
      Nicht mals die 75% Marke für 2014 ist da erreicht.
      Wie sollen wir dann bis 2018 dann erst 50 MBit/s schaffen.

      Die Kommission für die Digitale Agenda ist wie die damalige Netz Enquete auch nur ein Papiertiger.
      Dort kann man viel vorschlagen und diskutieren.
      Bringen wird das aber nichts.

      Im Gegenteil.
      Es wird uns sogar mehr schaden als helfen.
      Die Regierung zerstört mit Untätigkeit alles was sie zerstören kann.
      Ich habe fast die Vermutung man macht vor dem Abgang noch eine Operation „Verbrannte Erde“.

  2. Ich kann mich eh nur nicht daran erinnern das Frau Merkel irgendwann mal Konkret zu einem Thema Stellung bezogen hat, inhaltlich ist es leider kaum nachvollziehbar über was die Frau da konkret redet und meist schalte ich nach kurzer zeit eh ab weil es mir zu blöd wird.
    Ich habe sogar fast das Gefühl das sie grundsätzlich vermeidet eine konkret feste Stellung zu irgendeinem Thema zu beziehen, was aber bei fast allen Politiker der Fall ist.

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