Sensburg erwägt Snowden-Befragung in der Schweiz und macht sich lächerlich

Durch die einstimmige Abstimmung am Donnerstag hat der NSA-Untersuchungsausschuss sich auf eine Befragung Edward Snowdens geeinigt. Doch nach dem Hickhack um das „Ob?“ kann man mit einigen weiteren Diskussionen um das „Wie?“ und „Wo?“ rechnen. Der Vorsitzende des Ausschusses Patrick Sensburg hat in einem Interview mit Der Spiegel seinen Willen zur Anhörung des Whistleblowers zum Ausdruck gebracht und neben einem Gespräch in Russland eine weitere Option in den Raum geworfen:

Wenn Snowden nicht unter den Augen des russischen Machthabers Wladimir Putin und dessen Geheimdienst FSB aussagen möchte, könnte ich mir eine Vernehmung in der Moskauer Botschaft eines Drittlandes vorstellen. Die Schweiz zum Beispiel verfügt über hervorragende Sicherheitstechnologien. Es wäre sicherlich denkbar, eine abhörsichere Video-Schalte nach Deutschland herzustellen. Oder ein Treffen zwischen dem NSA-Untersuchungsausschuss und Snowden in der Schweizer Botschaft zu arrangieren, vorausgesetzt, die Schweiz willigt ein.

Warum ein Drittland, warum vor allem gerade die Schweiz? Sensburg begründet die Ausflucht auf unser Nachbarland damit, dass die Schweiz über „hervorragende Sicherheitstechnologien“ verfüge. Diese Begründung ist nicht nur äußert dünn, sondern auch über alle Maßen peinlich. Deutschland würde sich – falls diese Aussage ernst gemeint sein sollte – dazu bekennen, nicht in der Lage zu sein, gegen die Übermacht der amerikanischen Freunde zur Wehr zu setzen und das sowohl technisch als auch diplomatisch, während die kleine Schweizerische Eidgenossenschaft das schaffen könne. Glaubt Sensburg ernsthaft allein die Schweizer Neutralität würde die USA in diesem Fall vom Eingreifen abbringen?

Lächerlich wird es, wenn Sensburg in Agentenfilm-Manier heraufbeschwört, was mit Snowden bei einer Befragung in der Deutschen Botschaft in Moskau geschehen könne:

Kann er dort von Amerikanern entführt werden? Was passiert, wenn er das Gebäude verlässt und auf der Straße von amerikanischen Agenten in einen Bus gezerrt wird? Das wäre höchst blamabel.

Eine Befragung in Deutschland direkt hält Sensburg immerhin weiter für eine Option, er deutet jedoch an, dass er nicht davon überzeugt sei, dass es wirklich dazu kommen werde, vor allem aufgrund eines mutmaßlich folgenden Auslieferungsersuchens seitens der USA. Dann übertrifft sich Sensburg selbst: „Aber vielleicht wäre das gar keine schlechte Lösung.“ Viele, darunter der Rechtswissenschaftler Nikolaos Gazeas, halten die notwendige Zustimmung deutscher Gerichte für eine Auslieferung jedoch für höchst unwahrscheinlich, da ein vielbeschworener „internationaler Haftbefehl“ in einer solchen Form bei politischen Taten gar nicht existiere.

Die Arroganz, mit welcher sich hier angemaßt wird, zu wissen, was „gut“ für Snowden sein soll und das ein Verfahren in den USA und „eine Haftstrafe in den USA von vier, fünf Jahren“ mehr Lebensqualität bedeuteten als das Leben in Russland, ist unübertroffen. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht insgeheim die Taktik verfolgt wird, mit solcherlei bevormundender Respektlosigkeit von hinten herum dafür zu sorgen, Snowden den Schwarzen Peter zuzuschieben, wenn er sich angesichts dieser Behandlung irgendwann von sich aus weigern wird, Deutschland bei der Aufklärung der NSA-Affäre zu unterstützen. Denn er soll augenscheinlich ohne Rücksicht auf seine eigene Situation benutzt werden – das ist rückgratlos und beschämend.

Das sieht auch der Chaos Computer Club. Er hat ein Zeichen gesetzt und sich als Unterstützer Snowdens positioniert. Nicht nur ideell, indem ihm – wie auch Chelsea Manning – die Ehrenmitgliedschaft angetragen werden soll, sondern auch eventuell finanziell, um besser für die Gewährleistung seiner Sicherheit sorgen zu können. Der neue Vorstand des CCC wird das nun prüfen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

19 Ergänzungen

  1. „dass die Schweiz über “hervorragende Sicherheitstechnologien” verfolge. “

    Öhm. Korrigieren?

    Ansonsten ist das natürlich ein Witz das mit der Schweiz. Wahnsinn.

  2. Die Schweiz macht da ohnehin nicht mit.
    In erster Linie wegen der aktuellen Geschichte mit der Credit Suisse.
    Aber wir verfügen auch nicht über “hervorragende Sicherheitstechnologien”, wenn wir z.B. einen Staatstrojaner einsetzen wollen, machen wir das via Amtshilfeverfahren aus Deutschland…

  3. „der amerikanischen Freunde“…….welche Freunde? Wenn meine Freunde so mit mir umgehen würden gäbte es einen kräftigen Tritt in die **** und ich würde diese Menschen für immer aus meinem Leben verbannen.

    Unsere amerikanischen Feinde, die in der ganzen Welt Menschen abknallen und die die sie nicht direkt töten langsam vergiften wollen….. so schaut es doch aus.
    Ein riesen Aggressor….

    MfG Maik

  4. „könnte ich mir eine Vernehmung in der Moskauer Botschaft eines Drittlandes vorstellen“. Das ist der entscheidende Punkt und wird in dem Artikel leider falsch interpretiert. Snowden würde sich de facto immer noch in Russland befinden und nicht in der Schweiz. Eine Befragung in der deutschen Botschaft geht nicht, weil das Auswärtige Amt der Bundesregierung untersteht.

    Senseburg glaubt also mitnichten, dass sich die Schweiz besser als Deutschland gegenüber der USA erwehren kann.

  5. Dass Snowden auf offener Straße in Russland, der Schweiz oder Deutschland verschleppt wird, halte ich für höchst unwahrscheinlich. So ein Akt würde nicht nur der ganzen Debatte eine neue Dimension geben, sondern sicherlich auch den öffentlichen Druck erhöhen. Erlauben können die USA sich das einfach nicht. Zu offensichtlich wäre damit die Doppelmoral der USA enttarnt.

    Würde Snowden dieses Risiko eingehen? Er kämpft für seine Überzeugungen und hat gezeigt, wie viel er dafür riskiert. Ich bin sicher er würde auch diesen Schritt gehen.

    Die Schweizer Neutralität hat wie wir wissen Geschichte. Die Schweiz zu zwingen, Snowden an die USA auszuliefern oder ihn dort „medienwirksam“ vor den Augen der Welt zu entführen würde ungeahnte Wellen schlagen. Der Versuch die Schweiz zu zwingen allein, würde das Selbstverständnis der Eidgenossen bedrohen und über Parteilinien hinweg Widerstand mobilisieren.

    Die Schweiz war für Snowden scheinbar von Beginn an eine Option. Doch bisher scheint die Schweiz es wie die deutsche Bundesregierung zu halten. Eine Möglichkeit aus der jetzigen Zwickmühle und ein tragbarer Kompromiss ist es mit Sicherheit.

    Natürlich wäre die beste Lösung immer noch, wenn Deutschland Snowden Schutz und Asyl garantiert. Diese Haltung wäre nicht nur ein Zeichen für Rückgrat, sondern würde zugleich der neuen Rolle der BRD in Europa und der Welt gerecht. Dieser Schritt der Emanzipation Deutschlands auf internationaler Bühne würde langfristig die Beziehungen zu den USA sogar stärken, denn er macht die BRD zu einem richtigen Freund – richtige Freunde sagen sich nämlich, wenn sie Scheiße im Gesicht haben. Doch mit dieser Sicht bin ich wohl leider recht einsam.

    1. Auf offener Straße verschleppen? Warum nicht? Siehe bin Laden. Achso, Deutschland ist ein befreundeter Staat? Na dann mussten eben alle deutschen Sicherheitskräfte zufällig gleichzeitig pinkeln gehen und Snowden ist selbstverständlich freiwillig mitgegangen. Oder er hat sich beim Verlassen des Interview-Ortes ‚verlaufen‘. Wenn er sich dann noch passend verläuft, ist auch gerade kein Medienvertreter dabei. Praktisch. Folgen? Keine. Snowden verschwindet für immer und Merkel grinst das Thema erfolgreich weg, unterstützt von den völlig armseligen Politikern und Massen-Medien in diesem Land.

      Wundern würde mich so eine Aktion bei den ‚Leistungen‘ unserer Regierenden absolut nicht. Ich an Snowdens Stelle würde den Teufel tun, auch nur einen Fuß in dieses Land zu setzen. Da könnte er auch gleich einen Direktflug nach Guantanamo buchen.

      Im Übrigen bist Du mit Deiner Ansicht auch nicht alleine. Da es aber für Regierung und Opposition wichtiger ist, den USA in den Hintern zu kriechen, ist das andererseits auch ziemlich egal.

      1. Der Fall Jeffrey Carney ist imo noch treffender. Wobei eine Entführung Snowdens natürlich (auch international) deutlich mehr Aufmerksamkeit erzeugen würde.

        http://de.m.wikipedia.org/wiki/Jeffrey_Carney

        Von Agenten des US-Geheimdienstes United States Air Force Office of Special Investigations wurde er am 22. April 1991 in Berlin auf offener Straße entführt und zum Prozess in die USA verbracht. Weder damals noch die Jahre danach gab es diplomatischen Protest der deutschen Bundesregierung darüber, dass die Entführung auf deutschem Boden stattgefunden hatte.

        Nach Verbüßung einer zwölfjährigen Gefängnisstrafe im Fort Leavenworth weigerten sich die deutschen Behörden, ihn als Staatsbürger anzuerkennen.

  6. Ich halte das nicht für abwegig, dass Snowden plötzlich im Dienstwagen des amerikanischen Botschafters sitzt (kein deutsches Hoheitsgebiet mehr), dann ab auf die nächste US-Base, und schon sitzt er im Militärflieger gen Westen.

    1. Das ist ein Irrglaube. Weder der Dienstwagen eines Diplomaten, noch das Grundstück diplomatischer Einrichtungen sind das Hoheitsgebiet eines fremden Staates.

      Die US-Botschaft genießt deshalb lediglich Immunität und andere Rechte. Keinesfalls gilt dort amerikanisches Recht.

      1. „Das ist ein Irrglaube. Weder der Dienstwagen eines Diplomaten, noch das Grundstück diplomatischer Einrichtungen sind das Hoheitsgebiet eines fremden Staates.

        Die US-Botschaft genießt deshalb lediglich Immunität und andere Rechte. Keinesfalls gilt dort amerikanisches Recht.“

        Du solltest lesen, was geschrieben steht. Niemand hat behauptet, dass dort etwa US-Recht gilt. Jedenfalls hat dort die deutsche Staatsgewalt keinen Zugriff.

        Nenn es, wie du willst.

      2. Die deutsche Staatsgewalt ist völkerrechtlich stark eingeschränkt, aber das ist auch nicht der Punkt meines Arguments.

        Der Punkt und das entscheidende ist, dass die Staatsgewalt der USA hier „keinen Zugriff“ hat.

  7. Sehen wir der Realität in die Augen: Irgendwie kann ich mich noch dunkel daran erinnern, das sogar eine Präsidentenmaschine in Österreich zur Landung gezwungen wurde, weil der Präsident unter Verdacht stand Ed. Snowden an Bord zu haben. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen: Deutschland kann die Sicherheit nicht garantieren. Selbst wenn er mit einer TU 160 eingeflogen wird. Zuvor müssten alle Geheimverträge mit den USA annulliert werden. Siehe auch Josef Foschepoth

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.